"Auch die neue europäische Wirtschaft muß organisch wachsen" Walther Funks Rede "Die wirtschaftliche Neuordnung Europas" vom 25. Juli 1940 im Kontext zeitgenössischer Europavorstellungen

Nachdem die Wehrmacht im Mai und Juni 1940 Frankreich besiegt und dabei Belgien, die Niederlande und Luxemburg besetzt hatte, standen weite Teile Europas direkt unter deutscher Herrschaft. Andere unterlagen dem indirekten Einfluss des Reiches, waren mit Deutschland verbündet oder vertraten offiziell eine neutrale Haltung. Während die deutsche Armee in der Folgezeit versuchte Großbritannien, das letzte Relikt der alten europäischen Ordnung, militärisch zu beseitigen, stellte sich die Frage, wie die Zukunft des Kontinents unter deutscher Hegemonie aussehen würde. [...]

„Auch die neue europäische Wirtschaft muß organisch wachsen.“ Walther Funks Rede „Die wirtschaftliche Neuordnung Europas“ vom 25. Juli 1940 im Kontext zeitgenössischer Europavorstellungen[1]

Von Raimund Bauer

Nachdem die Wehrmacht im Mai und Juni 1940 Frankreich besiegt und dabei Belgien, die Niederlande und Luxemburg besetzt hatte, standen weite Teile Europas direkt unter deutscher Herrschaft. Andere unterlagen dem indirekten Einfluss des Reiches, waren mit Deutschland verbündet oder vertraten offiziell eine neutrale Haltung. Während die deutsche Armee in der Folgezeit versuchte Großbritannien, das letzte Relikt der alten europäischen Ordnung, militärisch zu beseitigen, stellte sich die Frage, wie die Zukunft des Kontinents unter deutscher Hegemonie aussehen würde.

Als Walther Funk[2] am 25. Juli 1940 vor Vertretern der nationalen und internationalen Presse mit seiner Rede „Die wirtschaftliche Neuordnung Europas“[3] seine Vision der ökonomischen Zukunft des Kontinents öffentlich machte, fanden seine Ausführungen dementsprechend im In- und Ausland großen Widerhall. Während sie sich in der deutschen Öffentlichkeit in die rege Diskussion um die künftige Gestalt Europas einfügte,[4] nahm man im Ausland die erste offizielle Stellungnahme eines ranghohen deutschen Amtsträgers zum Anlass für eigene Überlegungen.[5] In Großbritannien etwa sah man sich genötigt, den nationalsozialistischen Planungen eigene Entwürfe entgegenzustellen. John Maynard Keynes allerdings empfahl, Funks Vorstellungen aufzugreifen, denn sie wären „just what we ourselves ought to be thinking of doing.“[6]

Obwohl Funk nach eigenem Bekunden nicht beabsichtigte, die endgültige Nachkriegsgestaltung Europas zu umreißen, sondern lediglich den grundsätzlichen Weg dorthin aufzeigen wollte, so wurde er – in einigen Bereichen – doch konkret. Ihm zufolge würde die zu schaffende „Europäische Großraumwirtschaft“ bzw. der „europäische Großraum“ „organisch“ „aus den natürlichen Gegebenheiten herauswachsen“, die eine Zusammenarbeit ohnehin begünstigten. Wie schon im nationalsozialistischen Deutschland sollte der Weg zu einer solchen „gesunden europäischen Wirtschaft“ und zu einer „vernünftigen wirtschaftlichen Arbeitsteilung“ nicht über das „freie[n] Spiel der Kräfte“ führen, sondern über systematische Organisation. Zentral hierfür war der Anschluss aller Länder an ein europäisches Zentralclearing, durch das der Handel zu festen Wechselkursen und in Reichsmark abgewickelt werden sollte. Dieses wirtschaftlich geeinte Europa würde dann auf eine grundsätzliche Autarkie hinsteuern, die zugunsten der Lebensqualität durch den Export von Fertigwaren und den Import von Rohstoffen ergänzt werden könne. Als mögliche Handelspartner kamen Russland, „der naturgegebene Komplementär für die hochentwickelten Industriestaaten“, Ostasien, wo Japan im Begriff sei, wieder „stabile wirtschaftliche Verhältnisse“ herzustellen, und die Vereinigten Staaten, sollten sie von ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik abgehen, in Frage. Nur ein geeintes und solidarisches Europa könnte diesen „wirtschaftlichen Gruppen in der Weltwirtschaft“, diesen „außereuropäischen Gebilde[n]“ endlich auf Augenhöhe begegnen.


