Europäischer, amerikanischer oder weltweiter Schutz geistigen Eigentums? Europäischer Urheberschutz und das amerikanische Copyright in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Bücher haben nicht nur einen intellektuellen und kulturellen Wert, sondern sie sind auch Waren, mit denen regional, national und global Handel betrieben wird. Um Autoren ein finanzielles Auskommen zu sichern, das ihnen erlaubt, Schreiben berufsmäßig zu betreiben, ist der Schutz von Urheber-, Übersetzungs- und Verwertungsrechten nötig, der garantiert, dass jedes verkaufte Exemplar Tantiemen für den Autor und Erträge für den Verleger abwirft. Das zentrale Problem eines solchen Urheberschutzes ist seine räumliche Begrenzung. Denn Recht und Gesetze sind an Staaten und damit an ein räumlich begrenztes Territorium gebunden, über das hinausgehend sie nur geschützt werden können mit Hilfe internationaler Abkommen, die die Rechte ausländischer Autoren gegenüber inländischen Verwertern anerkennen. [...]

Europäischer, amerikanischer oder weltweiter Schutz geistigen Eigentums? Europäischer Urheberschutz und das amerikanische Copyright in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts[1]

Von Isabella Löhr

Bücher haben nicht nur einen intellektuellen und kulturellen Wert, sondern sie sind auch Waren, mit denen regional, national und global Handel betrieben wird. Um Autoren ein finanzielles Auskommen zu sichern, das ihnen erlaubt, Schreiben berufsmäßig zu betreiben, ist der Schutz von Urheber-, Übersetzungs- und Verwertungsrechten nötig, der garantiert, dass jedes verkaufte Exemplar Tantiemen für den Autor und Erträge für den Verleger abwirft. Das zentrale Problem eines solchen Urheberschutzes ist seine räumliche Begrenzung. Denn Recht und Gesetze sind an Staaten und damit an ein räumlich begrenztes Territorium gebunden, über das hinausgehend sie nur geschützt werden können mit Hilfe internationaler Abkommen, die die Rechte ausländischer Autoren gegenüber inländischen Verwertern anerkennen. Sobald kulturelle Güter in größeren Mengen zwischen verschiedenen Staatsgebieten, Rechts- und Sprachräumen ausgetauscht werden, wird die Frage der geografischen Reichweite der geistigen Eigentumsrechte zu einem Politikum. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden dargestellt werden, wie das zentrale europäische Urheberrechtsabkommen, die so genannte Berner Übereinkunft, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch einen Zusammenschluss mit den Urheberrechtsabkommen der Panamerikanischen Union zu einem Vertrag mit globaler Reichweite ausgebaut werden sollte. Betrachtet wird das Auftreten der europäischen Akteure als eine vor allem in den 1930er Jahren erstaunlich geschlossene Interessengruppe, die mit Hilfe des Rechts ein europäisches Verständnis von Kreativität sowie ihre damals weltweit herausragende Position als Produzenten und Exporteure von Kultur festzuschreiben versuchte.

Die Gründung der Berner Übereinkunft 1886 bedeutete einen Durchbruch für die Bemühungen des 19. Jahrhunderts, das dichte Netz bilateraler Verträge, das die gegenseitige Anerkennung von Urheberrechten zwischen verschiedenen europäischen Staaten regelte, durch möglichst flächendeckende Rechtsnormen zu ersetzen. Die Berner Übereinkunft war ein multilateraler Vertrag, der einen international ausgehandelten Standard zum Schutz von Urheberrechten etablierte. Das so genannte Prinzip der Inländerbehandlung stellte ausländische und inländische Autoren innerhalb der Verbandsstaaten rechtlich gleich und sicherte so Urhebern und Verwertern über nationale Grenzen hinweg verbindliche Rechte.[2]

