Clausewitz über den Charakter des Krieges

Im Oktober 1801 hatte Clausewitz als Hörer des ersten Kurses der von Scharnhorst reformierten Berliner Kriegsschule seine Studien aufgenommen. Die auf drei Jahre angelegten Kurse sollten ihn neben technischen Problemen der Truppenführung auch mit Fragen der Geschichte und Philosophie in Kontakt bringen. Genau dies hatte Scharnhorst, gerade erst von hannoverschen in preußische Dienste übergewechselt, mit seinen Reformen angestrebt: Wer dem Elan und der taktischen Flexibilität der neuen, aus der Revolution hervorgegangenen französischen Armee Paroli bieten wollte, musste philosophisch geschulte und historisch gebildete Offiziere an der Spitze seiner Truppen haben. [...]

Clausewitz über den Charakter des Krieges[1]

Von Herfried Münkler

Im Oktober 1801 hatte Clausewitz als Hörer des ersten Kurses der von Scharnhorst reformierten Berliner Kriegsschule seine Studien aufgenommen. Die auf drei Jahre angelegten Kurse sollten ihn neben technischen Problemen der Truppenführung auch mit Fragen der Geschichte und Philosophie in Kontakt bringen. Genau dies hatte Scharnhorst, gerade erst von hannoverschen in preußische Dienste übergewechselt, mit seinen Reformen angestrebt: Wer dem Elan und der taktischen Flexibilität der neuen, aus der Revolution hervorgegangenen französischen Armee Paroli bieten wollte, musste philosophisch geschulte und historisch gebildete Offiziere an der Spitze seiner Truppen haben. In diesem Sinn hat Scharnhorst die preußischen Reformen angestoßen, lange bevor sie nach der Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt im Jahre 1806 offiziell in Gang kamen. Der revolutionären Dynamik, die Scharnhorst schon früh als den tieferen Grund der französischen Siege identifiziert hatte,[2]wollte er eine überlegene Bildung entgegensetzen. Diese Idee wurde einige Jahre später zum Kernprogramm der preußischen Reformen.

Für den gerade 21jährigen Clausewitz wurden die Vorlesungen an der Kriegsschule, zunächst in einem Saal des Stadtschlosses gehalten, später im Prinz-Heinrich-Palais, dem nachmaligen Gebäude der Berliner Universität, zu dem intellektuellen Erlebnis seines Lebens.[3]Sein Autodidaktentum wurde nunmehr in geordnete Bahnen gelenkt, und neben Scharnhorst selbst war es vor allem der Philosoph Johann Gottfried Kiesewetter, dessen Schriften und Vorlesungen sein Denken prägten. Kiesewetter war Kant-Schüler, und ohne dass man sagen könnte, Clausewitz sei durch ihn zum Kantianer geworden, ist der geistige Einfluss Kants auf sein Denken doch unverkennbar. Während seiner Zeit an der Kriegsschule beschäftigte sich Clausewitz aber auch mit Fragen der Geschichte, vor allem natürlich der Kriegsgeschichte, die er freilich, darin den Anregungen seines Lehrers Scharnhorst folgend, aus der Politik- und Gesellschaftsgeschichte heraus zu entwickeln suchte. Dieses Interesse an der Geschichte hat Clausewitz daran gehindert, in einen Denkschematismus zu verfallen, wie er für den Kantianismus nach Kant charakteristisch geworden ist. Er nutzte die Begriffe und Kategorien, um Ordnung in das Gestrüpp der Ereignisse und Entwicklungen zu bringen, aber er unterwarf den Gang der Dinge nie den Vorgaben der Philosophie. Obendrein las er Machiavelli und Montesquieu, setzte sich mit seinem Zeitgenossen Fichte auseinander und verschaffte sich so die geistige Selbständigkeit, die ihn zu einem der bedeutendsten Theoretiker des Krieges hat werden lassen.[4]

