Europäische Fleisch- gegen asiatische Pflanzenesser? Der russisch-japanische Krieg in der vegetarischen Presse[1]
Von Laura-Elena Keck
AbstractDer russisch-japanische Krieg von 1904/05 war aus europäischer Sicht nicht nur ein Schockmoment, das die scheinbare Überlegenheit Europas in Frage stellte. Er gab auch Anlass zu hitzigen Ernährungsdebatten: Waren die japanischen Erfolge auf die vegetarische Kost der Soldaten zurückzuführen? Wie ließ sich diese Theorie mit der wissenschaftlichen Ernährungsforschung in Europa vereinbaren, die seit Jahrzehnten mehrheitlich die Vorzüge des Fleischkonsums anpries? Und was bedeutete das alles für die Zukunft der europäischen Nationen? Anhand von Beiträgen aus der „Vegetarischen Warte“ zeigt der Essay, wie die Frage nach der „richtigen“ Ernährung um 1900 zu einer europäischen Schlüsselfrage wurde, die nicht nur für die weitere Entwicklung des Kontinents entscheidend schien, sondern auch für die Frage, wer eigentlich zu Europa gehörte.
Der russisch-japanische Krieg (1904/05), in dem die beiden Reiche um den Einfluss in der Mandschurei und Korea kämpften, wurde von vielen Europäer:innen als einschneidendes Ereignis wahrgenommen: Zum ersten Mal unterlag eine europäische Großmacht einem asiatischen Land in einer militärischen Auseinandersetzung. Dieses Ereignis gab einigen Zeitgenoss:innen Anlass zu einer Infragestellung eurozentrischer Überlegenheitsphantasien, während andere sich in rassistische, imperialistisch motivierte Bedrohungsszenarien hineinsteigerten, die um die sogenannte Gelbe Gefahr kreisten.[2] Die europäische Presse berichtete ausführlich über den Konflikt und die Debatten, die sich darüber entfalteten – mitunter auch an Orten, die auf den ersten Blick überraschen: In der Vegetarischen Warte, der Verbandszeitschrift des Deutschen Vegetarier-Bundes, entbrannte bereits 1904 eine hitzige Diskussion über den Krieg. Die Lektüre der unterschiedlichen Beiträge zeigt auf, wie im Rahmen von Ernährungsdiskursen Fremd- und Selbstzuschreibungen formuliert wurden, die der Konstruktion einer (durchaus umstrittenen) europäischen Identität dienten. Vor allem lässt sich an ihnen aber ablesen, wie Ernährung um 1900 eine neue Funktion erhielt: Sie wurde zunehmend als Waffe im Wettstreit der Nationen, Völker oder „Rassen“ verstanden. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Ernährung zu einem Instrument der Biopolitik, die auf die Optimierung von Lebensprozessen und die Regulierung der Bevölkerung zielte.
Die Vegetarische Warte war eines der zentralen Publikationsorgane der organisierten deutschen Vegetarismus-Bewegung.[3] Die Anhänger:innen des modernen Vegetarismus, der sich im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die und in engem Zusammenhang mit der Industrialisierung zunächst in Großbritannien, dann auch in vielen anderen europäischen Ländern und den USA herausbildete, verzichteten aus unterschiedlichen Gründen auf Fleisch und Reizmittel wie Alkohol.[4] Neben moralischen, religiösen oder gesellschaftspolitischen Motiven spielten gesundheitliche und körperbezogene Erwägungen dabei häufig eine zentrale Rolle. Die Vegetarier:innen versprachen sich von ihrer Ernährungsweise eine größere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, ein längeres Leben sowie eine erhöhte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Damit befanden sie sich im direkten Widerspruch zur herrschenden wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung, die gerade in einem hohen Fleischkonsum den Schlüssel zu Kraft und Gesundheit sah. Die Vegetarismus-Bewegung blieb im 19. Jahrhundert zwar zahlenmäßig klein, war aber – auch transnational – gut vernetzt und damit von Anfang an in gewisser Weise auch ein europäisches Projekt. Sie entfaltete zudem eine rege Publikationstätigkeit: Mit Monographien, Beiträgen in Zeitschriften und eigenen Periodika sollten nicht nur die Anhänger:innen der Bewegung informiert und miteinander in Kontakt gebracht, sondern auch Fleischesser:innen aufgeklärt und von den Vorzügen des Vegetarismus überzeugt werden.
