Vom Alltags- zum Wissensobjekt Zur Transformation von Gegenständen in Völkerkundemuseen im beginnenden 20. Jahrhundert

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten sich in den meisten europäischen Ländern einschließlich des Kaiserreichs zahlreiche thematisch ausdifferenzierte Museen. Dementsprechend entstanden u.a. zahlreiche Kunst-, Heimat- und Naturkundemuseen sowie Zoos . In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Gründungen von deutschen Völkerkundemuseen zu sehen: 1868 in München, 1869 in Leipzig, 1873 in Berlin, 1876 in Dresden, 1879 in Hamburg, 1884 in Stuttgart, 1895 in Freiburg, 1896 in Bremen, 1901 in Köln und 1904 in Frankfurt am Main. [...]

Vom Alltags- zum Wissensobjekt. Zur Transformation von Gegenständen in Völkerkundemuseen im beginnenden 20. Jahrhundert[1]

Von Anja Laukötter

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten sich in den meisten europäischen Ländern einschließlich des Kaiserreichs zahlreiche thematisch ausdifferenzierte Museen.[2] Dementsprechend entstanden u.a. zahlreiche Kunst-, Heimat- und Naturkundemuseen sowie Zoos[3]. In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Gründungen von deutschen Völkerkundemuseen zu sehen: 1868 in München, 1869 in Leipzig, 1873 in Berlin, 1876 in Dresden, 1879 in Hamburg, 1884 in Stuttgart, 1895 in Freiburg, 1896 in Bremen, 1901 in Köln und 1904 in Frankfurt am Main.[4]

Nach der Etablierung der Völkerkundemuseen wurden diese rasch zum wichtigen Bestandteil der jeweiligen Stadtlandschaft. An zentralen Orten der Stadt platziert und damit unübersehbar entwickelten sie sich schnell zu „Symbolen städtischen Selbstbewusstseins“.[5] Dieser Gründungsboom war eng mit der Ausbreitung des großstädtischen Bürgertums im Zuge der Urbanisierung und einem starken Bevölkerungswachstum verbunden. Wie andere Orte der Wissensvermittlung boten auch die Völkerkundemuseen für das sich formierende Bürgertum die Möglichkeit zur Entfaltung und zur gesellschaftlichen Positionierung.[6]

Zusammen mit den sich fast zeitgleich etablierenden wissenschaftlichen Disziplinen der Völkerkunde und der Anthropologie waren Völkerkundemuseen Produkte der „Moderne“: Die soziale, technische und ökonomische Umbruchsituation vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet, dass die ‚fremde Welt’ näher rückte und neue Abgrenzungsmechanismen der europäischen Welt notwendig erschienen. Völkerkundemuseen und die entsprechenden Wissenschaften gaben auf die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Fragestellungen Antworten bzw. waren an der Erzeugung der Fragen mitbeteiligt. Doch die Völkerkundemuseen waren in Bezug auf die Deutung der fernen Welt nicht konkurrenzlos. Auch zeitgenössische populäre Veranstaltungen offerierten konkrete Darstellungsweisen der ‚fremden Welt’, die auch breitere Volksschichten ansprechen sollte.[7] So wurden auf Welt- und Kolonialausstellungen mit großem Erfolg Menschen aus fernen Ländern exponiert; im Wachsfigurenkabinett Castans Panoptikum waren in Berlin ab 1873 neben Embryonen und Missbildungen auch ‚Wilde’ zu sehen; später sollten solche in Hagenbecks Völkerschauen auch innerhalb von Zoos ihre Lebensweise nachspielen.[8]

Daher waren Völkerkundemuseen explizit darum bemüht, sich von diesen Schauspielen abzugrenzen, denn es entsprach dem Selbstverständnis dieser Institution, sich den ‚neuentdeckten’ Räumen und ihren Völkern ausschließlich wissenschaftlich zu widmen, sich als ‘wahre’ Ordnungsinstanz für die Welt und als „moderne“ Vermittlungsinstanz von europäischen Distanzerfahrungen[9] zu präsentieren und damit ein Bedürfnis nach kultureller Deutung der „Schöpfung“ zu befriedigen. In nüchterner Weise sollte die Andersartigkeit der ‘neuen Fremden’, Nicht-Europäer dokumentiert werden;[10] entsprechend bemühten sich die Völkerkundemuseen in diesem Kampf um die „Macht der Wertung“[11] durch ihren Rekurs auf die Wissenschaft von den populären Veranstaltungen abzusetzen.