Diese doppelte intellektuelle Prägung des jungen Clausewitz, die Suche nach theoretischer Stringenz, die ihren Niederschlag unter anderem in einer scharf ausgeprägten Begrifflichkeit findet, und das Wissen um die historische Veränderlichkeit der Konstellationen und der sich damit verändernden Möglichkeiten des Handelns, zeigt sich auch in den Schlussüberlegungen des 1. Kapitels im I. Buch von Clausewitz’ Hauptwerk Vom Kriege. Für das Verständnis des gesamten Werks kommt diesem Kapitel eine Schlüsselfunktion zu, insofern Clausewitz, der das Buch infolge seines frühen Todes nicht mehr selbst zur Veröffentlichung bringen konnte, in der so genannten „Nachricht“ diesem Kapitel einen besonderen Status zugewiesen hat: „Das erste Kapitel des ersten Buches ist das einzige, was ich als vollendet betrachte; es wird wenigstens dem Ganzen den Dienst erweisen, die Richtung anzugeben, die ich überall halten wollte.“[5]Die Auseinandersetzung mit Clausewitz’ Werk, insbesondere die Beantwortung der Frage, ob seine Überlegungen auch für die Kriege des 21. Jahrhunderts Gültigkeit besitzen,[6]ist also nicht an irgendwelchen aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten, sondern vor allem an Kapitel I, 1 von Vom Kriege zu führen. Und innerhalb dieses Kapitels haben die Schlusspassagen, in denen Clausewitz das Theorem von der „wunderlichen Dreifaltigkeit“ entwickelt, eine besondere Bedeutung.[7]Eine genaue und sorgfältige Lektüre dieses Kapitels zeigt nämlich, dass die Clausewitz-Kritiker John Keegan und Martin van Creveld den lautstark erhobenen Anspruch, Clausewitz sei veraltet und durch die jüngste Entwicklung widerlegt,[8]auf eine ungenaue Lektüre der einschlägigen Passagen bei Clausewitz stützen. Umso wichtiger ist die sorgsame Beschäftigung mit dieser Stelle.

Clausewitz verbindet hier zwei Charakteristika des Krieges miteinander, denen er gleiche Bedeutung beimisst und die sich nicht nur ergänzen, sondern die sich auch gegenseitig einschränken bzw. begrenzen: die politische Instrumentalität des Krieges und seine historische Variabilität. Der Krieg ist ein Mittel der Politik, aber er ist dies nicht immer in der gleichen Weise; der Krieg verändert beständig seine Erscheinungsformen, aber bei diesen Veränderungen sind Grundkonstanten erkennbar, die in allen Erscheinungsformen des Krieges mehr oder weniger ausgeprägt auszumachen sind – und eine dieser drei Grundkonstanten ist der Werkzeug-Charakter des Krieges für die Politik. Nahezu allen Clausewitz-Kritikern ist gemeinsam, dass sie das Spannungsverhältnis von Instrumentalität und Variabilität auflösen, die Instrumentalität als Clausewitz’ wesentliche Kriegsdefinition herausstreichen und die Variabilität des Kriegsgeschehens, von der Clausewitz immer wieder spricht,[9]kurzerhand unter den Tisch fallen lassen. Für sie erschöpft sich die Clausewitzsche Theorie in der Charakterisierung des Krieges als „ein wahres politisches Instrument […], eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln“,[10]während seine Bezeichnung als „ein wahres Chamäleon“[11]keine Erwähnung findet. Ein derart verkürzter Clausewitz lässt sich dann leicht für historisch überholt erklären, zumal er auch noch eine bestimmte Epoche der Kriegführung, nämlich die des mit großen Massen geführten Krieges, zur Regel, wenn nicht zur Norm aller Kriegführung erklärt habe.

Im Prinzip ist die Debatte zwischen den Anhängern (bzw. Kritikern) eines dogmatisch verstandenen Clausewitz und denen einer variableren Interpretation seines Werkes nicht neu, sondern reicht bis zu der von dem Berliner Historiker Hans Delbrück entfachten so genannten Strategiedebatte zurück, in der es zunächst um die Strategie Friedrichs des Großen ging, die sich schließlich aber auch um die Frage drehte, ob eine andere Strategie des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg zur Vermeidung der Niederlage von 1918 hätte führen können.[12]Delbrück hat dabei im Anschluss an Clausewitz die Niederwerfungs- und die Ermattungsstrategie als zwei prinzipiell verschiedene, je nach Gegebenheiten und Lage zu wählende Strategien einander gegenübergestellt. Von den Kritikern wurde gegen Delbrück geltend gemacht, die von ihm beschriebene Ermattungsstrategie sei bei Clausewitz gar nicht zu finden. Sucht man nach einer expliziten Gegenüberstellung, so mag dies tatsächlich der Fall sein; der Sache nach aber hat Clausewitz immer wieder über die Frage nachgedacht, ob die Gesamtstrategie eines Staates eher auf die schnelle Niederwerfung des Gegners oder seine über längere Zeit erfolgende Ermattung angelegt sein solle. Dabei ist er sich darüber im Klaren gewesen, dass die Wahl zwischen den beiden Optionen nicht ins Belieben der Regierungen gestellt, sondern häufig von äußeren Gegebenheiten abhängig ist, über die die Regierungen nicht verfügen. Clausewitz’ Analyse des napoleonischen Russland-Feldzugs dreht sich wesentlich um diese Frage.[13]