Bei der Vegetarischen Warte handelte es sich in vielerlei Hinsicht um ein typisches Vereinsblatt, das Meldungen aus dem Vereinsleben sammelte, vegetarische Erfolgsgeschichten aus aller Welt zusammentrug, Ratschläge für die Gestaltung eines fleischlosen Alltags erteilte und Leser:innenbriefe veröffentlichte. Weltpolitische Ereignisse gehörten also nicht automatisch zu den Kernthemen der Zeitschrift. Der russisch-japanische Krieg war jedoch in besonderem Maße anschlussfähig für Ernährungsdiskurse und bot den Vegetarier:innen einen willkommenen Anlass, sowohl die Überlegenheit der fleischlosen Ernährung zu demonstrieren als auch die Wichtigkeit einer „richtigen“ Ernährung im Allgemeinen und ihre Bedeutsamkeit für drängende zeitgenössische Fragen herauszustellen. Die japanische Diät hatte schon vor dem Ausbruch des Krieges die Aufmerksamkeit der deutschen Ernährungsforschung geweckt: Im Kontext der Meiji-Restoration kam es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts unter anderem zu einem regen wissenschaftlichen Austausch zwischen Japan und Preußen, der japanische Studenten und Forscher nach Deutschland führte und umgekehrt. Dabei wurden die Beteiligten auch mit einer ganz ungewohnten Ernährungsweise konfrontiert, die auf beiden Seiten als sicher geltende Überzeugungen ins Wanken brachte: War es notwendig, große Fleischmengen und eine möglichst proteinreiche Kost zu verzehren, um stark und leistungsfähig zu sein? Oder stellte die deutlich proteinärmere, weniger fleischreiche japanische Kost nicht doch eine gute, vielleicht sogar bessere Alternative dar? In Deutschland trugen die Forschungsergebnisse japanischer Wissenschaftler auf lange Sicht dazu bei, die hohen zeitgenössischen Proteinnormen abzusenken. In Japan hingegen wurde unter anderem darüber diskutiert, ob sich durch eine Steigerung des Fleischkonsum die durchschnittliche Körpergröße der Bevölkerung und die militärische Schlagkraft erhöhen ließen.[5]
Die aus europäischer Sicht so fremd erscheinende japanische Küche war also bereits vor 1904 im Zusammenhang mit militärischer Stärke, Körperkraft und Leistungsfähigkeit diskutiert worden. Mit dem Kriegsausbruch erhielt das Thema neuen Aufwind. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern und den USA wurde darüber berichtet und debattiert.[6] Vor diesem Hintergrund scheint die vegetarische Position zu den Ereignissen von 1904/05 auf der Hand zu liegen: Die militärischen Erfolge Japans konnten als Beweis interpretiert werden, dass eine fleisch- und proteinarme Ernährung nicht nur möglich war, ohne die Gesundheit zu schädigen, sondern sogar zu besseren Ergebnissen führte. Dennoch lösten die Nachrichten von den japanischen Siegen auch unter Vegetarier:innen ganz unterschiedliche Reaktionen und Emotionen aus, wie die Debatte in der Vegetarischen Warte zeigt. Vier Beiträge aus der Ausgabe von 1904, die sich mit dem russisch-japanischen Krieg befassen, sind in der zu diesem Essay gehörigen Quelle auszugsweise wiedergegeben. Die darin geäußerten Lageeinschätzungen und Zukunftsprognosen unterschieden sich stark voneinander und reichten von Warnungen vor dem Untergang Europas bis hin zur freudigen Erwartung besserer sozialer und politischer Verhältnisse durch einen japanischen Sieg. Darin spiegeln sich die unterschiedlichen politischen Einstellungen der Autoren wider, deren vegetarische Lebensweise eng verknüpft war mit anderen Überzeugungen. Der Beitrag von Karl Weinländer, der im Juni 1904 die Diskussion eröffnete, war durchzogen von völkisch-antisemitischem Gedankengut und kreiste um das sozialdarwinistische Konzept des „Rassenkampfs“ und die angeblichen Gefahren der „Rassenmischung“. Die übrigen Autoren reagierten auf Weinländers Artikel. Unterstützung erhielt er von einem anonym schreibenden „P.“. John Keidel hingegen, ein Naturarzt aus Brandenburg, widersprach ihm in fast allen Punkten und assoziierte den Vegetarismus mit der Überwindung des „kleinlichen Standpunkte[s] der Rassen- und Nationalitätenfrage“.[7] Paul Albrecht schließlich argumentierte aus der Perspektive des Pazifismus, in dem er einen der „edelsten Zielpunkte“ des Vegetarismus sah.
Diese politisch-ideologische Heterogenität war durchaus typisch für die vegetarische Bewegung in Deutschland, die für ganz unterschiedliche Zukunftsvisionen und Ideologien anschlussfähig war. Während die Gründerväter der Bewegung um 1850 eher dem (links-)liberalen Spektrum zuzurechnen waren und in einer fleischlosen Ernährung unter anderem ein Mittel zur Lösung der sozialen Frage sahen, entdeckten um 1900 auch immer mehr Vertreter:innen der völkischen Bewegung das Thema für sich.[8] Zu den in der vegetarischen Weltanschauung angelegten Schnittstellen gehörten Reinheitsvorstellungen, die sich gut mit einer antisemitischen und rassistischen Ideologie verbinden ließen, aber auch Hoffnungen auf nationale Autarkie oder eine Optimierung des „Volkskörpers“ durch eugenische Maßnahmen. Quer durch alle politischen Lager zog sich als einendes Moment der Vegetarismus-Bewegung eine Kultur- und Zivilisationskritik, die allerdings höchst unterschiedlich ausgestaltet wurde. Ein weltpolitisches Ereignis wie der russisch-japanische Krieg konnte die teilweise weit auseinander liegenden politischen Positionen zum Vorschein bringen und, wie in der Vegetarischen Warte, Debatten auslösen, die weit über das engere Thema der Ernährung hinausgingen und von den Beteiligten doch als unmittelbar mit dem Vegetarismus verknüpft wahrgenommen wurden. Eine fleischlose Ernährung war keineswegs nur Privatsache, sondern für viele ihrer Anhänger:innen ein genuin politisches Projekt.