So blieb es ein Spezifikum der Völkerkundemuseen am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass es sich bei diesen Orten nicht nur um öffentliche Räume handelte, sondern zugleich um wissenschaftliche Räume.[12] In ihnen wurde wissenschaftliches Wissen konfiguriert und repräsentiert.[13] Sie waren somit bipolar ausgerichtet: adressiert an eine allgemeine Öffentlichkeit und zugleich angebunden an den eher exklusiven Kreis der Universität und der Wissenschaft der Völkerkunde und Anthropologie.[14] In diesem „Hybridraum“ bot sich die Möglichkeit, wissenschaftlich legitimierte Erkenntnisse über die Welt in einer inszenierten dreidimensionalen Form darzustellen.[15] Demzufolge wurde eine Differenzierung der Menschheit sowie eine Kreation von Bedeutungen und Ordnungen angestrebt, die öffentlichkeitswirksam war.[16] Dafür teilten Völkerkundemuseen die Welt in ‘Kulturräume’ auf und konkretisierten diese durch repräsentative Gegenstände, womit sie eine Vorstellung von der Welt strukturierten und gleichzeitig auch eine imaginative Erschließung des Neuen, vor allem der kolonialen Gebiete, ermöglichten. Sie reduzierten also einerseits die Welt, indem sie die „Welt als Ausstellung“[17] begriffen; mit Hilfe von Fragmenten und einzelnen Gegenständen sollte die Geschichte und die Welt der ausgestellten Kultur greifbar gemacht werden.[18] Andererseits erweiterten sie den scheinbar erfahrbaren Raum; ein ganzer Kontinent, wie z.B. ‘Afrika’, so die Botschaft, wurde durch die Präsentation von Suppenlöffeln und Werkzeugen entzifferbar.[19] Den einzelnen Objekten kamen dementsprechend enorme Bedeutungen zu. Ihnen war in dieser Logik Wissen eingeschrieben, das dekodierbar war. So bedeutete insbesondere in der ersten Entstehungsphase der Völkerkundemuseen eine Vermehrung der Objekte einen Zuwachs an Wissen. Ethnographische Gegenstände und die Kenntnisse darüber wurden somit in einem proportionalen Verhältnis gesehen. Neben dem stetigen Wachstums des Wissens sollten durch die Sammlung dieser ethnographischen Objekte eine angenommene ‘Ursprünglichkeit’ der ‘Naturvölker’ konserviert werden. Diesem ‘Rettungsgedanken’, der letztendlich dem Museum zugeschrieben wurde, offenbart die asymmetrische Grundhaltung der Institution und ihrer Repräsentanten gegenüber den Herkunftsländern der Objekte.

Der Weg vom Alltagsobjekt hin zum Wissensträger bedeutete zunächst eine räumliche Überwindung, d.h. die Objekte mussten von ihrem Ursprungsort, zumeist den Kolonialländern, ins Museum gelangen. Hatten diese Objekte also den Herkunftsraum der ‘Naturvölker’ verlassen, trafen sie mit ihrem neuen Bestimmungsort auf einen doppelt kodierten ‘Kulturraum’: Erstens fanden sie Eingang auf den Kontinent ‘Europa’, das nicht nur als ein spezifischer geographischer Raum angesehen wurde, sondern zugleich das Chiffre oder der Inbegriff für die westlichen ‘Kulturländer’ war. Zweitens fanden diese Objekte Eingang in das Museum, als institutioneller und räumlicher Ausdruck von Kultur – als ein Höhepunkt der Kultur. Hier angekommen durchliefen sie einen Aufnahmeprozess, an deren Ende der Status des wissenschaftlichen Objektes lockte.