Die Berner Union war ein internationaler Verband mit einer offenen Struktur, der auf inhaltlichen Ausbau des Rechtsschutzes, Anpassung an technische Neuerungen und auf die Neuaufnahme von Mitgliedsstaaten angelegt war. Die Realität zu Beginn der 1920er Jahre sah jedoch anders aus. Nach einer Beitrittswelle im direkten Anschluss an den Ersten Weltkrieg zählte die Union 38 Mitgliedsstaaten, die mit Ausnahme von Brasilien und den europäischen Kolonien durchweg europäisch waren. Damit war die Union als ein europäischer Zusammenschluss räumlich an ihre Grenzen gestoßen und mit zunehmender Dringlichkeit stellte sich die Frage nach ihrer künftigen Entwicklung. Eine Möglichkeit bestand in der Verbesserung der internen Rechtsstandards und deren sicheren Verankerung in den nationalen Gesetzgebungen, das heißt Ausbau und Konsolidierung der Union nach innen. Dieses Anliegen verfolgte die Revisionskonferenz von 1928 in Rom. Die Konferenz wies jedoch noch einen zweiten Weg, den die Union wahlweise einschlagen konnte, um dem Problem der flächenmäßigen Begrenzung des Rechtsschutzes zu begegnen, nämlich ein Zusammenschluss der Berner Union mit den Urheberrechtsabkommen der amerikanischen Staaten.[3]

Die Berner Übereinkunft war nicht das einzige multilaterale Urheberrechtsabkommen auf der Welt. Seit 1889 hatten die nord- und südamerikanischen Staaten im Rahmen der Panamerikanischen Union eine Serie multilateraler Abkommen für den Schutz von Urheberrechten verabschiedet, die für die Mehrzahl der amerikanischen Staaten einen Mindeststandard für den Schutz von Urheberrechten formulierten.[4] Auf der Abschlusssitzung der Konferenz von Rom trugen die Delegationen von Frankreich und Brasilien – die einzigen Staaten, die Mitglieder in beiden Konventionen waren – gemeinsam den Wunsch vor, die Konvention von Bern und die Panamerikanischen Konventionen in einem Abkommen zusammenschließen, das auf den rechtlichen Gemeinsamkeiten beider Konventionen aufbauen sollte. Trotz rechtssystematischer Unterschiede zwischen den europäischen und den amerikanischen Urheberrechten hob die Konferenz das gemeinsame Grundinteresse hervor, nämlich Urheber rechtlich zu schützen und die Verbreitung und Verwertung geschützter Werke international zu regeln. Gestützt auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner nahm die Revisionskonferenz in Rom den Vorschlag an und ermunterte alle interessierten Regierungen zur Mitarbeit an bzw. zum Beitritt zu diesem neuen Vertragswerk.[5]

Ebenso wie die Panamerikanische Union wurde die Berner Union von einem internationalen Büro koordiniert, das als ständiges Exekutivorgan die diplomatischen Konferenzen vorbereitete, Beschlüsse durchführte und die Mitglieder informierte. Beide Büros besaßen nur ein exekutives, nicht jedoch auf Eigeninitiative angelegtes Mandat. Sie waren im Gegensatz zu dem 1919 gegründeten Völkerbund weder weisungsbefugt noch konnten sie für ihre Mitglieder internationale Abkommen vorbereiten. Deswegen wandte Spanien sich im Herbst 1928 an die Generalversammlung des Völkerbundes mit der Bitte, er möge eines seiner Organe mit der Realisierung des Beschlusses von Rom beauftragen. Der Völkerbund beschloss darauf, die Rechtssysteme der Berner und der Panamerikanischen Union unter der Leitung des Völkerbundes einander anzunähern oder sie sogar miteinander zu vereinen. Mit der Realisierung beauftragte der Völkerbundsrat die Kommission für geistige Zusammenarbeit (Commission International de Coopération Intellectuelle), eine 1922 vom Völkerbund ins Leben gerufene Einrichtung, die die Abrüstungs- und Friedenssicherungspolitik des Völkerbundes durch eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im sozialen und kulturellen Bereich ergänzen sollte. Dieser Kommission, die aus renommierten Intellektuellen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bestand, wurde 1926 das Internationale Institut für geistige Zusammenarbeit (Institut Internationale de Coopération Intellectuelle) in Paris zur Seite gestellt. Mit Mitteln der französischen Regierung gegründet, war es weisungsabhängig von der Kommission und realisierte die von ihr initiierten Projekte und Vorhaben.[6]