Diese politisch-ideologische Dimension tritt in der Debatte zum russisch-japanischen Krieg in der Vegetarischen Warte deutlich zutage und findet auch in unterschiedlichen Europa-Konzeptionen ihren Ausdruck. Weinländer stellte den angeblich „nimmer zu verwischenden“, mit historischen Beispielen unterfütterten Gegensatz zwischen Europa und Asien an den Anfang seines Textes und setzte damit den Ton für die Debatte, die immer wieder auf diese Figur zurückkam. Während Weinländer das Verhältnis zwischen Europa und Asien vor allem als „Rassenkampf“ zwischen „germanischer“ und „mongolischer Rasse“ imaginierte, der unweigerlich auf den Sieg der einen und den „Untergang“ der anderen Seite hinauslaufen müsse, kreisten Keidels Überlegungen eher um die Begriffe „Zivilisation“ und „Kultur“, die aus seiner Sicht jedoch keineswegs eindeutig auf der europäischen Seite zu verorten waren: Er sah in den Japaner:innen zumindest das Potential, die besseren „Kulturmenschen“ zu sein, die seinen Ansprüchen an Tugend und Humanität eher gerecht werden und im Falle eines Sieges gegen Russland nicht als Unterdrücker:innen, sondern als Befreier:innen auftreten könnten. Das gefährliche, zu bekämpfende Andere verortete Keidel – ebenso wie Paul Albrecht – hingegen im „von der furchtbaren Knute des Despotismus“ beherrschten Russland, dem er kurzerhand die Zugehörigkeit zu Europa absprach: „Russland ist doch zumeist asiatisch.“ Damit bediente er ein gängiges Russland-Stereotyp; zugleich weist die russlandkritische Haltung in einigen Texten auf die wachsenden innereuropäischen Konflikte um die Jahrhundertwende hin.[9] Europa und Asien nahmen auch bei Keidel die Rolle eines strukturierenden Gegensatzpaares ein, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Wie diese Begriffe zu definieren waren – aus der Perspektive von „Rasse“ oder Kultur, als geographische oder politische Einheit –, darüber gab es in der Debatte jedoch keine Einigkeit.
Trotz dieser sehr unterschiedlichen Europa-Entwürfe lassen sich einige Gemeinsamkeiten zwischen den Texten ausmachen, die nicht nur auf zentrale Strukturmerkmale des Europadiskurses verweisen, sondern auch auf dessen enge Verwobenheit mit dem zeitgenössischen Ernährungsdiskurs. Bestimmte Vorstellungen von Europa und einer „europäischen“ Ernährungsweise sowie ein hierarchischer, eurozentrischer Blick auf den Rest der Welt waren konstitutiv für die Wissensproduktion zum Thema Ernährung in diesem Zeitraum und spielten auch in der vegetarischen Bewegung eine große Rolle. Gleichzeitig war der Ernährungsdiskurs entscheidend daran beteiligt, diese Kategorien herzustellen und zu festigen: Das Sprechen über Ernährung war ein wichtiger Modus zur Erzeugung von Zugehörigkeit und Differenz.
Der Zusammenhang zwischen dem Europadiskurs und der Erzeugung von Ernährungswissen fällt nicht sofort ins Auge, denn auf den ersten Blick dominierte das physiologische Experiment als neuer Modus der Wissensproduktion die Ernährungsforschung im 19. Jahrhundert.[10] Seit den 1830er-Jahren ermöglichten neue chemische und physikalische Verfahren und Instrumente ein rasches Anwachsen des ernährungsphysiologischen Wissens. Nach und nach wurden immer mehr Bestandteile von Nahrungsmitteln identifiziert und mit Theorien zu ihrer physiologischen Funktion verknüpft. Insbesondere Justus Liebigs Modell, das zwischen drei Makronährstoffen – Proteinen, Fetten und Kohlehydraten – unterschied und tierischem Protein eine herausragende Rolle für den menschlichen Stoffwechsel zuwies, erwies sich als sehr erfolgreiche, langlebige und praxiswirksame Theorie. Die neuen Forschungsergebnisse weckten das Interesse einer ganzen Reihe von Akteuren außerhalb der Wissenschaft: Politiker und Sozialreformer hofften auf wissenschaftliche Unterstützung bei der Bekämpfung von Hunger und Armut, Unternehmer machten sich die neuen Erkenntnisse für die Herstellung allerlei künstlich hergestellter Nahrungsmittel zunutze, und Militärexperten dachten über die Optimierung der Truppenversorgung nach, um die Leistungsfähigkeit des Heeres aufrechtzuerhalten.
