Europa im Fernsehen. Die Gründung des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE

Als am 2. Oktober 1990 mit dem „Vertrag zwischen elf deutschen Ländern und der Französischen Republik über den Europäischen Kulturkanal“ die Grundlage für den grenzüberschreitenden Sender ARTE geschaffen wurde, waren einige europäische Medienprojekte bereits gescheitert. Nicht nur technische und politische Hürden mussten genommen werden, sondern auch erhebliche juristische, organisatorische und inhaltliche Schwierigkeiten galt es zu meistern, um die Idee eines europäischen Fernsehsenders zu verwirklichen.

Europa im Fernsehen. Die Gründung des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE

Von Nina Johanna Haltern

Als am 2. Oktober 1990 mit dem „Vertrag zwischen den deutschen Bundesländernund der Französischen Republik zum Europäischen Fernsehkulturkanal“[1] die Grundlage für den grenzüberschreitenden Sender ARTE geschaffen wurde, waren einige europäische Medienprojekte bereits gescheitert. Nicht nur technische und politische Hürden mussten genommen werden, sondern auch erhebliche juristische, organisatorische und inhaltliche Schwierigkeiten galt es zu meistern, um die Idee eines europäischen Fernsehsenders zu verwirklichen.

Pläne für ein mehrstündiges europäisches Fernsehprogramm waren erstmals 1965 anlässlich einer Konferenz der European Broadcast Union (EBU)[2] besprochen worden. Nachdem das Ziel, Beiträge aller EBU-Mitgliedsländer über Satellit europaweit auszustrahlen, zunächst noch an den technischen Möglichkeiten gescheitert war, griff die Politik 1980 die Pläne erneut auf. Auf Initiative der Europäischen Volkspartei forderte das Europäische Parlament die Kommission zur Prüfung der Einrichtung eines europäischen Fernsehprogramms auf. Nach der Erweiterung des gemeinsamen Wirtschaftsraums und mit zunehmender politischer Integration gelte es, auch die kulturelle Dimension der europäischen Gemeinschaft im Sinne eines europäischen Bewusstseins zu befördern. Mit der Schaffung einer europäischen Medienöffentlichkeit sollte nicht zuletzt das Problem, dass europäische Themen und Aktivitäten in den nationalen Berichterstattungen nicht genügend berücksichtigt wurden, behoben werden. Die Europäische Kommission erstellte daraufhin einen Zwischenbericht, der jedoch wenig Beachtung fand. Erst das 1984 veröffentlichte Grünbuch „Fernsehen ohne Grenzen“ erfuhr eine EG-weite Aufmerksamkeit, da es das Kulturgut Rundfunk als Dienstleistung begriff und den Regeln des Wirtschaftsrechts unterstellte. Dementsprechend lieferte es vorrangig Minimalregelungen zu Fragen der Werbung, des Jugendschutzes und des Urheberrechts. Die Bestrebungen zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Fernseh-Programms gerieten damals wie anlässlich der EG-Richtlinie zum europäischen Rundfunk von 1989 aufgrund der Kompetenz- und Zuständigkeitsproblematik ins Hintertreffen.

Neben den politischen Initiativen gab es in den 1980er Jahren praktische Versuche, ein europäisches Fernsehen zu betreiben. Unter der Ägide der EBU startete 1982 testweise das fünfwöchige Pilotprojekt EURIKON – allerdings unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, um Lizenzzahlungen zu vermeiden. 1985 ging das von öffentlichen Sendeanstalten aus den Niederlanden, Italien, Irland, Deutschland betriebene Europa-TV erstmals auf Sendung. Ein multinationales Team stellte ein in vier Sprachen ausgestrahltes Public-Service-Vollprogramm zusammen, das täglich fünf bis sechs Stunden lang aus dem niederländischen Hilversum gesendet wurde und europaweit empfangen werden konnte. Obwohl die technische Machbarkeit eines multinationalen Fernsehprogramms durch Europa-TV bewiesen war, wurde dieses nach nur 14 Monaten aufgrund finanzieller Probleme, die auf Fehlkalkulationen, nicht eingehaltene Versprechen der Kommission sowie das Fehlen einer breiten politischen Unterstützung der EG-Länder zurückzuführen waren, eingestellt.