So betrieb die juristische Abteilung des Pariser Instituts im Auftrag der Kommission ab 1929 die Annäherung des europäischen und amerikanischen Rechtes zum Schutz von Urheberrechten. Dabei arbeite es in enger Abstimmung mit dem Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Rom, dem internationalen Büro der Berner Übereinkunft, dem Büro der Panamerikanischen Union, der brasilianischen Regierung und einer Interamerikanischen Kommission für Urheberrechte. Ab 1932 wurde diese Gruppe um die belgische Regierung erweitert, die die nächste Revisionskonferenz der Berner Übereinkunft in den 1930er Jahren in Brüssel ausrichten sollte. Erklärtes Ziel aller an den Vorarbeiten Beteiligter war es, die beiden Konventionen in einer Weltkonvention zusammenzuschließen, die entweder die existierenden Texte ersetzen oder zu einer dritten, übergreifenden Konvention führen sollte, die die bestehenden Konventionen unberührt gelassen hätte. Der Plan war, die Revisionskonferenz in Brüssel mit einer Einladung an alle amerikanischen Staaten zu einer zweiten Konferenz zu verbinden, auf der die geplante Weltkonvention verabschiedet werden sollte.

Die Vorbereitungen verzögerten sich, weil mehrere umfangreiche Abstimmungsprozesse nötig waren, die länger brauchten als ursprünglich geplant: Zuerst mussten die Mitgliedsstaaten der Berner Union und die Staaten der Panamerikanischen Union zu einer Meinung über das Projekt finden und dem folgte eine Diskussion zwischen den europäischen und amerikanischen Delegierten, die gemeinsam einen Entwurf für die Weltkonvention erarbeiteten. Anfang 1938 waren die Vorarbeiten weitestgehend abgeschlossen und die belgische Regierung veröffentlichte gemeinsam mit dem Pariser Institut eine Dokumentation mit Vorentwürfen, Stellungnahmen und Berichten über die anvisierte Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten.[7] Die Konvention kam letztlich nicht zustande, weil der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die für September 1939 angesetzte Weltkonferenz verhinderte.

Die vorbereitenden Dokumente zeigen die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Interessen und die daraus resultierenden Konflikte. Sie verweisen auf die rechtlichen und politischen Hindernisse bei der Realisierung einer weltweiten Urheberrechtskonvention und insbesondere auf die kulturelle und gesellschaftspolitische Verankerung der amerikanischen bzw. der europäischen Urheberrechtsregimes.

Die Berner Übereinkunft war als eine Union mit universalem Anspruch gegründet worden. Der Praxis hielt dieser Anspruch jedoch nicht stand, weil die Union bis zum Zweiten Weltkrieg ein Zusammenschluss europäischer Staaten (und ihrer Kolonien) blieb. Mit dem Wunsch der Revisionskonferenz von Rom, eine Brücke zwischen der Berner Übereinkunft und ihrem amerikanischen Pendant zu schlagen, erkannte die Berner Union sich faktisch als eine europäische Union an, die in Verhandlung mit einer anderen Weltregion trat. Die Aufgabe des universalen Anspruches dokumentieren auch die federführend tätigen Akteure sowie der Verlauf der Verhandlungen. Mit der Verhandlungsleitung wurde nämlich nicht das Berner Büro oder die panamerikanische Union, sondern der Völkerbund betraut. Ihm gehörte nicht nur die Mehrzahl der betroffenen europäischen und amerikanischen Staaten an, sondern er war eine internationale Organisation mit universalem Anspruch, die die Interessen aller Staaten der Welt versammeln, vertreten und vermitteln wollte. Die Berner Union trat nicht länger als überregionaler Verband auf, sondern als eine Interessenpartei, die auf die Integrations- und Vermittlungsfähigkeit einer noch sehr jungen internationalen Organisation vertraute, die ihrerseits ein Netzwerk aus Experten und Diplomaten schuf, das gestützt auf regionale Kommissionen, internationale Institute und interkontinental besetzte Expertenkomitees arbeitete.[8]