Neben – und eng verknüpft mit – dieser naturwissenschaftlich-reduktionistischen Form der Ernährungsforschung, die auf quantifizierbare, experimentell nachweisbare Fakten setzte, gab es allerdings noch einen zweiten Diskursstrang, der sich stärker an anthropologischem und ethnologischem Wissen orientierte. Dabei ging es vor allem darum, die in der ganzen Welt beobachtbare Vielfalt unterschiedlicher Ernährungsweisen zu ordnen, erklärbar zu machen und aus ihnen weitere Informationen zu einer idealen Diät abzuleiten. Natürlichkeit war dabei ein zentraler Bezugspunkt. Bereits in der Zeit der Aufklärung waren Theorien im Umlauf, die unterschiedliche Ernährungsweisen mit lokalen klimatischen Gegebenheiten und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Rasse“ verknüpften und so die Vorstellung verfestigten, dass jedes „Volk“ – oder, je nach Kontext, jede Nation oder auch jeder Kontinent – eine bestimmte, ihm naturgemäße Ernährungsweise habe.[11] Diese Vorstellung scheint auch in der Debatte in der Vegetarischen Warte durch: Immer wieder wird darin wie selbstverständlich zwischen einer europäischen und einer asiatischen Ernährungsweise unterschieden. Die Vielfalt der europäischen (und asiatischen) Küchen, die natürlich auch den Zeitgenoss:innen bekannt war und in anderen Kontexten ausführlich besprochen wurde, wurde für diesen Zweck auf eine einheitliche Bezugsgröße zusammengeschmolzen; ein hoher Fleischverbrauch wurde kurzerhand zum Bestandteil der europäischen Ernährungsweise erklärt. Umgedeutet als Auseinandersetzung zwischen Fleisch- und Pflanzenessern, wurde der russisch-japanische Krieg so zum Schauplatz des Kampfes um die ideale Ernährungsweise.[12]
Die Beschreibungen fremder Ernährungsweisen, die sich in europäischen Quellen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert finden lassen, waren in vielen Fällen nicht neutral, sondern folgten einem eurozentrischen, häufig rassistisch konnotierten Muster: Nicht-europäische Speisen und Ernährungsgewohnheiten wurden mit negativen Affekten wie Ekel belegt oder als ‚unzivilisiert‘ beschrieben, um Distanz zu erzeugen. Ein Beispiel dafür ist Weinländers Beschreibung der „schmutzigen“ Essgewohnheiten der Chines:innen, die „eklige Würmer, Ratten und Mäuse und andere schöne Dinge“ nicht verschmähen würden. Auch die Distanzierung von Russland bei Keidel und Albrecht funktionierte zum Teil über die Ernährung: Nicht nur als Vertreter des Despotismus, sondern auch als „Wutki-Trinker“[13] schieden sie aus dem Kreis des zivilisierten Europas aus. Gerade im Umfeld der vegetarischen Bewegung konnte aber auch das Gegenteil der Fall sein: Dann galt die fremde, nicht-europäische Ernährungsweise als vorbildliche, weil natürliche und noch nicht von den Fallstricken der Zivilisation in Mitleidenschaft gezogene Diät.
„Zivilisation“ gehörte, wie „Kultur“, zu den Schlüsselbegriffen, die den Ernährungsdiskurs durchzogen und ordneten. Wenn etwa Keidel schrieb, „der Japaner“ habe sich „als Kulturmensch durch den richtigen Gebrauch der Kanonen [ge]zeigt“, dann nahm er auf ironische Art und Weise Bezug auf die zeitgenössisch verbreitete Unterscheidung zwischen Natur- und Kulturmenschen, die auch und insbesondere in der Debatte über Fleischkonsum und -verzicht eine wichtige Rolle spielte.[14] Dem europäischen „Kulturmenschen“ wurde zugetraut, die eigene Ernährung bewusst zu steuern und auf der Grundlage moderner Wissensformen zu seinem Vorteil zu optimieren. Die „primitiven Naturvölker“ außerhalb Europas hingegen wurden in erster Linie als instinktgesteuerte, an ihre gewohnte Ernährungsweise gebundene Esser:innen imaginiert. Sie konnten zwar als eine Art Fenster in die Vergangenheit der Menschheit dienen, durch das sich mehr über die natürliche, ursprüngliche, noch nicht von den Lastern der Zivilisation beeinträchtigte Ernährungsweise des Menschen herausfinden ließ. Darüber hinaus war die Rollenverteilung jedoch klar: Europa wurde als Ort der Moderne, der Zivilisation und der Wissensproduktion zum Thema Ernährung betrachtet. Der Rest der Welt diente bestenfalls als eine Art koloniales Reservoir, in dem sich Fakten sammeln und beobachten ließen, die in diese Wissensproduktion eingespeist werden konnten. Diese grundlegenden Muster und Zuschreibungen lassen sich in ganz ähnlicher Weise in verschiedenen europäischen Ländern beobachten, auch wenn es Unterschiede zwischen den nationalen Diskursen sowie Konkurrenz- und Abgrenzungsbestrebungen untereinander gab. Auch in dieser Hinsicht lässt sich der hier beschriebene Ernährungsdiskurs um 1900 als europäisches Projekt verstehen: Er trug dazu bei, eine europäische Identität herzustellen und zu festigen, die maßgeblich auf der Abgrenzung von einem nicht-europäischen Anderen beruhte, das unter anderem durch seine abweichende Ernährungsweise gekennzeichnet war.