„Die wirtschaftliche Neuordnung Europas“ in der Tradition deutscher Europavorstellungen

Die Motivlagen und Argumentationsmuster, auf denen Walther Funks Vorstellung eines wirtschaftlich umorganisierten Europas basierten, waren weder neu noch genuin nationalsozialistisch. Sicherlich wähnten sich Mitte 1940 vor allem Nationalsozialisten dem Ziel ihrer Träume nahe, doch das ‚organische‘ Zusammenwachsen Europas zu einem international konkurrenzfähigen Großwirtschaftsraum war in der Zwischenkriegszeit auch in anderen politischen Lagern diskutiert und gefordert worden.

Die größte Schnittmenge wiesen Funks Ausführungen mit denjenigen Vorstellungen auf, die in der Zwischenkriegszeit am rechten Rand des politischen Spektrums die Diskussion bestimmten. Dort galt die von Frankreich gewollte und gestützte europäische Ordnung seit jeher als Fortsetzung des Ersten Weltkrieges mit anderen Mitteln. Für Gottfried Feder[7] etwa handelte es sich „um eine ganz große, letzte Entscheidung, um einen Weltkampf, um ein letztes Ringen zwischen Idealismus und Materialismus, Blut und Geld, Arbeit und Kapital, Licht und Finsternis“[8]. Insbesondere durch die Weltwirtschaftsskrise sah sich die deutsche Rechte in ihrer Haltung bestärkt. In dem Maße, in dem sich Frankreichs vermeintlich universalen Werte als ein für Deutschland fataler Irrweg zu entpuppen schienen, wurden die Rufe lauter, die forderten anstelle der gültigen materialistische Ordnung „neue politische Formen zu entwickeln, die dem Gesetz unseres Daseins und seines geschichtlichen Raumes entsprechen“.[9] Im Gegensatz zu den Anhängern der Paneuropa-Idee verstand man darunter allerdings keine europäische Gemeinschaftsaufgabe, sondern Deutschlands Sendung. In einem Buch von Hans Krebs[10] wird das augenscheinlich: Er setzte kurzerhand Deutschland an die Stelle von Europa und deutete damit eine zuvor von Richard Coudenhove-Kalergi[11] formulierte rhetorische Frage entscheidend um: „Kann Europa in seiner wirtschaftlichen und politischen Zersplitterung seine wirtschaftliche und politische Selbständigkeit den außereuropäischen Mächten gegenüber wahren – oder ist Deutschland gezwungen, zur Rettung seiner Existenz und ganz Europas, diesen Erdteil neu zu organisieren?“[12]

Auf die Frage, wie ein solches unter Deutschlands Vorherrschaft neu gestaltetes Europa konkret aussehen sollte, gab die deutsche Rechte vor und nach 1933 die gleichen Antworten. Eine Umorientierung in Richtung der agrarisch geprägten Staaten im Osten und Südosten schien vielen nicht nur aufgrund der räumlichen Zusammengehörigkeit und der – aufgrund sich ergänzender Wirtschaftstrukturen – ohnehin sehr engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit sinnvoll.[13] Letztlich waren „Deutschland und der europäische Südosten von der Natur bestimmt [...], sich gegenseitig zu ergänzen“[14]. Eine Abkehr vom „unorganischen weltwirtschaftlichen Güteraustausch“[15] würde zudem einen Schritt in Richtung Autarkie bedeuten. Selbst wenn unter einer solchen Selbstversorgung nicht zwangsläufig die völlige ökonomische Abschottung verstanden wurde, so sah man in der „Unabhängigkeit der Existenzgrundlage des Volkes“[16] nicht nur die notwendige „Basis zur Aufrichtung einer starken volkswirtschaftlich gesunden Großmacht“[17], sondern auch die einzige Möglichkeit für Europa, nicht in den Mühlsteinen einer von mächtigen wirtschaftlichen Großräumen geprägten Welt zerrieben zu werden.[18]

