Die Instruktionen des sächsischen Hofes und der Reiseplan Johann Ernst Hebenstreits (ca. 1730)
1. Instruktionen des sächsischen Hofes[1]
Nachdem Ihro Königl. Maj. in Pohlen Churfürstl. Durchl. zu Sachssen allergnädigst gesonnen Doct. Joh. Ernst Hebenstreiten nebst einigen ihm zugeordneten nach Africa zu schicken, umb daselbst vor dero Cabinettes und Menagerie, Thiere, Vögel, Kräuter, Blumen, Gewächse, Steine, nebst vielen andern Dingen, wovor D.Hebenstreit eine aparte Specification bekommen, zu colligiren, so ist
D. Hebenstreit als Director
Christian August Ebersbach, Dessinateur
Christian Gottlieb Ludwig, Botaniste
Zacharias Philipp Schulze, Anatomiste
Johann Heinrich Buchner, Mechanist
Christian Friedrich Schuberth, ein Mahler,
verpflichtet worden, dass D. Hebenstreit alles nach seiner Pflicht und Gewissen mit bester möglicher Menage einkauffen, und alles dahin richten solle, damit überflüssige Depancen[2] vermieden werden, die andern 5. benannte Personen sollen Ihm als ihren Vorgesezten allen Respect und Gehorsam zu erzeigen, schuldig seyn, und als Königl. verpflichtete Diener gegen Ihro Maj. mit aller Treue such aufzuführen wissen.
2. Sollte D. Hebenstreit auf dieser Reise nach Göttl. Willen versterben, so soll Christian August Ebersbach als Director denen andern vorgesezet seyn
3. Die Reise soll D. Hebenstreit den nechsten Weg nach Marseille thun, und von dar sich nach der Barbarey[3] einschiffen, nachdem er in diesen Landen, das was zu finden angeschaffet, soll er selbiges an den ersten See-Hafen wie er es gut befinden wird, abschicken, und einen von der Compagnie mit darzu geben, vor die Erhaltung der lebendigen Thiere gute Aufsicht zu tragen.
4. Von dar soll er nach Guinea, und nach vollbrachter Expedition daselbst soll er weiter nach Capo di Bonna Esperanza[4] abgehen und von dar nach denen andern Ländern, wie er vor gut befinden wird.
5. Er soll ein ordentliches Diarium[5] halten und bey ieder abgehender Gelegenheit die Relation was er eingeschaffet und die Rechnung an Ihro Königl. Maj. durch Dero würcklichen Geh. Rath und Cämmer von Brühl[6] einsenden, und zwar soll er allezeit die Relationes in duplo und triplo mit differenten Schiffen abschicken, damit wenn eins verlohren ginge, man das andere noch hätte.
6. Die Einkauffung derer Sachen überlässt man seiner Pflicht und Gewissen.
7. Die lebendigen Thiere soll er in duplo oder triplo kauffen und abschicken, damit wenn eines unter Weges crepirete, man doch die andern lebendig hätte, auch soll er zu Fortschaffung und Warttung der Thiere Personen annehmen oder Sclaven und Mohren kauffen, sich absonderl. aber fleissig informiren was zu Fütterung und Warttung der Thiere nöthig und wie solche bei vorstossenden Krankheiten in acht zu nehmen.
8. Die Versendung wird er nach Gelegenheit der Sachen thun, und entweder nach Marseille, London, Amsterdam, Hamburg abschicken, es werden auch Ihro Maj. an Dero an selbigen Orthen befindl. Ministres ordre ertheilen, die fernere Beförderung zu besorgen und beschleunigen. Es wird indessen D. Hebenstreiten seiner Prudenz überlassen, die Sachen wie sichs am besten thun lässt auf ein oder zwey Schiffe zu geben.
9. Er soll fleissig alle Sachen abmahlen lassen und die Schildereyen iederzeit überschicken, desgleichen was er nicht lebendig fortbringen kann, die Sceleta Häute gut zu conserviren suchen, auch sein Journal in guter Ordnung halten und alles notable bemerken.
10. Ihro Königl. Maj. wollen ihm nicht allein nebst dessen Reise Compagnie und erhandelte Sachen, einen Pass von Dero Hohen Hand ertheilen, sondern verschaffen ihm auch zugleich von denen Königen von Frankreich und Engellandt, wie auch Herren General Staten von Holland zu Sicherheit ihrer Personen Pässe und Recommendationes[7] an Dero in Africa sich aufhaltenden Consuls Facteurs[8] und Agenten.