Vegetarische Autor:innen befanden sich dabei in einer besonderen Position: Sie plädierten für eine Umstellung der Ernährungsweise des „Kulturmenschen“; die Kritik an der Bedeutung des Fleischkonsums in vielen europäischen Gesellschaften nahm eine zentrale Rolle in der vegetarischen Kommunikationsstrategie ein. Trotz dieses Hangs zur Kritik am Eigenen waren aber auch vegetarische Autor:innen in die Matrix aus Eurozentrismus, Rassismus und Fortschrittsdenken eingebunden. Diese Ambivalenz wird auch in der Debatte in der Vegetarischen Warte deutlich: Japan als leuchtendes Beispiel für die Vorzüge des Vegetarismus auf der einen und als bedrohliches Anderes auf der anderen Seite stellte eine Herausforderung dar, nicht nur für Fleischesser:innen. Denn es war – je nach Sichtweise – auf unheimliche oder willkommene Weise näher an Europa herangerückt und ließ sich immer weniger als das absolut Fremde oder gar als „primitives Naturvolk“ porträtieren. Selbst Weinländer verwendete in Bezug auf Japan Formulierungen wie „der Preuße des Ostens“, in denen sich zwar noch deutlich das europäische Überlegenheitsgefühl widerspiegelte, aber gleichzeitig auch eine Anerkennung der Europanähe der Japaner:innen.[15] Vor allem zwei Abgrenzungsstrategien dienten dazu, diese Nähe zumindest teilweise wieder zurückzunehmen und eine Distanz zwischen Europa und Asien, Eigenem und Fremdem aufrechtzuerhalten: zum einen das Anzweifeln des japanischen Vegetarismus, zum anderen die Behauptung der Imitation europäischer Errungenschaften.
Ob es sich bei den Japaner:innen tatsächlich um Vegetarier:innen handelte, wurde von verschiedenen Seiten in Frage gestellt – nicht zuletzt von Verfechter:innen des Fleischkonsums, die dadurch ihr Weltbild wieder geraderücken konnten. Erfahrene Japan-Reisende wiesen darauf hin, dass in Japan viel Fisch konsumiert wurde und sich darüber hinaus gerade in den größeren Städten ein immer höherer Fleischkonsum beobachten ließ. Solche Hinweise wurden aber auch von vegetarischen Autoren geäußert, obwohl sie damit den vermeintlichen Beweis für die Überlegenheit des Vegetarismus wieder zunichtemachten.[16] Dafür half diese Behauptung gegen die Furcht vor der angeblichen Gelben Gefahr: Wenn Asien, ähnlich wie Europa, bereits auf dem Pfad der Degeneration war, der allen zivilisierten Kulturen drohte, ließ sich die Gefahr noch eindämmen. Subtiler war der Vorwurf des unbewussten Vegetarismus: Die (fast) fleischlose Ernährung in Japan beruhe, so einige Autoren, nicht auf einer bewussten Auseinandersetzung mit Lebensstil und Fleischverzicht. In der Vegetarischen Warte kombinierte der anonym schreibende G. beide Argumente: Ähnlich wie in Deutschland finde man in Japan höchstens in ländlichen Regionen Menschen, die sich weitgehend fleischlos ernährten. Selbst bei diesen vegetarisch essenden Japaner:innen handele es sich aber nicht um „bewusste[] Fleischverächter“. Dieser Vorwurf zeigt deutliche Parallelen zu den Aussagen über „primitive“ Kulturen, denen ebenfalls keine selbstgewählte und -gesteuerte Ernährungsweise zugetraut wurde, sondern lediglich ein instinkt- oder traditionsgeleitetes Handeln. Unausgesprochen war damit eine Vorstellung europäischer Überlegenheit verbunden: Der Weg, um die vollen Vorzüge des Vegetarismus für Geist, Körper und Gesellschaft genießen zu können, führte, so das Argument, über eine wissensbasierte, bewusste Veränderung der Ernährungsweise.