Die Vorentwürfe für eine Weltkonvention, die zwischen 1929 und 1938 erarbeitet wurden und von denen drei offiziell Eingang in die Dokumentation fanden, förderten sehr bald zu Tage, dass die Berner Union einem spezifisch europäischen Verständnis von Recht, Gesellschaft und Individualität verpflichtet war. Denn ein genaues Studium der bereits existierenden Konventionen offenbart gravierende rechtssystematische Unterschiede zwischen den Urheberrechtsabkommen der Panamerikanischen Union und der Berner Übereinkunft. Das betraf vor allem den Stellenwert des Rechtsschutzes. In den interamerikanischen Konventionen wurde die Vervielfältigung und Verbreitung eines Werkes als ein staatlich gewährtes Recht aufgefasst. Entsprechend musste ein neues Werk an einer zentralen Stelle angemeldet werden und erst die formale Anmeldung verlieh das Recht, ein Werk exklusiv zu verbreiten.[9] Die Revision der Berner Übereinkunft 1928 in Rom verankerte dagegen das so genannte Droit moral im internationalen Recht. Demnach besaß der Autor unabhängig von der Verwertung seines Werkes eine – naturrechtlich begründete – uneingeschränkte Werkhoheit. Das heißt, Kraft seiner kreativen Leistung besaß er ein moralisch begründetes Eigentumsrecht am Werk, das ihn unabhängig von einer staatlichen Gewährung zum Inhaber von Urheberrechten machte und ihm alleine das Recht zusprach, über Veränderungen am Werk zu entscheiden. Eine formale Anmeldung des Rechtsschutzes war nicht nötig. Rückte das europäische Droit moral auf diesem Weg die individuelle Persönlichkeit des Urhebers ins Zentrum, betonten die amerikanischen Konventionen stärker den Aspekt der gesellschaftlichen Anerkennung eines individuellen Rechts. Kurz nachdem das Droit moral sich also international etablieren konnte, avancierte es zu einer europäischen Besonderheit.

Der zweite wesentliche Streitpunkt betraf das Übersetzungsrecht. Die europäischen Vertreter strebten ein exklusives Übersetzungsrecht der Urheber an, das für die gesamte Dauer des Urheberschutzes gültig sein sollte – laut Berner Übereinkunft seit 1928 für die Lebensdauer plus 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Dagegen plädierten die amerikanischen Entwürfe für ein limitiertes Übersetzungsrecht, das innerhalb von zehn Jahren nach der Erstveröffentlichung eines Werkes in Anspruch genommen werden musste. Und Japan drohte sogar mit einem Boykott, sollte nicht die vollständige Übersetzungsfreiheit eingeführt werden. Die scharfen Debatten in den einzelnen Kommissionen und ein erneutes Eingreifen der Generalversammlung des Völkerbundes im Oktober 1937 in dieser Frage zeigen, dass es nicht nur um ein rechtsinternes Problem ging. Vielmehr offenbarte sich hier eine kultur- und gesellschaftspolitische Spannung zwischen den nicht-europäischen Staaten und den europäischen, insbesondere westeuropäischen Staaten, die zu diesem Zeitpunkt im großen Umfang ihre kulturellen Güter in andere Weltregionen exportierten.

Hinter dem Streit um das Übersetzungsrecht stand die Diskussion um kulturelle Rückständigkeit der außereuropäischen Staaten. Diese fürchteten, dass das auf die Interessen der europäischen Kulturproduzenten zugeschnittene Übersetzungsrecht ihren Zugang zu Wissensbeständen und kulturellen Hervorbringungen verstellen und so künstlich ein kulturelles und – mit Blick auf die Wissenschaften – technologisches Gefälle zwischen Europa und den (süd-)amerikanischen Staaten aufrecht erhalten würde.[10] Diese auch schon innerhalb der Berner Übereinkunft geführte Debatte durchzog die 1930er Jahre und wird seit den 1950er Jahren im Rahmen von Entwicklungshilfe und der Problematik des Nord-Süd-Gefälles diskutiert.