11. Ihro Maj. werden an D. Hebenstreit zur Reise Rthlr.
zahlen lassen, worüber er richtige Rechnung führen wird.
12. Ihro M. werden D. Hebenstreit an alle Pläze Credit-Briefe mit geben, damit er allezeit das benöthigte Geld heben könne,
13. Ihro Maj. concediren[9] allergn. D. Hebenstreiten über das Fuhrlohn und Postgeld täglich zu seiner Unterhaltung 2 Rthlr. und wollen ihm aus Dero Ober-Consistorio ein Stipendium oder Pension zugleich allergnädigst verordnen, denen andern 5. Personen aber soll täglich einen jeden 16 g. Gr. und jährl. Einhundert Thlr. allergnädigst concediret werden (von medio Augusti zu nehmen)
14. Es haben Ihro Maj. dem D. Hebenstreit aus Dero Hoff Apotheke einige Medicamente und zu der Sicherheit zwey Büchsen, zwey Flinten und zwey paar Pistohlen, und einen ieden ein Reise Kleid allergn. concediret.
15. Wann D. Hebenstreit nebst seiner Compagnie zurücke kombt, und nach Vergnügen Ihro Maj. seine Commissiones executiret, werden Dieselbe sein und seiner 5. Personen Beförderung allergnädigst eingedenck seyn.
16. Die Zeit zur Reise können Ihro Maj. nicht so gewiss bestimmen, sie sind aber allergnädigst zufrieden, wenn die Reise in zwey bis drey Jahren könne vollbracht werden.
17. Es wird D. Hebenstreit alle Vorsichtigkeit, Behutsamkeit, Sorgfalt zu Conservation ihrer Personen und derer acqurirten Sachen zu gebrauchen wissen, hingegen wollen Ihro K. Maj. Ihm oder seiner Compagnie die Casus fortuitos[10] wenn ein oder das andere Thier sterben oder sonst verunglücken sollte, und dergl. Fälle ihnen nicht zurechnen.
2. Der Reiseplan Johann Ernst Hebenstreits[11]
Nachdem ich auf allerhöchsten Königl. Befehl die Reiße nach Africa übernommen und zu gewißenhafter Verwaltung meines Ampts bereits den Eyd der Treue abgelegt, habe ich zu Ausfertigung meiner Instruktion nach Vorschrifft theils derer von Ihro Königl. Majesté erhaltenen Befehle, theils derer von dem Herrn Hoffrath und Leib Medico von Heucher[12] gegebene Nachrichten folgende puncte entworffen:
Ich soll zwar in allen Reichen der Natur das seltsamste und der attention eines Königs würdigste aufnehmen, vornehmlich aber ist Ihro Kgl. Maj. allerhöchster Wille, lebendige Tiere von allen möglichst zu erhaltenden Arten zu übersenden, von welchem Hauptpunkte als der vornehmsten Absicht ich durchaus nicht abweichen soll. Darnach werde ich mich bemühen, nachdem ich verstanden, daß dieses des Königs Wille sey
1.) Einige wohlgewachßene junge gesunde, meiner Statur gleich seyende oder auch übertreffende Mohren auf dem Sklaven Handel zu Guinea oder sonst woher zu erkauffen, und werde ich mich, wegen der Anzahl dieser, nach der Bequemlichkeit des Transports richten.
2.) Barbarische Pferde, von der wahrhaften Race, so wie solche in denen Ställen derer Deys und Könige allein unterhalten werden, zu erhandeln, wobey ich mich des Raths der Sache Kundiger bedienen und da bekandt, daß gedachte Pferde gegen Gewehre vertauscht werden, den Handel mit Zuziehung eines Consuls einer Europäischen Nation, welcher die Garantie über sich nehmen soll, zu seiner Richtigkeit bringen werde.
3.) Ich werde etliche Elephanten erkauffen, die ich baldmöglichst in denen Europa näher gelegenen Küsten aufnehme, umb diesen Thieren die Ihnen beschwerliche Schiff Fahrt kürtzer zu machen, und da ein weiter Weg zu Lande biß hieher gleichfalls zu evitieren[13], werde ich solche auf Amsterdam gehen laßen, und soll ich zu dererselben und anderer Thiere und Sachen, deren ich soviel als möglich eine Anzahl auf einmahl senden will, Begleitung einen meiner Gefehrten mitsenden, welcher die Verpflegung, Speiße, Gewohnheiten und Krankheiten derer Thiere und deren Cur erlernet habe; bemeldetem Studioso kan ein oder mehrere Thier Wärter zugeordnet werden.