Die zweite Abgrenzungsstrategie, die die Japaner:innen als Imitator:innen Europas darstellte, war zeitgenössisch weit verbreitet und basierte letztendlich auf dem Modell einer „Entwicklungsleiter“, an deren Spitze das zivilisierte Europa stand. Japan wurde zwar – im Gegensatz zu den „primitiven Naturvölkern“ – als grundsätzlich entwicklungsfähig eingestuft. Sein Eintritt in den Kreis der zivilisierten Nationen schien vielen europäischen Beobachter:innen zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits vollzogen zu sein oder kurz bevorzustehen. Als völlig gleichwertig wurde es dennoch nicht anerkannt: Seine militärischen und kulturellen Leistungen galten vielen Europäer:innen nicht als eigenständige Erfolge, sondern lediglich als Resultat einer nachholenden Entwicklung. Besonders deutlich wird dieses Muster bei Weinländer, der mit Sorge betrachtete, wie „unglaublich rasch [die Sonnensöhne] die materiellen Errungenschaften der europäischen Kultur sich […] zu eigen […] machen.“ Doch selbst bei Keidel, der sich am deutlichsten vom europäischen Überlegenheitsdenken abgrenzt, finden sich Anklänge an das Entwicklungsmodell, wenn er zum Beispiel Europa als Auslöser des japanischen Modernisierungsprojekts benennt: „Erst laden wir den Gelben ein, sich zu zivilisieren, indem wir ihm seine Mauer einschießen, und nun wundern wir uns […].“
Einige Eigenschaften erschienen den vegetarischen Autoren allerdings doch genuin japanisch beziehungsweise asiatisch und – in einer Umkehrung des üblichen Musters – nachahmenswert für die Europäer:innen zu sein. Neben der „einfachen“ vegetarischen Kost wurden etwa die Bodengesetze, die „Bedürfnislosigkeit“ und der „rege Fleiß“ der Asiat:innen mehrfach genannt. Die klassischen vegetarischen Register der Kultur- und Zivilisationskritik spielten dabei sicherlich eine wichtige Rolle. Das Lob für die einfache japanische Kost etwa war in erster Linie eine Kritik der (bürgerlichen) europäischen Küche, die in vegetarischen Kreisen als zu opulent, unnatürlich und gekünstelt galt. Doch in der Art, wie diese Punkte vorgebracht und eingeordnet wurden, deutet sich zugleich eine Diskursverschiebung an, mit der sich auch die Rolle von Ernährung um die Jahrhundertwende veränderte.
Ernährung war bereits deutlich vor 1900 ein Marker von Differenz und Zugehörigkeit. Die Beschreibung und Differenzierung unterschiedlicher Ernährungsweisen war ein wichtiger Modus der imperialistischen Weltbeschreibung und -ordnung, der, wie gezeigt wurde, auch im hier analysierten Quellenbeispiel noch deutlich sichtbar ist. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geriet diese Weltordnung jedoch langsam ins Wanken. Neben ersten antikolonialen Bewegungen, dem Aufstieg nicht-europäischer Mächte und wachsender innereuropäischer Konkurrenz sowie den immer sichtbarer werdenden Schattenseiten der Industrialisierung spielte dabei insbesondere die Verbreitung der Evolutionstheorie eine wichtige Rolle. Im Sinne des Sozialdarwinismus übertragen auf menschliche „Rassen“ und „Völker“, löste sie die scheinbar naturgegebenen Hierarchien und Ordnungen auf: „[D]ie Geschichte beweist, dass der Charakter der Rasse sich ändert“, formulierte G. in der Vegetarischen Warte. Es reichte nicht mehr aus, Differenzen zu beschreiben und Grenzen zu markieren – sie mussten vielmehr ständig verteidigt werden. Es ging darum, „den Rückgang aufzuhalten, […] sich seine Stellung zu sichern“. (G.)
In diesem Kontext wurde auch Ernährung zunehmend von einem Modus der Beschreibung einer rassistisch-imperialistischen Weltordnung zu einem Werkzeug ihrer Sicherung.[17] Als biopolitisches Instrument sollte sie die „Degeneration“ der eigenen Bevölkerung aufhalten, die Leistungsfähigkeit stärken und so militärische und wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit ermöglichen. Überdeutlich wird dieser neue Blick auf Ernährung in den Beiträgen von Weinländer und G., denen es nicht nur darum ging, die Überlegenheit einer fleischlosen Ernährung zu beweisen, sondern sie aktiv in den Dienst ihrer „Volksgenossen“ zu stellen. Sie schrieben nicht nur allgemein von der Erhöhung der Leistungsfähigkeit durch Fleisch- und Alkoholverzicht, sondern ganz konkret von der Logistik der Truppenversorgung oder der Aufgabe des Vegetariers, als „tüchtiger Soldat“ und Gesundheitsaufklärer zur Maximierung der kollektiven militärischen Stärke beizutragen. In beiden Texten fällt auch auf, dass die Kategorien Nation, Rasse und Volk den Hauptbezugsrahmen für diesen neuen Ernährungsdiskurs darstellten. Der Begriff „Europa“ diente zwar als Rahmen und Verbindungsstück zur aktuellen kriegerischen Auseinandersetzung, die den Beobachter:innen in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine unmittelbare Identifikation mit den Ereignissen erlaubte und im Hinblick auf bestimmte machtpolitische Interessen eingesetzt wurde. Er war auch als grundlegende binäre Struktur des Ernährungsdiskurses weiterhin präsent, der ständig zwischen Europa und Nicht-Europa, Kultur und Natur unterschied und Ernährungsweisen nach hierarchischen Ordnungssystemen bewertete. Doch die entscheidende Bezugsgröße, um die die Debatte in der Vegetarischen Warte und der Ernährungsdiskurs als Ganzes um 1900 zunehmend kreiste, war in der Tat – wie Keidel anmerkte – die „Rassen- und Nationalitätenfrage“. Welcher Stellenwert dieser Frage zugemessen werden sollte, welche Bedeutung sie für den Vegetarismus hatte und welche Schlussfolgerungen sich daraus für das Konzept Europa ableiten ließen, war umstritten, wie der Blick in die Vegetarische Warte gezeigt hat. Daran, dass sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen zentralen Platz in der Vegetarismus-Bewegung und im Ernährungsdiskurs insgesamt einnahm – und zwar längst auch außerhalb Europas[18] –, besteht allerdings kein Zweifel.