Dieses Problem taucht auch in der Zusammenstellung von politischer Instrumentalität und historischer Variabilität des Krieges in den oben aufgeführten Passagen des Kapitels I, 1 auf. Einerseits meint Clausewitz nämlich, man solle sich „den Krieg unter allen Umständen als kein selbständiges Ding, sondern als ein politisches Instrument“ vorstellen; andererseits aber nennt er ihn „ein wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Falle seine Natur etwas ändert“.[14]Formal ist dies ein Widerspruch, der nicht auflösbar ist: ein wahres Chamäleon ist ein selbständiges Ding, und ein politisches Instrument ist nichts, was aus eigenem Antrieb seine Natur ändert. Man kann somit gegen Clausewitz einwenden, er müsse sich entscheiden: entweder Instrument oder Chamäleon. Aber Clausewitz scheint auf der Gleichzeitigkeit beider beharren zu wollen, was sich auch darin zeigt, dass er bald darauf von der „wunderlichen Dreifaltigkeit“ spricht[15]und damit einen theologischen Begriff ins Spiel bringt, der wie kein anderer für die Einheit des Unvereinbaren steht: dass nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist gleichzeitig eins und doch voneinander unterschieden seien. Da theologische Begriffe und Bezüge in Clausewitz’ Werk sonst fehlen, kommt der Formel von der wunderlichen Dreifaltigkeit an dieser Stelle eine besondere Bedeutung zu. Clausewitz scheint sie ganz bewusst und ganz gezielt verwendet zu haben, um ein Problem zu bezeichnen, das sich dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten entzog.

Nun ist die Zusammenstellung von Instrumentalität und Verschiedenartigkeit, wie sie Clausewitz im ersten Abschnitt der hier ausgewählten Passagen vornimmt, kaum das Problem: ein Instrument kann in verschiedenen Arten vorkommen. Welche davon gewählt wird, liegt in der Entscheidung dessen, der das Instrument gebraucht. Im Falle des Krieges würde dies heißen, dass sich die Regierungen je nach ihren Zielen und Zwecken für eine bestimmte Art des Krieges entscheiden und sich damit auf ein spezifisches Eskalationsniveau festlegen. Davon hat Clausewitz einige Seiten zuvor ausführlich gehandelt.[16]Hier aber spricht er von einem „wahren Chamäleon“, das seine Gesamterscheinung und seine Natur ändere, je nachdem, wie die in ihm vorherrschenden Tendenzen zusammengesetzt seien. Damit spricht Clausewitz dem Krieg eine Eigengesetzlichkeit zu, die mit der Vorstellung, die Regierungen würden das Gesetz des Handelns uneingeschränkt in der Hand haben, nicht zusammengeht. Er attestiert hier dem Krieg eine Eigensinnigkeit, die sich den Entscheidungen von Regierungen zu entziehen geeignet ist.

Clausewitz dechiffriert diese Eigensinnigkeit als Ergebnis des Zusammenspiels dreier Elemente, die er im Anschluss an Kant als „blinden Naturtrieb“, „freie Seelentätigkeit“ und „bloßen Verstand“ kennzeichnet. Es sind dies die ursprüngliche Gewaltsamkeit, das Spiel der Wahrscheinlichkeiten und des Zufalls und schließlich die Natur eines politischen Werkzeugs. Im anschließenden Absatz variiert er diese Trias zu Leidenschaften, Mut und Talent sowie der Fähigkeit zur Zwecksetzung. Er ist sich ganz offensichtlich darüber im Klaren, dass die Leidenschaften eine Gewalt annehmen können, die den politisch gesetzten Zwecken widerspricht und dass umgekehrt bestimmte Zwecke auf das Vorhandensein großer Leidenschaft angewiesen sind, ohne die die Zwecke nicht erreicht werden können. Aber Clausewitz belässt es nicht bei der Gegenüberstellung von Leidenschaft und Verstand, sondern bringt als Drittes noch Mut und Talent ins Spiel, die offenbar hinsichtlich der Erreichbarkeit der Zwecke und der Auswirkung der Leidenschaften eine entscheidende Rolle spielen. In welchem Maße jedes der drei Elemente zum Tragen kommt, hängt also vom Zusammenspiel mit den anderen ab – und das gilt auch und gerade für die politische Instrumentalität.