Auf Initiative des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth wurden 1984 Gespräche über einen deutsch-französischen Fernsehsender aufgenommen. Späth wandte sich damals verstärkt dem Kultursektor zu, und auch die französische Seite interessierte sich für ein grenzübergreifendes Fernsehprogramm mit anspruchsvoller Ausrichtung, dessen Kosten dank der Kooperation geteilt werden könnten. Nachdem François Mitterand den französischen Fernsehmarkt im Jahre 1982 liberalisiert hatte, war in der Grande Nation die Angst vor einem US-amerikanisch dominierten TV-Angebot gewachsen. Nun sollte wenigstens ein Sender qualitativ hochwertiges ‚Kultur-Fernsehen‘ liefern und zugleich das Forum und den Partner für Koproduktionen mit der französischen Filmindustrie abgeben.

Als Gegengewicht zu den privaten Sendern und zu den staatlichen, die mit diesen konkurrieren mussten, wurde daher bereits 1986 der französische Kulturkanal La SEPT gegründet. Kurz darauf kam es zu ersten zaghaften Kooperationsverhandlungen zwischen ARD und ZDF auf deutscher und La SEPT auf französischer Seite. Lothar Späth, der ab 1987 als Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten agierte, fand insbesondere in Jack Lang, der von 1981 bis 1986 und von 1988 bis 1993 als französischer Kulturminister wirkte, einen Partner, der mit ihm die Schaffung eines europäischen Kulturkanals auf bilateraler Grundlage anstrebte. Doch während die Franzosen mit La SEPT lediglich eine zentralistische staatsnahe Organisation auf das Projekt einschwören mussten, galt es in Deutschland, die unabhängigen Landesrundfunkanstalten der ARD, das ZDF sowie Vertreter der Länder und des Bundes für den europäischen Kulturkanal zu gewinnen. Das erwies sich lange Zeit als schwieriges Unterfangen, weil die neue Einrichtung als Konkurrent gesehen wurde. So betrachtete das ZDF das Projekt als direkte Konkurrenz zu dem 1984 gegründeten Programm 3sat, dem deutschsprachigen Kooperationssender des ZDF sowie des österreichischen und des Schweizer Rundfunks. Ähnlich misstrauisch war die ARD, die seit März 1986 ihren eigenen Kulturkanal EINS PLUS unterhielt.[3] Auch zahlreiche Politiker, die die Gründung eines europäischen Kulturkanals für überflüssig oder kontraproduktiv hielten, diffamierten das Vorhaben als reines Prestigeprojekt und warnten vor einer Gettoisierung der Kultur in Spartenkanälen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Neben Fragen der Finanzierung und der steuerlichen Behandlung des Senders galten die Programmautonomie und der Kulturbegriff als besonders kritisch. Hinsichtlich der Programmautonomie erschien im zentralistischen Frankreich ein staatsnaher Rundfunk als unproblematisch, wohingegen in der Bundesrepublik Deutschland eine allzu große Nähe von Medien und Politik – aufgrund der Erfahrungen im Nationalsozialismus und angesichts der Situation in der DDR – als Angriff auf den freien Journalismus gewertet wurde. Überdies gingen die deutschen und französischen Vorstellungen darüber, was unter Kultur zu verstehen sei, auseinander. Die französische Seite verstand darunter Hochkultur und Bildung wie im bereits bestehenden Programm von La SEPT: Übertragungen von Musik-, Theater- und Literaturveranstaltungen, Dokumentarfilme und didaktische Programme zur kulturellen Bildung und zur Darstellung der französischen Nationalkultur – ohne Nachrichten und Sport. Die deutsche Seite dagegen ging von einem erweiterten Kulturbegriff aus, der sich nicht auf künstlerische Erzeugnisse beschränkt. Schließlich verständigte man sich im Staatsvertrag vom 2.10.1990 auf die Präambel, dass der europäische Kanal der „Darstellung des kulturellen Erbes und des künstlerischen Lebens in den Staaten, Regionen und der Völker Europas und der Welt“ dienen sollte.