Liest man heute die Vorbemerkung, die Beschlüsse, Berichte und Vorentwürfe der vorbereitenden Dokumentation, die einvernehmlich für die politische und rechtliche Machbarkeit dieser Weltkonvention eintraten, übersieht man schnell das enorme gesellschaftspolitische Konfliktpotential, das sich hinter dem Streit um die Formulierung einzelner Paragrafen verbarg sowie die praktischen Schwierigkeiten, auf die das rechtspolitisch ambitionierte Vorhaben stieß. Entsprechend umstritten war das Projekt der Weltkonvention bei den Zeitgenossen. Die emphatischen Befürworter fanden sich im Völkerbund und in den internationalen Verbänden der Autoren und Verleger. Die Mitglieder der Berner und der Panamerikanischen Union, deren Interessen die Weltkonvention auszutarieren versuchte, äußerten sich dagegen zurückhaltender. Das Berner Büro, der ständige Sitz der Berner Union, fürchtete einen Verlust des im Vergleich zu den Panamerikanischen Verträgen hohen Schutzniveaus und reagierte mit einem Gegenvorschlag, dessen Ziel vor allem der Erhalt des europäischen Status quo war. In Person seines Direktors Fritz Ostertag veröffentlichte das Büro den Entwurf einer „Brückenkonvention“, die die bestehenden Konvention unangetastet lassen und sie nur mit Hilfe einer dritten, übergreifenden Konvention miteinander in Verbindung setzen wollte. Ähnlich reagierten die beteiligten Staaten in Europa und in Amerika, die die Vorteile der Vertragsarbeiten für ihre eigenen nationalen Interessen genau abwogen. Und schließlich hielten einige Experten die Weltkonvention für politisch unrealistisch und rechtlich unerwünscht.[11]

Wie entwickelte sich das Projekt einer Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten nach 1938? Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterbrach die Vorarbeiten und machte auch die Einberufung der Weltkonferenz 1939 nach Brüssel unmöglich. Nach dem Kriegsende zeigte sich jedoch bald, dass mit dem Krieg das Projekt nicht im Ganzen gescheitert war, sondern nur unterbrochen wurde. 1946 knüpfte die UNESCO als direkte Nachfolgeinstitution des Instituts für geistige Zusammenarbeit an die Vorarbeiten desselben an und erreichte schließlich 1952 den Abschluss des Welturheberrechtsabkommens. Dieses formulierte einen Mindeststandard für den Schutz von Urheberrechten im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners, der allen Staaten der Welt einen Beitritt ermöglichen sollte.

In den 1930er Jahren scheiterte der Versuch, die Interessen der europäischen Kulturproduzenten weltweit und ihren wirtschafts- sowie kulturpolitischen Bedürfnissen gemäß in Form eines hohen Rechtsstandards festzuschreiben. Das von der UNESCO in der Nachkriegszeit realisierte Welturheberrechtsabkommen etablierte zwar einen globalen Rechtsschutz, allerdings auf einem sehr viel bescheideneren Niveau als es in der Zwischenkriegszeit vorgesehen war. Bemerkenswert war das geschlossene Auftreten der europäischen Akteure besonders in den 1930er Jahren, das auch die faschistischen Regime und Militärdiktaturen einschloss. Denn zeitgleich zum Anwachsen feindlich gesinnter Nationalismen und der Vorbereitung eines militärischen Konfliktes verfolgten die in der Berner Union zusammengeschlossenen europäischen Staaten ein gemeinsames rechts- und kulturpolitisches Anliegen, das von den großen politischen Krisen dieser Zeit unberührt blieb. Das heißt, im Bereich des geistigen Eigentums kann man in Europa eine starke rechtspolitische Kontinuität beobachten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf europäischer Ebene institutionell so etabliert war, dass sie sich in den politischen Konflikten zwischen den Staaten der Berner Union in der Zwischenkriegszeit und über den Zweiten Weltkrieg hinweg bis in die Nachkriegszeit hinein als relativ krisenfest erwies.



[1] Essay zur Quelle: Internationales Institut für geistige Zusammenarbeit: Vorbereitungen für eine Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten (1938). Französisches Original der Quelle: Institut International de Coopération Intellectuelle: Préparation d’une convention universelle sur le droit d’auteur (1938).

[2] Zur Vorgeschichte der Berner Übereinkunft: Ricketson, Sam, The Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works: 1886-1986, London 1987.

[3] Zu den teilnehmenden Staaten und den Ergebnissen von Rom: Püschel, Heinz, 100 Jahre Berner Übereinkunft. Gedanken, Dokumente, Erinnerungen, Leipzig 1986.