Ganz offenkundig hat der Übergang vom Zeitalter der Kabinettskriege in das der Volkskriege, dessen Zeitgenosse Clausewitz war, ihn veranlasst, der Variabilität des Krieges nicht nur in der aufzählenden Benennung unterschiedlicher Kriege, sondern auch und gerade in der theoretischen Rahmung des Krieges eine zentrale Rolle zuzuschreiben. Mit Blick auf die Französische Revolution schreibt er: „Der Krieg war urplötzlich wieder eine Sache des Volkes geworden, und zwar eines Volkes von 30 Millionen, die sich alle als Staatsbürger betrachteten. […] Mit dieser Teilnahme des Volkes an dem Kriege trat statt eines Kabinetts und eines Heeres das ganze Volk mit seinem natürlichen Gewicht in die Waagschale. Nun hatten die Mittel, welche aufgewandt, die Anstrengungen, welche aufgeboten werden konnten, keine bestimmte Grenze mehr; die Energie, mit welcher der Krieg selbst geführt werden konnte, hatte kein Gegengewicht mehr, und folglich war die Gefahr für den Gegner die äußerste.“[17]Clausewitz lässt offen, ob alle zukünftigen Kriege solche „um große, den Völkern nahe liegenden Interessen“ sein würden oder ob es wieder zu einer „Absonderung der Regierung von dem Volke“ kommen werde, glaubt aber davon ausgehen zu können, „daß, wenigstens jedes Mal, sooft ein großes Interesse zur Sprache kommt, die gegenseitige Feindschaft sich auf die Art erledigen wird, wie es in unseren Tagen geschehen ist“.[18]Seit der Französischen Revolution, so das Ergebnis dieser Überlegungen, können die Regierungen nicht mehr so selbstverständlich über das Instrument des Krieges verfügen, wie dies zuvor der Fall war. Hatte Kant in seiner Friedensschrift, ausgehend von der Französischen Revolution und der Republikanisierung der Verfassungen, ein allmähliches Verschwinden des Krieges aus den zwischenstaatlichen Beziehungen und schließlich die Stiftung eines ewigen Friedens erwartet,[19]so macht Clausewitz mit Blick auf das gewachsene Gewicht der Völker im Krieg die gegenteilige Rechnung auf: dass die Kriege härter und blutiger werden.

Dass Clausewitz entsprechend den Konstellationen seiner Zeit den blinden Naturtrieb bzw. die Leidenschaften mit dem Volk, das Spiel der Wahrscheinlichkeiten und des Zufalls bzw. Mut und Talent mit dem Feldherrn und seinem Heer, schließlich den bloßen Verstand bzw. die politische Zwecksetzung mit der Regierung verbunden hat,[20]hat zu einer Fülle von Missverständnissen und Irritationen geführt. So ist Martin van Creveld etwa zu dem Ergebnis gelangt, da in den low intensity conflicts der jüngsten Zeit die klare Unterscheidung vom Volk, Heer und Regierung nicht mehr anzutreffen sei, sei auch die Clausewitzsche Theorie obsolet.[21]Offenkundig hat van Creveld Clausewitz zu sehr mit den Augen eines Historikers gelesen und ist an den Exemplifikationen hängen geblieben; hätte er mit stärker analytischem Blick gelesen, so wäre ihm die Trias von Trieb, Talent und Verstand als die grundlegendere Gliederung aufgefallen. In die heutige Sprache übersetzt, lässt sich von Brutalität, Kreativität und Rationalität sprechen, oder noch präziser: kriegerischer Brutalität, strategischer Kreativität und politischer Rationalität. Ersteres kann auch durch den bewaffneten Anhang eines Warlord verkörpert werden, zweitens durch die Strukturen schnell lernender Organisationen, wie sie etwa Terrornetzwerke darstellen, und letzteres schließlich muss keineswegs bei der Regierung liegen, sondern kann ebenso von ökonomischen Akteuren oder so genannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) verkörpert werden.[22]In diesem Sinne ist Clausewitz’ Theorie nach wie vor und wohl immer noch mehr als andere geeignet, als Analyseinstrument des Kriegsgeschehens zu dienen.[23]Man muss sie nur genau lesen und Respekt haben vor einem Text, an dem der Autor ein ganzes Jahrzehnt gearbeitet und den er nicht mehr abschließend fertig gestellt hat.