Im Hinblick auf das Verhältnis von Medien und Staat folgte der Staatsvertrag dem deutschen Muster.[4] Artikel 1.1 hält fest, dass der Europäische Fernsehkulturkanal unabhängig von staatlichen Eingriffen ist und die alleinige Verantwortung für die Programmplanung hat. Die Aufsicht für die Programmrealisierung, Personalverwaltung und Haushaltsplanung liegt bei den Gesellschaftern (La SEPT und eine deutsche GmbH). Auch in den Punkten Reichweitensicherung (Artikel 2), die hauptsächlich Frankreich betraf, und Mehrwertsteuererlass (Artikel 3) setzte sich die deutsche Seite durch, die aufgrund der Vielzahl und Heterogenität der zustimmungspflichtigen Akteure größeren Druck ausüben konnte. Zwei französischen Unterzeichnern standen elf deutsche gegenüber, die ihr Einverständnis an Bedingungen knüpften.

Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch das pragmatische Vertragsdatum. Denn bereits einen Tag später, das heißt mit der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, hätten auch die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer unterzeichnen müssen. Berücksichtigt werden diese allerdings in Artikel 4 des Vertrages, der den Beitritt „weiterer deutscher Länder“, das heißt der neuen Bundesländer, sowie der Mitgliedsstaaten des Europarates vorsieht.[5] Das deutsch-französische Projekt sollte die Keimzelle eines europäischen Fernsehens bilden.

Damit dieser Vertrag zustande kommen konnte, war nicht nur viel Überzeugungsarbeit und die Erhöhung der Rundfunkgebühren notwendig. Auf deutscher Seite war auch lange Zeit strittig, wer denn überhaupt berechtigt sei, den Vertrag zu unterzeichnen. Der Bund verwies auf seine außenpolitische Zuständigkeit (auch in Kulturangelegenheiten) nach Art. 32 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), während die Länder sich auf ihr Recht zum Vertragsschluss auf den Gebieten ihrer Legislativkompetenz (Kultur und Rundfunk) nach Art. 2 Abs. 3 GG stützten. Mitte September 1990 gab die Bundesregierung schließlich ihre Zustimmung zur Vertragsschließung zwischen dem Nationalstaat Frankreich und den Bundesländern – nicht ohne auf die Einzigartigkeit und den Ausnahmecharakter des Vorgangs zu verweisen. Das ambitionierte und auf höchster Ebene erwünschte Projekt sollte nicht an den Finessen des deutschen Föderalismus scheitern, und die französischen Nachbarn nicht verprellt werden, nachdem sie sich durchgerungen hatten, der Deutschen Einigung zuzustimmen.

Festzuhalten bleibt, dass es im Vertrag über den europäischen Kulturkanal den deutschen Ländern und dem französischen Staat gelungen ist, zwischen den medienrechtlichen und medienpolitischen Unterschieden der Partnerstaaten zu vermitteln. Um dem französischen Gesellschafter La SEPT ein deutsches Gegenüber im Sinne eines vorrangigen Ansprechpartners zu geben, wurde im März 1991 eine Koordinationsstelle in Baden-Baden eingerichtet, nämlich die ARTE Deutschland TV GmbH (mit dem ZDF und den Anstalten der ARD als Gesellschaftern). ARTE France (wie La SEPT seit 2000 heißt) und ARTE Deutschland sind wiederum Gesellschafter der am 30. April 1991 gegründeten ARTE G.E.I.E.[6], die ihren Hauptsitz in Straßburg, seit 2003 in einem repräsentativen Bau im Europa-Viertel, hat. Auf die Rechtsform der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (kurz EWIV; französisch Groupement Européen d’Interêt Economique, kurz G.E.I.E.) nach dem Vorbild des Airbus-Kooperationsprojekts einigte man sich auf Drängen der deutschen Seite, welche die in Frankreich für Fernsehsender übliche Rechtsform der Aktiengesellschaft mit dem Argument ablehnte, damit würden die Interessen zu sehr zentralisiert und die Anliegen der Kooperationspartner zu wenig berücksichtigt. Ein unabhängiger Programmbeirat, der sich aus Vertretern des kulturellen Lebens der beteiligten Länder zusammensetzt, sollte mittels Beratung und kritischer Begleitung der Programmkonzeption zusätzlich Unabhängigkeit gewährleisten. Der Beirat ist freilich kein veritables Organ der G.E.I.E. und sein Einfluss geringer, als die deutsche Delegation es sich gewünscht hatte. Die ARTE G.E.I.E. ist zuständig für die Verwaltung, die Programmkonzeption und die Ausstrahlung des Programms. Die Produktion und Beschaffung des Programms wird von ARTE G.E.I.E. (20 %, insbesondere Nachrichten und Informationssendungen), ARTE France und ARTE Deutschland (jeweils 40 %) arbeitsteilig übernommen. Um Koordinationsprobleme zu vermeiden, sollten die Führungspositionen in einem ausgewogenen Verhältnis durch Deutsche und Franzosen besetzt werden.