Letzteres Verfahren wird in der Quelle sehr anschaulich beschrieben. Es handelt sich dabei um einen Brief an die Oberschulbehörde aus dem Jahr 1913 von Georg Thilenius (1868-1937), der von 1904 bis 1935 Direktor des bedeutenden Völkerkundemuseums in Hamburg war und diese Institution sowie die Wissenschaft der Völkerkunde in dieser Zeit stark prägte. So werden in einem ersten Schritt die ethnographischen Gegenstände von ihren verschmutzten Verpackungen befreit und gereinigt, im Sortierraum des Museums ausgebreitet, dann mit Listen verglichen, neue Listen werden erstellt sowie eine Nummerierung der Gegenstände wird vergeben.

Im zweiten Teil der Quelle wird dann die Reinigung der Gegenstände mithilfe eines „Vakuumapparates“, die Katalogisierung und die endgültige Nummerierung beschrieben, bevor sie dann dem „wissenschaftlichen Beamten“ zur Bearbeitung übergeben werden und die eigentliche wissenschaftliche Arbeit erst begann. Die wissenschaftliche Tätigkeit war demnach an eine Person mit spezifischer Ausbildung gebunden. Dass an dieser Stelle noch von keinem Ethnologen und Anthropologen mit entsprechendem Studium gesprochen wird, verweist auf die noch fehlende Etablierungen dieser Disziplinen an den deutschen Universitäten. An der erst 1919 gegründeten Hamburger Universität wurde beispielsweise 1920 ein ordentlicher Lehrstuhl für Völkerkunde eingerichtet, der dann mit Georg Thilenius, seiner Ausbildung nach Mediziner, besetzt wurde.[20] Die laut Quelle als „wissenschaftlicher Beamte“ definierte Person bestimmte die Herkunft und kontextualisierte die Gegenstände mit den bereits „bekannten Angaben“, d.h. er griff auf bereits erworbenes Wissen um die jeweiligen oder vergleichbare Gegenstände zurück. Insbesondere nach der Jahrhundertwende erhielten die für die Museumsdirektoren tätigen Sammler den eindringlichen Auftrag, nicht nur Objekte an sich dem Museum zu liefern, sondern auch Details über die Herkunft und Verwendung der Objekte zu recherchieren. Denn nur mit diesen Informationen konnten sie in das bestehende Netzwerk des bereits vorhandenen Wissens eingefügt werden. Objekte ohne solche Angaben galten zunehmend als wertlos. Erst nach diesem Prozedere, das sich auch als Status-Festschreibung bezeichnen lässt, wurde darüber entschieden, ob die Gegenstände Teile der für die Öffentlichkeit bestimmten Schausammlung oder exklusiv für die Wissenschaft bestimmte Studiensammlung wurden.

Das hier beschriebene Verfahren besticht durch seine detaillierte Schilderung. Jeder Schritt des Objektes, so scheint es, ist genau festgeschrieben und wiederholt sich bei jedem weiteren Gegenstand in derselben Weise. Dies sowie der Anspruch der ‘Totalerfassung’ wird im folgenden Zitat deutlich: „Hierbei entspricht jedem Gegenstande ein Zettel, der auf der einen Seite die Nummer, die Bezeichnung und den Hinweis auf die Akten, ferner eine statistische Beschreibung trägt, während auf der Rückseite der Gegenstand selbst, seine Ornamente und technischen Besonderheiten durch genaue Zeichnungen festgelegt werden.“

Das ‘verschmutzte Ding’ trifft in diesem Sinne auf ein systematisches Regelwerk, das als Aneignungsprozess dieser Objekte, als ein Schritt der Inkorporierung in diese doppelt kodierte ‘Kulturwelt’, der „Welt der Europäer“ und des Museums, gelesen werden kann. Die dabei angewandten Methoden: von der Reinigung, zur Kontrolle hin zur Einreihung in vorhandene Listen und Nummerierungen umreißen zugleich zentrale Praktiken eines europäisch definierten Wissenschaftsverständnisses der Zeit, dem die Objekte der ‘Naturvölker’ unsortiert, schmutzig und ohne Zusammenhang gegenüber zu stehen scheinen. In diesem Sinne ist auch der in dieser Quelle zitierte wissenschaftliche Apparat, vom Laboratorium, zum Katalog, hin zum Vakuumapparat zu interpretieren.