 


[1] Essay zur Quelle Nr. 6.4, Carl von Clausewitz: Vom Kriege (1832).

[2] Scharnhorst, Gerhard von, Entwicklung der allgemeinen Ursachen des Glücks der Franzosen in den Revolutionskriegen; in: Neues militairisches Journal, 8. Jg., 1797; wiederabgedruckt in: Scharnhorst, Gerhard von, Militärische Schriften, hg. von Frhr. von der Goltz, Berlin 1881, S. 195.

[3] Dazu ausführlich Paret, Peter, Clausewitz und der Staat, Bonn 1993, S. 81ff.

[4] In der Analyse der Clausewitzschen Originalität wie Aktualität ist nach wie vor unübertroffen die große Studie von Aron, Raymond, Clausewitz. Den Krieg denken, Frankfurt am Main 1980.

[5] von Clausewitz, Carl, Vom Kriege, hg. von Hahlweg, Werner, 19. Aufl., Bonn 1980, S. 181.

[6] Dazu Münkler, Herfried, Kriege im 21. Jahrhundert, in: Reiter, Erich (Hg.), Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik 2003, Hamburg 2003, S. 83-97.

[7] Zuletzt hat vor allem Herberg-Rothe auf die herausgehobene Bedeutung des Theorems von der „wunderlichen Dreifaltigkeit“ hingewiesen; Herberg-Rothe, Andreas, Das Rätsel Clausewitz, München 2001, S. 150ff. Vgl. auch Kleemeier, Ulrike, Grundfragen einer philosophischen Theorie des Krieges, Berlin 2002, insbes. S. 275ff.

[8] Keegan, John, Die Kultur des Krieges, Berlin 1995, S. 21ff.; van Creveld, Martin, Die Zukunft des Krieges, München 1998, S. 102ff., S. 147ff.; eine kritische Auseinandersetzung mit Keegan und van Creveld findet sich bei Gantzel, Klaus Jürgen, Der unerhörte Clausewitz, in: Sahm, Astrid u.a. (Hg.), Die Zukunft des Friedens. Eine Bilanz der Friedens- und Konfliktforschung, Wiesbaden 2002, S. 25-50.

[9] Einer der Abschnitte von I, 1 ist mit „Verschiedenartigkeit der Kriege“ überschrieben; vgl. Clausewitz (wie Anm. 5), S. 211.

[10] Clausewitz (wie Anm. 5), S. 210.

[11] Ebd., S. 212.

[12] Ausgangspunkt der Debatte war Hans Delbrücks Buch „Die Strategie des Perikles erläutert durch die Strategie Friedrichs des Großen“, Berlin 1890. Dreißig Jahre später hat Delbrück die Debatte im letzten Band seiner „Geschichte der Kriegskunst“ noch einmal aufgenommen (Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst, Berlin 2000, Bd. IV, S. 495ff. sowie 582ff.). Vgl. dazu Craig, Gordon A., Der Militärhistoriker Hans Delbrück; in: Ders., Krieg, Politik und Diplomatie, Wien 2001, S. 77-111, sowie Llanque, Marcus, Das Mittel des Krieges und das Mittel der Revolution: Hans Delbrück und Karl Kautsky; in: Voigt, Rüdiger (Hg.), Krieg – Instrument der Politik? Bewaffnete Konflikte im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert, Baden-Baden 2002, S. 445-475.

[13] Clausewitz, Feldzug von 1812 in Russland, in: Ders., Schriften – Aufsätze – Studien – Briefe, hg. von Hahlweg, Werner, 2. Band/2. Teil, Göttingen 1990, S. 717-924.

[14] Clausewitz (wie Anm. 5), S. 212.

[15] Ebd., S. 213.

[16] Ebd., S. 194f.

[17] Ebd., S. 970f.

[18] Ebd., S. 972f.

[19] Kant, Immanuel, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (1795); in: Ders., Werke, hg. von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1970, Bd. 9, S. 193-251.

[20] Clausewitz (wie Anm. 5), S. 213.

[21] Creveld, Martin van, Die Zukunft des Krieges, München 1998, S. 64ff.; van Creveld nennt in völliger Verkennung der Clausewitzen Argumentation den Krieg von Volk, Heer und Regierung den trinitarischen Krieg und sieht diesen inzwischen durch den nichttrinitarischen Krieg abgelöst.