In der konkreten internationalen und interkulturellen Zusammenarbeit sind Spannungen, die auf dem unterschiedlichen Verständnis von Hierarchie, Beruf, Medien und Ästhetik beruhen, nie ganz auszuschließen. Obwohl alle Mitarbeiter die Sprache des anderen mindestens passiv beherrschen, kommt es gelegentlich zu Missverständnissen, die bestenfalls zu gemeinsamem Lachen, schlimmstenfalls zu Verstimmungen führen. Selbst die zeitliche Einteilung Programms ist bei einem Sender, der auf unterschiedliche Essenszeiten und mediale Gewohnheiten der Zuschauer in Deutschland und Frankreich Rücksicht nehmen muss, nicht selbstverständlich. Alles in allem handelt es sich dabei um interkulturelle Abstimmungs- und Verständigungsprobleme, wie sie heute auch in zahlreichen anderen transnationalen Unternehmen und internationalen Organisationen zu finden sind. Seit dem Sendestart am 30. Mai 1992 wird ARTE seinem europäischen Anspruch zunehmend gerecht. Der Sender hat vergleichsweise viele Zuschauer in den ehemals sozialistischen Staaten, und im außereuropäischen Raum wie dem Maghreb wird ARTE durchaus als europäisches Fernsehen wahrgenommen. ARTE repräsentiert zwar nicht die gesamteuropäische Öffentlichkeit, ist aber zu einem wichtigen Kulturforum und zu einem schwergewichtigen Akteur des europäischen Kommunikationsraums geworden. Weitere Gesellschafter sind der ARTE G.E.I.E. zwar nicht beigetreten, doch sind verschiedene assoziierte Mitglieder und Kooperationspartner hinzugekommen.[7]



[1] Vgl. die Quellen „Vertrag zwischen den deutschen Bundesländern und der Französischen Republik zum Europäischen Fernsehkulturkanal“ vom 2. Oktober 1990 und „Gründungsvertrag der ARTE G.E.I.E“ vom 30. April 1991.

[2] Die European Broadcast Union oder Union der europäischen Rundfunkorganisationen war 1950 gegründet worden.

[3] EINS PLUS diente damals als Testkanal für die europäische Entwicklung eines hochauflösenden, digitalen Fernsehformats (HD-MAC). Der Sender wurde nach Streichung der EU-Mittel 1992 eingestellt, und die ARD trat dem Verbund-Sender 3sat bei. Seit 2005 gibt es wieder einen (digitalen) ARD-Sender namens EINS PLUS, hinter dem sich allerdings ein Informationsprogramm mit Elementen der Verbraucherberatung verbirgt.

[4] Gräßle, Inge, Vergangene Zukunft. ARTE in der europäischen Fernsehlandschaft, in: Dokumente 50 (1994), S. 212-216, hier S. 213.

[5] Die ostdeutschen Bundesländer sind dem zwischenstaatlichen Vertrag am 9. November 1996 beigetreten. Bereits seit dem 1. Januar 1995 gehören jedoch der MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) und der ORB (Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg) der ARTE Deutschland TV GmbH an.

[6] Der Kunstbezug suggerierende Name ARTE steht für Association Relative à la Télévision Européenne (deutsch etwa: „Vereinigung für das Europäische Fernsehen“).

[7] Zum Beispiel das frankophone belgische Fernsehen RTBF seit 1993, der öffentlich-rechtliche polnische Sender TVP und das ORF (Österreich) seit 2001; Kooperationsvereinbarungen gibt es mit der spanischen TVE und dem Schweizer Fernsehen SRG seit 1995, mit der italienischen RAI seit 1998 und dem niederländischen Fernsehen NPS seit 2001.