[1] Essay zur Quelle: Auszüge aus der Zeitschrift Vegetarische Warte 37 (1904), [Abschrift], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2023, URL: <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-77563>.
[2] Vgl. Philipp Gassert, „Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter“: Die alte Welt und die japanische Herausforderung, in: Maik Hendrik Sprotte / Wolfgang Seifert / Heinz-Dietrich Löwe (Hrsg.), Der Russisch-Japanische Krieg, 1904/05: Anbruch einer neuen Zeit?, Wiesbaden 2007, S. 277–294; zum Schlagwort der Gelben Gefahr Otto May, Europa und die „Gelbe Gefahr”: Vom Boxer-Aufstand zum russisch-japanischen Krieg, Hildesheim 2016.
[3] Die Vegetarische Warte erschien von 1895 bis 1932 als Vereinszeitschrift des Deutschen Vegetarier-Bundes, der 1892 als Zusammenschluss von zwei überregionalen Vegetarierverbänden entstanden war. 1897 übernahm sie die Vegetarische Rundschau und wurde damit zur wichtigsten vegetarischen Zeitschrift in Deutschland. Ihr Leser:innenkreis blieb aber dennoch sehr überschaubar: Zum Jahreswechsel 1905/06 zählte der Verein etwa 1.550 Mitglieder. Diese bekamen die Vegetarische Warte kostenlos zugeschickt; sie konnte aber auch von Nichtmitgliedern im Buchhandel erstanden werden. Es gab auch weiterhin Konkurrenzzeitschriften – so propagierte etwa der seit 1893 erscheinende Vegetarische Vorwärts eine sozialdemokratische Alternative zu dem eher bürgerlich orientierten Deutschen Vegetarier-Bund; vgl. Florentine Fritzen, Gesünder leben. Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2006, S. 37–42 und S. 126 f. sowie Eva Barlösius, Naturgemäße Lebensführung. Zur Geschichte der Lebensreform um die Jahrhundertwende, Frankfurt am Main 1997, S. 175–179.
[4] Zur Geschichte des modernen Vegetarismus vgl. einführend Hans Jürgen Teuteberg, Zur Sozialgeschichte des Vegetarismus, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 81 (1994), S. 33–65 sowie Judith Baumgartner, Vegetarismus, in: Diethart Kerbs / Jürgen Reulecke (Hrsg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen: 1880–1933, Wuppertal 1998, S. 127–140.
[5] Vgl. Corinna Treitel, How Vegetarians, Naturopaths, Scientists, and Physicians Unmade the Protein Standard in Modern Germany, in: Elizabeth Neswald / David F. Smith / Ulrike Thoms (Hrsg.), Setting Nutritional Standards. Theory, Policies, Practices, Rochester, NY 2017, S. 52–73 sowie Tatsuya Mitsuda, „Vegetarian“ Nationalism. Critiques of Meat Eating for Japanese Bodies, 1880-1938, in: Michelle T. King (Hrsg.), Culinary Nationalism in Asia, London 2019, S. 23–40.
[6] Zur Debatte in den USA vgl. Christine M. E. Guth, „The Japanese Stand Today as Teachers of the Whole World“. American Food Reform and the Russo-Japanese War, in: Journal of American-East Asian Relations 28 (2021), S. 193–217; zu Frankreich Deborah Neill, Of Carnivores and Conquerors. French Nutritional Debates in the Age of Empire, 1890–1914, in: Elizabeth Neswald / David F. Smith / Ulrike Thoms (Hrsg.), Setting Nutritional Standards. Theory, Policies, Practices, Rochester, NY 2017, S. 74–96.
[7] J. Keidel, Die „gelbe Gefahr“, in: Vegetarische Warte 37 (1904), Nr. 12, S. 273-276, hier S. 274. Im Folgenden stammen alle Quellenzitate, soweit nicht anders vermerkt, aus den hier abgedruckten Quellenausschnitten.
[8] Zur politischen Heterogenität und Anschlussfähigkeit der Vegetarismus-Bewegung vgl. Corinna Treitel, Eating Nature in Modern Germany. Food, Agriculture and Environment, c. 1870 to 2000, Cambridge 2017, bes. S. 84–93.