[22] Vgl. Münkler, Herfried, Die neuen Kriege, Reinbek 2002.

[23] Dazu Münkler, Herfried, Clausewitz und die neuen Kriege. Über Terrorismus, Partisanenkrieg und die Ökonomie der Gewalt; in: Heitmeyer, Wilhelm; Soeffner, Hans-Georg (Hg.), Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme, Frankfurt am Main 2004, S. 362-380.

 


Literaturhinweise:

  • Aron, Raymond, Clausewitz. Den Krieg denken, Frankfurt am Main 1980
  • Hahlweg, Werner, Clausewitz. Soldat – Politiker – Denker, Göttingen 1969
  • Howard, Michael, Clausewitz, Oxford 1997
  • Münkler, Herfried, Clausewitz’ Theorie des Krieges, Baden-Baden 2003
  • Paret, Peter, Clausewitz und der Staat. Der Mensch, seine Theorien und seine Zeit, Bonn 1993

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege (1832)[1]

Wir sehen also erstens: daß wir uns den Krieg unter allen Umständen als kein selbständiges Ding, sondern als ein politisches Instrument zu denken haben; und nur mit dieser Vorstellungsart ist es möglich, nicht mit der sämtlichen Kriegsgeschichte in Widerspruch zu geraten. Sie allein schließt das große Buch zu verständiger Einsicht auf. – Zweitens: zeigt uns ebendiese Ansicht, wie verschieden die Kriege nach der Natur ihrer Motive und der Verhältnisse, aus denen sie hervorgehen, sein müssen.

Der erste, der großartigste, der entschiedenste Akt des Urteils nun, welchen der Staatsmann und Feldherr ausübt, ist der, daß er den Krieg, welchen er unternimmt, in dieser Beziehung richtig erkenne, ihn nicht für etwas nehme oder zu etwas machen wolle, was er der Natur der Verhältnisse nach nicht sein kann. Dies ist also die erste, umfassendste aller strategischen Fragen; […].

Der Krieg ist also nicht nur ein wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Falle seine Natur etwas ändert, sondern er ist auch seinen Gesamterscheinungen nach, in Beziehung auf die in ihm herrschenden Tendenzen eine wunderliche Dreifaltigkeit, zusammengesetzt aus der ursprünglichen Gewaltsamkeit seines Elementes, dem Haß und der Feindschaft, die wie ein blinder Naturtrieb anzusehen sind, aus dem Spiel der Wahrscheinlichkeiten und des Zufalls, die ihn zu einer freien Seelentätigkeit machen, und aus der untergeordneten Natur eines politischen Werkzeuges, wodurch er dem bloßen Verstande anheimfällt.

Die erste dieser drei Seiten ist mehr dem Volke, die zweite mehr dem Feldherrn und seinem Heer, die dritte mehr der Regierung zugewendet. Die Leidenschaften, welche im Kriege entbrennen sollen, müssen schon in den Völkern vorhanden sein; der Umfang, welchen das Spiel des Mutes und Talents im Reiche der Wahrscheinlichkeiten des Zufalls bekommen wird, hängt von der Eigentümlichkeit des Feldherrn und des Heeres ab, die politischen Zwecke aber gehören der Regierung allein an.

Diese drei Tendenzen, die als ebenso viele verschiedene Gesetzgebungen erscheinen, sind tief in der Natur des Gegenstandes gegründet und zugleich von veränderlicher Größe. Eine Theorie, welche eine derselben unberücksichtigt lassen oder zwischen ihnen ein willkürliches Verhältnis feststellen wollte, würde augenblicklich mit der Wirklichkeit in solchen Widerspruch geraten, daß sie dadurch allein schon wie vernichtet betrachtet werden müßte. […]



[1] Vom Kriege. Hinterlassenes Werk des Generals Carl von Clausewitz. Berlin 1832, I. Buch, 1. Kapitel.

 


Zugehöriger Essay:
Herfried Münkler: Clausewitz über den Charakter des Krieges
Die Druckversion des Essays findet sich in Hohls, Rüdiger; Schröder, Iris; Siegrist, Hannes (Hg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005.
Für das Themenportal verfasst von

Herfried Münkler

( 2007 )
Zitation
Herfried Münkler, Clausewitz über den Charakter des Krieges, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2007, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1346>.
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