[4] Zu den panamerikanischen Konventionen: Royer, Claude, La Protection internationale du droit d’auteur en Amérique et les tentatives de rapprochement des conventions panaméricaines et de la Convention de Berne, Toulouse 1942, S. 113-160.

[5] Siehe Quelle: Internationales Institut für geistige Zusammenarbeit: Vorbereitungen für eine Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten (1938).

[6] Zu Gründung, Aufbau und Funktionsweise von Kommission und Institut: Secrétariat de la Société des Nations, La Société des Nations et la coopération intellectuelle, Genf 1926.

[7] Siehe Quelle: Internationales Institut für geistige Zusammenarbeit: Vorbereitungen für eine Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten (1938).

[8] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Vermittlungsfunktion der Völkerbundsorgane jedoch wegen ihrer Nähe zu den europäischen Interessen eher kritisch begutachtet: Bogsch, Arpad, La convention universelle sur le droit d’auteur. Exégèse, Paris 1953, S. 39.

[9] Zu den Formalitäten: Röthlisberger, Ernst, Der interne und internationale Schutz des Urheberrechts in den Ländern des Erdballs, Leipzig 1914.

[10] Mit dieser Begründung verweigerte Uruguay dem Deutschen Reich 1927 den Beitritt zur Konvention von Montevideo: Schreiben der Regierung von Uruguay an das Auswärtige Amt vom 08.02.1927, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin (PolArch, R 43761).

[11] Bogsch, Arpad, La convention universelle sur le droit d’auteur, Exégèse, Paris 1953.



Literaturhinweise:

  • Ricketson, Sam, The Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works: 1886-1986, London 1987.
  • Royer, Claude, La protection internationale du droit d'auteur en Amérique et les tentatives de rapprochement des conventions panaméricaines et de la Convention de Berne, Toulouse 1942.
  • Siegrist, Hannes, Geistiges Eigentum im Spannungsfeld von Individualisierung, Nationalisierung und Internationalisierung. Der Weg zur Berner Übereinkunft von 1886, in: Hohls, Rüdiger; Schröder, Iris; Siegrist, Hannes (Hgg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Wiesbaden 2005, S. 52-61.
  • Weiss, Raymond, Vers un droit d’auteur universel, in: Journal de Droit International Privé (1931), S. 786-800.

Institut International de Coopération Intellectuelle: Préparation d’une convention universelle sur le droit d’auteur (1938)[1]

I Vœu de la conférence de Rome pour la revision de la Convention de Berne (proposition des délégations française et brésilienne, voté à l’unanimité, le 2 juin 1928)

La conférence,

Considérant l’identité des principes généraux qui dominent et des buts vers lesquels tendent la Convention de Berne, revisée à Berlin puis à Rome, et la Convention signée par les États américains à Buenos-Ayres en 1910 puis revisée à La Havane en février 1928;

Constatant la concordance du plus grand nombre des dispositions de l’une et l’autre Convention ;

Émet le vœu, conformément aux suggestions émises par la Délégation du Brésil et la Délégation française, que, d’une part, les Républiques américaines signataires d’une Convention à laquelle les États non américains n’ont pas la possibilité d’adhérer, viennent, à l’exemple du Brésil, accéder à la Convention de Berne revisée à Rome, et que, d’autre part, tous les Gouvernements intéressés se concertent en vue de préparer une entente générale ayant pour base les règles similaires des deux Conventions et pour objet l’unification mondiale des lois protégeant les créations de l’esprit.

II Note préliminaire des documents concernant une conférence diplomatique pour la préparation d’une convention universelle sur le droit d’auteur

Par des circulaires en date du 6 juin 1936, le Gouvernement royal de Belgique a chargé ses représentants diplomatiques de notifier aux Gouvernements des pays membres et des pays non membres de l’Union Internationale pour la protection des Œuvres littéraires et artistiques l’ajournement de la Conférence de revision de la Convention de Berne, convoquée pour le 6 septembre 1936. En même temps, il leur faisait connaître sa décision de réunir, à l’occasion de cette revision, une deuxième Conférence spécialement chargée d’élaborer une Convention universelle pour la protection du Droit d’Auteur.