Literaturhinweise:


  • Gräßle, Inge, Der europäische Kulturkanal ARTE. Deutsch-französische Medienpolitik zwischen europäischem Anspruch und nationaler Wirklichkeit, Frankfurt am Main 1995.
  • Hahn, Oliver,
  • Lefort, Pierre, La vocation européenne de La Sept. La coopération franco-allemande sur le projet de la chaîne culturelle européenne, in: Bulletin de l’Institut Pierre Renouvin 21 (2005), (02.02.2009).
  • Meckel, Miriam, Fernsehen ohne Grenzen? Europas Fernsehen zwischen Integration und Segmentierung, Opladen 1994.
  • Schmid, Dieter, Der Europäische Fernsehkulturkanal ARTE. Idee und Rechtsgestalt nach deutschem und europäischem Recht, Berlin 1997.

Zwischenstaatliche Verträge zur Gründung des Europäischen Kulturkanals ARTE; Vertrag zum Europäischen Fernsehkulturkanal (2. Oktober 1990) und Gründungsvertrag der ARTE G.E.I.E. (30. April 1991); [Auszüge]

Quelle 1:

Vertrag zwischen den deutschen Bundesländern und der Französischen Republik zum Europäischen Fernsehkulturkanal[1]

vom 2. Oktober 1990

[…]

Das Land Baden-Württemberg

der Freistaat Bayern

das Land Berlin

die Freie Hansestadt Bremen

die Freie und Hansestadt Hamburg

das Land Hessen

das Land Niedersachsen

das Land Nordrhein-Westfalen

das Land Rheinland-Pfalz

das Saarland

das Land Schleswig-Holstein,

vertreten durch die Ministerpräsidenten,

und die Französische Republik,

vertreten durch Herrn Jack Lang, Minister für Kultur, Kommunikation, große Baumaßnahmen und für die 200-Jahr-Feier der Französischen Revolution und Frau Catherine Tasca, Staatsministerin für Kommunikation beim Minister für Kultur,

das Vorhaben der französischen Fernsehgesellschaft La Sept sowie der von den deutschen öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten der ARD und dem ZDF gegründeten Beteiligungsgesellschaft begrüßend, eine gemeinsame unabhängige Fernsehgesellschaft mit kultureller und europäischer Ausrichtung mit Sitz in Straßburg, nachstehend „Europäischer Fernsehkulturkanal“ (EKK) benannt, zu errichten,

in dem Bestreben, das Verständnis und die Annäherung zwischen den Völkern in Europa zu festigen,

in dem Wunsch, den Bürgern Europas ein gemeinsames Fernsehprogramm anzubieten, welches der Darstellung des kulturellen Erbes und des künstlerischen Lebens in den Staaten, Regionen und der Völker Europas und der Welt dienen soll,

in der Absicht, die Ausstrahlung eines solchen europäischen Fernsehangebots gemäß den Grundsätzen des freien Flusses von Informationen und Ideen sowie der Unabhängigkeit von Rundfunkveranstaltern zu gewährleisten,

sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1

Der EKK hat die alleinige Verantwortung für die Programmplanung. Er ist gleichermaßen verantwortlich für die Programmrealisierung, die er ebenso wie die Verwaltung des Personals und die Haushaltsbewirtschaftung unter ausschließlicher Aufsicht und Kontrolle der Gesellschafter wahrnimmt und damit unabhängig von staatlichen Eingriffen einschließlich unabhängiger Instanzen der Gestaltung des Rundfunkwesens des Sitzlandes. Ebenso steht die Leitung, die Verwaltung und die Bezahlung des Personals sowie der Haushaltsplan der französischen und deutschen Gesellschafter des EKK in der alleinigen Verantwortung dieser Gesellschafter.

Die französischen und deutschen Gesellschafter bestimmen vertraglich die Regeln für die Gestaltung des vom EKK ausgestrahlten Programms. Diese Regeln sind in dem Gesellschaftsvertrag des EKK enthalten.

Artikel 2

Das Programm wird über den Rundfunksatelliten TDF abgestrahlt. Die Vertragsstaaten streben darüber hinaus an, durch Bereitstellung zusätzlicher Übertragungswege eine möglichst gleichgewichtige Versorgungsreichweite zu erreichen.

Artikel 3

Die französische Regierung verpflichtet sich, dass die deutschen und französischen Finanzleistungen für den EKK nicht durch die Zahlung von Mehrwertsteuern verringert werden.