Aus dieser präzisen Deskription des komplexen Aufnahmeverfahrens von völkerkundlichen Gegenständen lässt sich auf die Bedeutung schließen, die den hygienischen Praktiken und der archivarischen Systematisierung insgesamt zugeschrieben wurde, denn erst durch sie wurde die Dauerhaftigkeit der Gegenstände garantiert – sie waren also die Voraussetzung, um aus den gesammelten Gegenständen erst potentielle Objekte der Ausstellung zu kreieren, die dann als „Semiophoren“, als Zeichenträger fungieren konnten.[21] Und nur sie garantierte dem Museum, ein „Ort der Rationalität“[22], ein Raum der Wissenschaft zu sein. Wie eingangs bereits ausgeführt war diese Selbstdefinition zentral für die damaligen Völkerkundemuseen, um sich gegenüber den als populäreren Veranstaltungen wie Hagenbecks Völkerschauen, Castans Panoptikum etc. abzugrenzen. Zugleich, und dies sollte durch die Vorstellung der zitierten Quelle deutlich geworden sein, war der Anspruch der Wissenschaftlichkeit aber auch eine Abgrenzungsstrategie gegenüber den Repräsentanten einer ‘fremden Welt’. Oder anders formuliert: Ebenso in seinen Praktiken und Methoden konstituiert und positioniert sich das Völkerkundemuseum als europäischer Ort explizit gegenüber der ‘fernen Welt’.



[1] Essay zur Quelle: Brief des Direktors des Hamburger Völkerkundemuseums Georg Thilenius (1913)

[2] Siehe unter anderem: Pomian, Krzysztof, Sammlungen – eine historische Typologie, in: Grote, Andreas (Hg.), Macrocosmos in Microcosmos. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, Opladen 1994, S. 118.

[3] Siehe dazu u.a.: Jahn, Ilse, Zoologische Gärten in Stadtkultur und Wissenschaft im 19. Jahrhundert, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 15 (1992), S. 213-224. Zum Zusammenhang von Wissenschaft und dem urbanen Raum siehe u.a.: Eckart, Wolfgang U., Wissenschaft und Stadt, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 15 (1992), S. 69-74.

[4] Zu den Gründungsdaten siehe auch: Voges, Hans, Das Völkerkundemuseum, in: Francios, Etienne; Schulze, Hagen (Hgg.), Deutsche Erinnerungsorte I, München 2001, S. 318.

[5] Köstering, Susanne, Natur zum Anschauen. Das Naturkundemuseum des deutschen Kaiserreichs 1871-1914, Köln u.a. 2003, S. 35.

[6] Felt, Ulrike, Die Stadt als verdichteter Raum der Begegnung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Reflexionen zu einem Vergleich der Wissenschaftspopularisierung in Wien und Berlin, in: Goschler, Constantin (Hg.), Wissenschaft und Öffentlichkeit in Berlin 1870-1930, Stuttgart 2000, S. 185-219, S. 207.

[7] Grosse, Pascal, Zwischen Privatheit und Öffentlichkeit: Kolonialmigration in Deutschland, 1900-1940, in: Kundrus, Birthe (Hg.), Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a. M. 2003, S. 95f. Zu den Völkerschauen siehe u.a.: Honold, Alexander, Ausstellung des Fremden – Mensch- und Völkerschau um 1900. Zwischen Anpassung und Verfremdung: Der Exot und sein Publikum, in: Conrad; Sebastian; Osterhammel, Jürgen (Hgg.), Das Kaiserreich transnational, Göttingen 2004, S. 170-190.

[8] Zur öffentlichen Präsentation von sogenannten missgebildeten Menschen um die Jahrhundertwende siehe auch: Zürcher, Urs, Monster oder Laune der Natur. Medizin und die Lehre von den Missbildungen 1780-1914, Frankfurt a. M. 2004, S. 263ff.