En prenant cette initiative, le Gouvernement belge a tenu compte, d’une part, d’une proposition du Gouvernement brésilien, d’autre part, des recommandations d’un Comité International d’Experts réuni à Paris, en avril 1936, par l’Institut International de Coopération intellectuelle et l’Institut International de Rome pour l’Unification du Droit Privé. Une haute mission, distincte de celle qui incombera à la Conférence de revision statutairement convoquée en vertu de l’article 24 de la Convention de Berne, appartiendra à la deuxième Conférence projetée : donner suite aux résolutions concordantes de la Ixe Assemblée de la Société des Nations et de la VIIe conférence internationale des États américains tendant à la conclusion de l’accord mondial déjà souhaité par la Conférence de Rome pour la revision de la Convention de Berne. Depuis cette dernière Conférence, un effort se poursuit sur les deux Continents, en vue d’obtenir soit la fusion, soit le rapprochement des deux systèmes actuellement constitués pour la protection du Droit d’Auteur :_ d’une part, la Convention de Berne, d’autre part, les conventions panaméricaines, dont la dernière a été signée à La Havane, en février 1928. Cet effort répond aux aspirations maintes fois formulées par les groupements professionnels voués à la défense du Droit d’Auteur.Du point de vue technique, les études poursuivies, depuis huit ans, par l’Institut International de Coopération intellectuelle, en collaboration avec l’Institut International de Rome pour l’Unification du Droit privé, ont déjà fait apparaître que, si des divergences sérieuses subsistent sur certains points entre les deux systèmes continentaux, elles ne sauraient constituer un obstacle insurmontable à l’entente mondiale. La même conclusion a été dégagée par l’Institut américain de droit international, dans un rapport soumis à la VIIe conférence Internationale des États américains.Deux projets de Convention, conçus sur des bases différentes, sont dès maintenant offerts aux délibérations des Gouvernements. Ils ont été élaborés, l’un par la Commission interaméricaine de Montevideo, l’autre par le Comité d’Experts réuni à Paris par les Instituts Internationaux de Paris et de Rome, et où siégeait, parmi d’autres personnalités américaines, le président de ladite commission.

Le moment est venu e communiquer aux Gouvernements, par le présent recueil, les premiers éléments de la documentation déjà constituée en vue de la Conférence mondiale.


[1] Extraits de: Conférence diplomatique pour la préparation d’une convention universelle sur le droit d’auteur. Fascicule 1: Documents préliminaires publiés par l’administration belge et l’Institut International de Coopération Intellectuelle, Bruxelles, Ministère de l’Instruction Publique du Royaume de Belgique 1938.


 

Internationales Institut für geistige Zusammenarbeit: Vorbereitungen für eine Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten (1938)[1]

I Wunsch der Konferenz von Rom zur Revision der Berner Übereinkunft (auf Vorschlag der Delegationen von Frankreich und Brasilien am 2. Juni 1928 einstimmig angenommen)[2]

Die Konferenz hat in Erwägung gezogen, dass die Berner Konvention, revidiert in Berlin und dann in Rom, und die von den amerikanischen Staaten im Jahre 1910 in Buenos Aires unterzeichnete und später im Februar 1928 in Havanna revidierte Konvention in den wesentlichen Grundzügen und Zielen identisch sind;

sie hat ferner festgestellt, das die Mehrzahl der Bestimmungen der beiden Konventionen übereinstimmen;

sie gibt daher, den Anregungen der französischen und der brasilianischen Delegation folgend, dem Wunsche Ausdruck, dass einerseits die amerikanischen Republiken, die eine Konvention unterzeichnet haben, der nichtamerikanische Staaten nicht beitreten können, dem Beispiel Brasiliens folgend, ihren Beitritt zu der in Rom revidierten Berner Konvention erklären mögen, und dass anderseits alle interessierten Regierungen zur Vorbereitung eines allgemeinen Abkommens Fühlung nehmen mögen, das die ähnlichen Prinzipien der beiden Konventionen zur Grundlage und die Vereinheitlichung der Gesetze zum Schutze der Geistesschöpfungen auf der ganzen Welt zum Zweck haben würde.