[9] Vgl. Hans-Henning Schröder, „Tiefste Barbarei“, „höchste Civilisation“. Stereotypen im deutschen Russlandbild, in: Osteuropa 60 (2010), S. 83–100 sowie Gassert, Die alte Welt und die japanische Herausforderung, der das Schlagwort der Gelben Gefahr in den Kontext deutsch-russischer Konkurrenz um 1900 einordnet: „Die ‚Gelbe Gefahr‘ stellte ein taktisches Element deutscher Weltpolitik dar“ (ebd., S. 284).
[10] Zur Rolle der Physiologie für die Ernährungsforschung im 19. Jahrhundert vgl. einführend Jakob Tanner, Fabrikmahlzeit. Ernährungswissenschaft, Industriearbeit und Volksernährung in der Schweiz 1890–1950, Zürich 1999, S. 60–83 sowie Uwe Spiekermann, Künstliche Kost. Die Genese der modernen Ernährung in der Wissens- und Konsumgesellschaft Deutschlands 1880–2000, Göttingen 2018, S. 31–60.
[11] Vgl. Eva Horn, Klimatologie um 1800. Zur Genealogie des Anthropozäns, in: Zeitschrift für Kulturwissenschaften 10 (2016), S. 87–102.
[12] Über die tatsächliche Ernährung der russischen Soldaten im russisch-japanischen Krieg – die aber wiederum keineswegs als repräsentativ für die gesamte russische Bevölkerung gesehen werden kann – gibt zum Beispiel ein Bericht an den Surgeon-General der U.S. Navy Aufschluss, in dem es heißt: „The diet of the Russian soldier is very simple. Each man is allowed 1 pound of meat and 2 ½ pounds of black rye bread with tea, daily. The meat is incorporated in a vegetable soup in which cabbage is very conspicuous. Boiled buckwheat, known as ‘kasha’, is at times also issued”: Raymond Spear, Report on the Russian Medical and Sanitary Features of the Russo-Japanese War to the Surgeon-General, U.S. Navy, Washington, D.C., 1906, S. 22. Die Rationen der japanischen Soldaten hingegen bestanden hauptsächlich aus „rice, packed firmly in a little box with compressed fish and army biscuits, a few salted plums, a little tea, and a juicy succulent pickle”: Louis L. Seaman (1905) in einem Bericht über die japanische Armee im russisch-japanischen Krieg, zitiert nach Guth, American Food Reform and the Russo-Japanese War, S. 198.
[13] „Wutki“ war bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein eine verbreitete alternative Schreibweise für Wodka; vgl. „Wodka“, in: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, URL: <https://www.dwds.de/wb/Wodka>, abgerufen am 4.9.2023.
[14] Zur lange zurückreichenden, unmittelbar mit der europäischen Kolonialexpansion verbundenen Geschichte dieser Gegenüberstellung vgl. Urs Bitterli, Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung, München 1991. Zu den spezifischeren Diskursen und Begriffen um 1900, insbesondere in der Ethnologie, vgl. außerdem Sven Werkmeister, Kulturen jenseits der Schrift. Zur Figur des Primitiven in Ethnologie, Kulturtheorie und Literatur um 1900, München 2010.
[15] Zur Geschichte und Zukunft des Deutschland-Japan-Vergleichs und einer Problematisierung des Modernisierungs-Paradigmas vgl. Michael Geyer, Deutschland und Japan im Zeitalter der Globalisierung. Überlegungen zu einer komparativen Geschichte jenseits des Modernisierungs-Paradigmas, in: Sebastian Conrad / Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871–1914, Göttingen 2004, S. 68–86.
[16] In der Vegetarischen Warte von 1904 erschienen dazu noch weitere, im Quellenbeispiel aus Platzgründen nicht abgedruckte Beiträge, vgl. z. B. Johannes Heckmann, Wie steht es mit der vegetarischen Lebensweise der „Gelben“?, in: Vegetarische Warte 37 (1904), Nr. 16, S. 367–370.
[17] Vgl. dazu Christian Geulen, Der Rassenbegriff. Ein kurzer Abriss seiner Geschichte, in: Naika Foroutan / Christian Geulen / Susanne Illmer / Klaus Vogel / Susanne Wernsing (Hrsg.), Das Phantom „Rasse“. Zur Geschichte und Wirkungsmacht von Rassismus, Bonn 2018, S. 23–32, hier S. 31.
[18] Vgl. z. B. Mitsuda, Vegetarian Nationalism sowie Julia Hauser, Körper, Moral, Gesellschaft. Debatten über Vegetarismus zwischen Europa und Indien, ca. 1850–1914, in: Norman Aselmeyer / Veronika Settele (Hrsg.): Geschichte des Nicht-Essens. Verzicht, Vermeidung und Verweigerung in der Moderne, Berlin 2018, S. 265–294.
Literaturhinweise:
Christine M. E. Guth, „The Japanese Stand Today as Teachers of the Whole World“. American Food Reform and the Russo-Japanese War, in: Journal of American-East Asian Relations 28 (2021), S. 193–217.
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