[9] Siehe dazu: Osterhammel, Jürgen, Distanzerfahrung. Darstellungsweisen der Fremden im 18. Jahrhundert, in: König, Hans-Joachim u.a. (Hg.), Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirklichkeitswahrnehmung, Berlin 1989, S. 12ff.

[10] Kundrus, Birthe, Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, Köln u.a. 2003, S. 35f.

[11] Bourdieu, Pierre, Die Museumskonservatoren, in: Luckmann, Thomas; Sprondel, Walter Michael (Hgg.), Berufssoziologie, Köln 1972, S. 149.

[12] Felt, Die Stadt als verdichteter Raum, S. 207.

[13] Hagner, Michael, Vom Naturalienkabinett zur Embryologie, in: ders. (Hg.) Der falsche Körper. Beiträge zu einer Geschichte der Monstrositäten, Wallenstein 1995, S. 74. Zur Inflation des Begriffes der Repräsentation siehe auch: ders., Zwei Anmerkungen zur Repräsentation in der Wissenschaftsgeschichte, in: Rheinberger, Hans-Jörg u.a. (Hg.), Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur, Berlin 1997, S. 339-355, insbesondere S. 345ff.

[14] Einige Deskriptionen und Analysen dieses komplexen Verhältnisses zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit im 19. und 20. Jahrhundert sind in den vergangenen Jahren erschienen: Siehe u.a.: Daum, Andreas, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848-1914, München 1998.

[15] Hooper-Greenhill, Elian, Museums and the Shaping of Knowledge, London 1992, S. 198ff.

[16] Kundrus, Moderne Imperialisten, S. 23.

[17] Mitchell, Timothy, Die Welt als Ausstellung, in: Conrad, Sebastian; Randeria, Shalini (Hgg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2002, S. 148ff.

[18] Jenkins, David, Object Lessons and Ethnographic Displays: Museum Exhibitions and the Making of American Anthropology, in: Comparative Studies in Society and History 36, 2 (1994), S. 242-270, hier S. 269.

[19] Siehe auch: Korff, Gottfried, Speicher und/oder Generator. Zum Verhältnis von Deponieren und Exponieren im Museum, in: ders. (Hg.), Museumsdinge. Deponieren – Exponieren, Köln u.a. 2002, S. 175f.; Laukötter, Anja, Das Völkerkundemuseum, in: Geisthövel, Alexa; Knoch, Habbo, Orte der Moderne. Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2005, S. 218-227.

[20] Zwernemann, Jürgen, Aus den frühen Jahren des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, in: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig 41 (1997), S. 44.

[21] Pomian, Krzysztof , Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1988, S. 50ff.

[22] Jenkins, Object, S. 245.



Literaturhinweise:

  • Honold, Alexander, Ausstellung des Fremden – Mensch- und Völkerschau um 1900. Zwischen Anpassung und Verfremdung: Der Exot und sein Publikum, in: Conrad, Sebastian; Osterhammel Jürgen (Hg.), Das Kaiserreich transnational, Göttingen 2004, S. 170-190.
  • Kundrus, Birthe, Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, Köln u.a. 2003.
  • Laukötter, Anja, Von der “Kultur” zur “Rasse” – vom Objekt zum Körper? Völkerkundemuseen und ihre Wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2007.
  • Penny, Glenn H., Objects of Culture.
  • Zimmerman, Andrew, Anthropology and Antihumanism in Imperial Germany, Chicago u.a. 2001.

Brief des Direktors des Hamburger Völkerkundemuseums Georg Thilenius (1913)[1]