4.) Ich will einige Strauße verschiedenes Geschlechts aufnehmen, und diejenigen Nachrichten einziehen, welche zu der Vermehrung dieser Thiere allhier etwas beytragen können.
5.) Ich werde mich bemühen, junge Löwen beiderley Geschlechtes, junge Leoparden, Panther, seltene Arten von Affen und Pavians, Africanische Esel und Maulthiere, Africanische Hirsche und Rehe, insofern solche von denen bereits gegenwärtigen unterschieden sind, Rhinocerose, auch Casuarios[14], Vauvaux, oiseaux de Couronne[15], auch andere Thiere wie sie Nahmen haben mögen, daferne sie frembde und in denen Königlichen Thier Häusern noch nicht vorräthig sind, zu bekommen, welche alle ich doppelt nehmen und wohl besorgen will.
6.) Gedachter Thiere Squelette, Häute, sonderlich schöne Vögel so wie sie Nahmen haben mögen, will ich auf möglichste Art und Weise zu acquirieren suchen, und diejenigen, welche unmöglich lebendig zu überbringen sind, ausgestopft oder gemahlt, auch genugsam beschrieben einsenden.
7.) Ich will die Historie derer Fische auf das genaueste untersuchen, und nach dem mir dießfalls gemachten Entwurf dieselben getrocknet oder in Spiritu Vini[16] conseviret, samlen, auch mich bemühen, von denen großen Meer Fischen zum wenigsten einige Theile zu erhalten.
8.) Hiernächst will ich nach dem schon bemeldeten Haupt Entzwecke große Thiere zu erhalten, die Conchylien[17], auch fliegende oder kriechende Insecta, insonderheit Schlangen und dererselben verschiedene Arten, genau observiren, und was von denenselben ganz oder in Theilen oder genau gezeichnet überkommen werden kan, sammlen und wohl verwahren und überhaupt nichts verabsäumen, was zu der Vollkommenheit der Natürlichen Historie von denen Thieren einigen Beytrag thun kann.
9.) Insonderheit befehlen Ihro Königliche Majestät, aller Nationen, welche ich zu sehen Gelegenheit haben werde, Kleidungen, Getränke, Speiße und darzu und zu andern Verrichtungen bei Ihnen übliches Geräthe, auch Kriegs-Instrumente, Bogen, Pfeile und Gewehr, wie es Nahmen haben mag, wie nicht weniger die aus Häuten verschiedener Thiere bei Ihnen gemachte impenetrablen[18] Schilder, die daselbst gewöhnlichen Vergifftungen derer Pfeile und dergleichen, auch Pagoden, und was sonst zum heydnischen Gottesdienst gehört, wie auch Musikalische und zu denen Spielen gebräuchliche Instrumente, nebst Betten und Haußgeräthe und andere die Sitten und Gewohnheiten derer Völker angehende Dinge aufzunehmen und einzubringen.
10.) Aus dem Reiche der Vegetabilia werde ich die frembden Africanischen Kräuter in möglichster Vollkommenheit auflegen, dererselben Saamen frisch sammeln und zu künfftigem Wachßthum frembder Kräuter in Ihro Majestät Garten Anstalt machen, auch von denen eßbaren Früchten, die bey uns nicht bekandt sind, die Arten zu bekommen trachten, die fruchttragenden und andere seltene Africanische Bäume, so viel es sich tun läst aufnehmen, sonderlich die Cultur des Zucker Rohrs und deßen Zubereitung erlernen, überhaupt alles thun, was zu Vermehrung der Kräuter Wißenschaft dienen kan.
11.) Die Meergewächse will ich genau untersuchen und große Cabinet-Stücke von allen Arten derer Corallen, Schwamm und Korn Gewächße, wie auch Botanophyta und was vermöge der in Händen habenden Notiz von diesen Sachen zu Vermehrung derer Sammlung in denen Königlichen Cabinets gereichen kann, aufnehmen und übersenden.
12.) In dem Reiche derer Mineralien will ich die vorfallende Gelegenheiten allerhand Stuffen und Berg Arten, Quartze, Drußen, Steine, Marmor, Achat, Jaspis und was in diese Sammlung gehört, zu erhalten, wohl inacht nehmen, insoferne hierinne etwas gefunden werden kan, das in dem Berg-Cabinet Ihro Königl. Majestät noch nicht vorräthig ist.