Artikel 4

Weitere deutsche Länder können diesem Vertrag beitreten. Der Vertrag steht zudem jedem Mitgliedsstaat des Europarates und jeder Vertragspartei des Europäischen Kulturabkommens zum Beitritt offen, wenn Fernsehveranstalter solcher Staaten Gesellschafter des EKK geworden sind oder werden sollen. […]

[…]

Quelle 2:

Gründungsvertrag der ARTE G.E.I.E.[2]

vom 30.April1991

(idF v. 17.10.2001)

[…]

Artikel 1: Gründung

Zwischen den Unterzeichneten [Jérôme Clément für La SEPT und Winfried Enz für ARTE Deutschland GmbH] und allen, die mit irgendeinem Titel Mitglieder werden können, wird eine Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung gegründet […]. […]

Artikel 2: Gegenstand der Vereinigung

2.1. Gegenstand der Vereinigung ist es, Fernsehsendungen zu konzipieren, zu gestalten und durch Satellit oder in sonstiger Weise auszustrahlen oder ausstrahlen zu lassen, die in einem umfassenden Sinne kulturellen und internationalen Charakter haben und geeignet sind, das Verständnis und die Annäherung der Völker in Europa zu fördern. […]

[…]

Artikel 3 Bezeichnung und Sprache

[…]

3.4. Geschäfts- und Arbeitssprachen sind Französisch und/oder Deutsch. […] Dem Personal der Vereinigung ist freigestellt, sich mündlich und schriftlich französisch oder deutsch zu äußern. Die Vereinigung verpflichtet sich, dem Personal die für das Verstehen der beiden Sprachen notwendige Ausbildung zu verschaffen; dies gilt ebenso für Mitglieder der Vereinigung und ihr Personal.

[…]

Artikel 10: Aufnahme neuer Mitglieder und Kooperation mit anderen Partnern

10.1. Die Vereinigung kann im Verlauf ihres Bestehens neue Mitglieder aufnehmen. Voraussetzung ist, dass die neuen Mitglieder ihren Sitz oder ihre Hauptverwaltung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union haben.

10.2. Die Vereinigung kann andere Rundfunkveranstalter oder sonstige Dritte als assoziierte Mitglieder mit konsultativen Mitwirkungsrechten beteiligen. […]

[…]

Artikel 18: Programmbeirat

18.1. Jedes der Gründungsmitglieder der Vereinigung benennt acht Vertreter des kulturellen Lebens aus seinem Sitzland als Mitglieder des Programmbeirates. Im Falle des Beitritts weiterer Mitglieder entsenden diese aus ihren Ländern eine der Zahl der Mitgliederstimmen entsprechende Zahl von Beiratsmitgliedern.

[…]

Artikel 19: Programmgrundsätze, -Erstellung, -Verantwortung

19.1. Die Programme der Vereinigung unterliegen folgenden Grundsätzen:

- Unabhängigkeit, Pluralismus und Ausgewogenheit der angebotenen Sendungen. Die
Sendungen dürfen keine einseitige Unterstützung vor allem einer Regierung, von Parteien oder anderen Akteuren des sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Lebens enthalten;

[…]

Artikel 20: Herkunft des Personals, soziale Stellung der Angestellten der Vereinigung

20.1. Das Personal der Vereinigung kommt, soweit möglich, aus den Ländern der Mitglieder entsprechend ihren Stimmzahlen. […]

[…]

Artikel 31: Beginn der Sendetätigkeit

Die Vereinigung wird die Sendetätigkeit frühestens dann aufnehmen, wenn ihr besonderer rundfunkrechtlicher Status durch Wirksamwerden des in Art. 2.4 benannten zwischenstaatlichen Abkommens oder durch eine Freistellungserklärung der sonst für Rundfunkveranstalter in Frankreich zuständigen Stelle sichergestellt ist.

[…]


[1] Der vollständige Titel des Vertrages lautet „Vertrag zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Freistaat Bayern, Berlin, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und der Französischen Republik zum Europäischen Fernsehkulturkanal“; er ist in Gänze nachzulesen unter der URL: (02.02.2009).

[2] Der Gründungsvertrag der ARTE G.E.I.E. ist in Gänze nachzulesen unter der URL: (02.02.2009).


Zugehöriger Essay:
Haltern, Nina Johanna: Europa im Fernsehen. Die Gründung des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE
Für das Themenportal verfasst von

Nina Johanna Haltern

( 2009 )
Zitation
Nina Johanna Haltern, Europa im Fernsehen. Die Gründung des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2009, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1474>.
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