II Einleitung in die Vorarbeiten für den Abschluss einer Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten, 1938

Mit einem Zirkular vom 6. Juni 1936 hat die königlich belgische Regierung ihre diplomatischen Vertreter beauftragt, den Regierungen der Mitgliedsländer und der Nicht-Mitgliedsländer der internationalen Union für den Schutz literarischer und künstlerischer Werke die Vertagung der Revisionskonferenz der Berner Übereinkunft mitzuteilen, die für den 6. September 1936 einberufen war. Zugleich hat die belgische Regierung ihnen ihre Absicht mitgeteilt, zum Anlass dieser Revisionskonferenz eine zweite Konferenz einzuberufen mit dem Auftrag, eine Weltkonvention zum Schutz von Urheberrechten zu erarbeiten.

Mit dieser Initiative hat die belgische Regierung auf der einen Seite den Vorschlägen der brasilianischen Regierung Rechnung getragen und auf der anderen Seite den Empfehlungen eines internationalen Expertenkomitees, das sich im April 1936 in Paris auf Einladung des Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit und dem Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Rom versammelte.

Ein bedeutendes Vorhaben obliegt der zweiten geplanten Konferenz, die sich von der Revision der Berner Übereinkunft, die Kraft des Art. 24 der Berner Konvention einberufen wird, unterscheidet. Die geplante Konferenz ist eine Reaktion auf die übereinstimmenden Beschlüssen der IX. Generalversammlung des Völkerbundes und der VII. Internationalen Konferenz der Amerikanischen Staaten, ein weltweites Abkommen zu schließen, das schon die Konferenz von Rom zur Revision der Berner Übereinkunft wünschte. Seit dieser letzten Konferenz werden Anstrengungen auf beiden Kontinenten angestellt mit dem Ziel, entweder den Zusammenschluss oder die Annäherung der beiden aktuellen Systeme zum Schutz von Urheberrechten zu erreichen: auf der einen Seite die Berner Übereinkunft, auf der anderen Seite die Panamerikanischen Konventionen, von denen die letzte im Februar 1928 in Havanna unterzeichnet wurde. Diese Bemühungen sind eine Antwort auf das viele Male formulierte Bestreben der Berufsverbände, die sich der Verteidigung des Urheberrechts verschrieben haben.

In technischer Hinsicht haben die seit acht Jahren verfolgten Studien des Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit in Kooperation mit dem Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Rom bereits gezeigt, dass alle ernstzunehmenden Divergenzen, die in Bezug auf bestimmte Aspekte zwischen den beiden kontinentalen Systemen existieren, keine unüberwindlichen Hindernisse für ein weltweites Bündnis darstellen sollten. Die gleiche Schlussfolgerung arbeitete das Amerikanische Institut für Internationales Recht in einem Bericht heraus, den es der VII. Internationalen Konferenz der Amerikanischen Staaten vorlegte.

Zwei Konventionsentwürfe, die auf unterschiedlichen Grundlagen entwickelt wurden, stehen ab sofort für die Regierungen zur Beratung zur Verfügung. Der erste wurde ausgearbeitet von der Interamerikanische Kommission von Montevideo, der andere von einem Expertenkomitee, das in Paris auf Einladung der Internationalen Institute von Paris und Rom tagte und an dem neben anderen amerikanischen Persönlichkeiten auch der Präsident der genannten Kommission teilnahm.

Der Moment ist gekommen, den Regierungen mit der vorliegenden Sammlung die ersten Bestandteile der Dokumentation zu übermitteln, die im Hinblick auf die Weltkonferenz bereits erstellt wurden.


[1] Auszüge aus: Conférence diplomatique pour la préparation d’une convention universelle sur le droit d’auteur. Fascicule 1: Documents préliminaires publiés par l’administration belge et l’Institut International de Coopération Intellectuelle, Bruxelles, Ministère de l’Instruction Publique du Royaume de Belgique 1938. Übersetzung, soweit nicht anders vermerkt, von Isabella Löhr.

[2] Übersetzung zitiert nach Raymond Weiss, Vereinheitlichung des Urheberrechts durch eine Annäherung der Konventionen von Bern und Havanna, in: GRUR (1930) H. 3, S. 289.


 

Für das Themenportal verfasst von

Isabella Löhr

( 2007 )
Zitation
Isabella Löhr, Europäischer, amerikanischer oder weltweiter Schutz geistigen Eigentums? Europäischer Urheberschutz und das amerikanische Copyright in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2007, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1407>.
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