13.) Hiernächst werde ich besorgt seyn, die vorkommenden Antiquitäten, Monumenta, Inscriptiones, Manuscripta, Mahlereyen, auch Contrefaits derer Königlichen und anderer der attention würdigen Persohnen zu acquirieren, wie nicht weniger die alten Punischen, Vandalischen und andern Nummos (Münzen), nach einer besonderen von Herrn Hoffrath Fritschen gegebenen Instruction aufzunehmen.
14.) Sollte ich auf meiner Reiße durch Europa biß Marseille in einigen Cabinets derer Curiosen etwas seltenes observiren, werde ich, umb die Zeit nicht zu verliehren, von demselben an des Herrn Geheim Raths von Brühl Excellentz genaue Nachricht geben, oder auch nach Beschaffenheit der Sache dasselbe würcklich ankauffen.
15.) Und da ein mehreres Gelegenheit, Zeit und Art angeben dürffte, werde ich auf alle Umbstände genau acht haben, und was auch gegenwärtig nicht übersehen werden kan, dennoch sobald sich der Fall ereignet, ohne Vorschrift nach Pflicht und Gewißen untersuchen und aufbringen.
16.) Zu dieser Reise haben Ihro Königl. Majestät mir dreyer Jahre Zeit allergnädigst ohngefähr vorgeschrieben.
17.) Auch habe ich Erlaubniß erhalten, nach vorfallenden Umbständen in einigen Orten nach Erforderung der Nothwendigkeit zu bleiben oder auch von dem ordentlichen Wege hier oder dahin abzuweichen, wenn Ihro Königl. Majestät Nutzen dadurch befördert werden kann.
18.) Und da ich in Erfahrung bringen könnte, daß in denen entlegenen Provinzen mit einigen Waaren vortheilhaftig gegen andere Seltenheiten könte umbgesetzt werden, haben Ihro Königl. Majestät erlaubt, einigen Vorrath statt baaren Geldes in Marseille oder sonst zu nehmen.
19.) Es haben Ihro Königl. Majestät die Gnade gehabt zu versichern, daß dieselben die ohngefehren Unglücks Fälle bey möglichst gebrauchter Vorsicht mir oder meiner Gesellschaft nicht zurechnen wollen.
Es haben Ihro Königl. Majestät aus dero Procuratur Amte[19] mir jährlich 200 Rthlr. pension allergnädigst ausgemacht.
Es haben Ihro Königl. Majestät zu meiner Verpflegung mir täglich 2 Rthlr., jedwedem derer Gefehrten 16 Gr. allergnädigst angewiesen, über welche tägliche 16. Gr. ich einen jedweden zu fernerer Nothwendigkeit jährlich 200 Rthlr. reichen soll.
Ich soll die auf Voiture[20], Quartiergeld und würckliche Ankäuffe gewendete Gelder berechnen und ordentlich, soviel es die Gelegenheit erlaubet, die Belege und Rechnungen hiervon einschicken.
[1] Wiedergegeben nach Grosse, Martin, Die beiden Afrikaforscher Johann Christian Hebenstreit und Christian Gottlieb Ludwig. Ihr Leben und ihre Reise, in: Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Leipzig Nr. 11, 1901. Leipzig 1902. S. 1–87.
[2] Dépense, frz. Ausgabe.
[3] Barbareskenstaaten, Reihe nordafrikanischer Staaten.
[4] Kap der Guten Hoffnung.
[5] Tagebuch.
[6] Heinrich von Brühl (1700–1763).
[7] Empfehlungsschreiben.
[8] Faktor, Leiter einer Handelsniederlassung.
[9] Concéder (frz.) bzw. concedere (lat) – zugestehen, bewilligen.
[10] Casus fortuitus (lat.), zufälliges Ereignis, Schicksalsschlag.
[11] Wiedergeben nach Grosse, Martin, Eine sächsische Afrika-Expedition vor zweihundert Jahren, in: Landesverein Sächsischer Heimatschutz Dresden. Mitteilungen, Heft 1 bis 3, Band XII, Dresden 1923, S. 119–125, hier S. 120–123.
[12] Johann Heinrich von Heucher (1677–1747), Leibarzt August des Starken und Leiter des Dresdner Naturalienkabinetts.
[13] Evitare (lat.), vermeiden.
[14] Es sind vermutlich Kasuare gemeint – Laufvögel, die in Neuguinea und Australien, aber nicht in Afrika vorkommen.
[15] Nicht identifizierbare Vogelart.
[16] Alkohol.
[17] Schalen von Weichtieren (u.a. Muscheln).
[18] Undurchdringbar.
[19] Vermögensverwaltung.
[20] Frz. für Kutsche.