„Die eingehenden Kisten werden im Arbeitshofe abgeladen und ausgepackt. Die ethnographischen Gegenstände werden hierbei auf einem Tisch unter dem Glasdach ausgebreitet, die Kisten in das Magazin, die Verpackungsmaterialien in verschlieszbare Mülltonnen verbracht. Es geschieht dies, um eine Verschleppung von Schmutz, Ungeziefer usw. in das Gebäude nach Möglichkeit einzuschränken. Die ethnographischen Gegenstände werden darauf in dem Sortierraum ausgebreitet, und daran schlieszt sich die meist langwierige Arbeit der Kontrolle der Stücke, ihres Vergleichs mit den mitunter vorhandenen Listen des Sammlers, die Aufstellung eigener Listen, die Verteilung auf die wissenschaftlichen Abteilungen und die Nummerierung an. Aus diesen Arbeiten geht die sogenannte Postenliste hervor, die vom Bureau in dem auf die Erwerbung bezüglichen Aktenstück eingefügt wird. Unter der Nummer der Postenliste erfolgt gleichzeitig eine kurze Eintragung in das Postenbuch, und die Postennummer ist gleichzeitig maszgebend für die endgültige Nummerierung der Stücke bei der Katalogisierung. Auf Grund dieser Nummer kann später jedes irgendwo in der Sammlung vorhandene Stück ohne weiteres auf die zugehörigen Akten und auf die hierin enthaltenen ausführlichen Angaben des Sammlers bezogen werden. [...]

Aus dem Waschraum werden die Gegenstände in das Laboratorium überführt und gelangen zunächst in den Vakuumapparat, in dem sie mittels Schwefelkohlenstoffes von tierischen Schädlinge befreit werden. Nach Beendigung des Verfahrens kann ein Teil der Stücke schon für die wissenschaftliche Bearbeitung bereitgestellt werden, ein anderer bedarf aber regelmäszig noch weiterer Vorbereitung. […] Nach Beendigung der technischen Arbeiten beginnen die wissenschaftlichen, die wiederum in eine mehr technische und die rein wissenschaftliche Behandlung zerfallen. Die ersteren umfassen die Katalogisierung. In den Konservierungsräumen tragen die Gegenstände die Nummerzettel, die sie im Sortierraum erhielten. Die Zettel sind durch dauerhaft aufgemalte Nummern zu ersetzen, die Stücke selbst in den Zettelkatalog einzutragen. Hierbei entspricht jedem Gegenstande ein Zettel, der auf der einen Seite die Nummer, die Bezeichnung und den Hinweis auf die Akten, ferner eine statistische Beschreibung trägt, während auf der Rückseite der Gegenstand selbst, seine Ornamente und technischen Besonderheiten durch genaue Zeichnungen festgelegt werden. […] die soweit vorbereiteten neuen Sammlungen gelangen nun mit den zugehörigen Zetteln an den wissenschaftlichen Beamten, in dessen Abteilung sie aufbewahrt werden sollen. Er versieht die Zettel mit den notwendigen wissenschaftlichen und literarischen Notizen, kontrolliert die Herkunftsangaben oder bestimmt erst die Herkunft und vergleicht die mit der Sammlung eingegangenen wissenschaftlichen Notizen mit den bisher bekannten Angaben. Ist auch die wissenschaftliche Bearbeitung beendet, so erfolgt die Entscheidung darüber, welche Stücke der Schausammlung oder der wissenschaftlichen Sammlung überwiesen werden sollen; die für die Schausammlung bestimmten erhalten dann die erforderlichen Untersätze, Sockel usw. aus Holz oder Metall, deren zweckmäszigste Anordnung durch Versuche ermittelt werden muss. […]

Aus dem Waschraum werden die Gegenstände in das Laboratorium überführt und gelangen zunächst in den Vakuumapparat, in dem sie mittels Schwefelkohlenstoffes von tierischen Schädlinge befreit werden. ...“ Entlang dieser Quelle aus dem Jahr 1913, in der die Transformation von Alltagsgegenständen aus den Kolonialländern hin zu wissenschaftlichen Objekten, die das Hamburger Völkerkundemuseum für seine Arbeit benutzte, beschrieben wird, lassen sich einige die Institution des Völkerkundemuseums strukturierende Aspekte veranschaulichen.“


[1] Staatsarchiv Hamburg: 361-5 I Hochschulwesen Reg. Spez. CIIa 16 Bd. III: Brief vom 9. Juni 1913


Für das Themenportal verfasst von

Anja Laukötter

( 2008 )
Zitation
Anja Laukötter, Vom Alltags- zum Wissensobjekt Zur Transformation von Gegenständen in Völkerkundemuseen im beginnenden 20. Jahrhundert, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2008, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1455>.
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