Auch in konservativen Kreisen lehnte man nicht nur die Ideen der Französischen Revolution – der „hohlen Scheinbilder Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“[19] – ab, sondern erkannte im ‚westlich-mechanischen‘ Status Quo das zum Scheitern verurteilte Gegenmodell zu einer ‚organischen‘ Ordnung.[20] Laut Gottfried Reinhold Treviranus[21] war es Deutschlands Aufgabe, diesen Fehler zu revidieren: „Es ist die Sendung des deutschen Volkes, führend dazu beizutragen, der friedlosen Welt neue tragende Gedanken zu bringen: zur Neuordnung des Rechts und zur Neuordnung der Wirtschaft“[22]. In den Augen vieler deutscher Konservativer stand es weitaus eher im Einklang mit der Natur, wenn sich Europas industrielles Zentrum mit den agrarisch geprägten Staaten im Osten und Südosten[23] arrangierte.[24] Auf diese Weise könnte sich in einer Art europäischer Arbeitsteilung jedes Land auf seine Stärken konzentrieren.[25] Letztlich würden beide Seiten davon profitieren, wenn die Industrienationen mehr absetzen und im Gegenzug die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Rohstoffen ankurbelten.[26] Um aber aus den sich ideal ergänzenden europäischen Wirtschaftsräumen eine international konkurrenzfähige Einheit formen zu können, musste Europas Zerrissenheit einer „solidarische[n] Staatengemeinschaft“ Platz machen.[27] Zusätzlich zu der von zahlreichen Studien belegten Kompatibilität von konservativen Wert- und Ordnungsvorstellungen mit der nationalsozialistischen Ideologie,[28] erweisen sich demnach insbesondere auch wirtschaftliche Konzepte als potenziell tragfähige Brücke in den Neuordnungs-Diskurs.

Zudem weist Funks Rede durchaus Parallelen zu den Konzepten auf, die in der Zwischenkriegszeit in demokratischen und liberalen Kreisen für Europas wirtschaftliche Zukunft entworfen worden waren. Auch wenn Kooperation und Verständigung im nationalsozialistischen Wortschatz weitgehend fehlten, so schien ihre Politik doch Europa zu der wirtschaftlichen Einheit zu zusammenzufassen, die Deutschlands politische Mitte als Gegenmaßnahme zu den allerorts entstehenden Großräumen angemahnt hatte. Während im Westen die Vereinigten Staaten, die praktisch einen gesamten Kontinent umfassten und über dessen Ressourcen verfügten, vor allem wirtschaftlich bedrohlich erschienen,[29] galt die noch größere Sowjetunion zudem als konkrete militärische Gefahr.[30] Für Coudenhove-Kalergi hießen die Alternativen daher entweder „Zusammenschluß Europas zu einem politisch-wirtschaftlichen Zweckverband“ „oder aber früher oder später der Eroberung durch Rußland zum Opfer zu fallen.“[31] In den Augen des Pazifisten Franz Carl Endres geriet Europa dadurch unter Zugzwang: „Erst die Vereinigung aller europäischer Staaten zu einem organischen Ganzen […] kann Europa wieder als gleichberechtigten Teilhaber und Faktor menschlicher Entwicklung auf der Erde machen. Erst sie ist in der Lage, den zur Bedeutungslosigkeit verurteilten Einzelstaaten Europas neues Leben einzuatmen, sie aus der Hoffnungslosigkeit ihres gegenwärtigen Zustandes herauszureißen .... das Abendland zu retten.“[32]

Obwohl Funks Ideen gesamteuropäischer Wirtschaftsplanung und wehrwirtschaftlicher Autarkie den Vorstellungen deutscher Demokraten und Liberaler genauso zuwider gelaufen sein dürften,[33] wie die absehbare Art politischer Herrschaft,[34] so tritt in der gemeinsamen Überzeugung, dass die „Schicksalsgemeinschaft“[35] Europa nur als wirtschaftliche Einheit – als „Großraumwirtschaft“[36] – in der Welt bestehen könne, ein gemeinsamer Nenner zutage. Und Europas ökonomische Dimension schien – liest man die folgende Aufzählung als Prioritätenliste – für einige wohl sogar wichtiger als die politische: „Ein Zoll, ein Geld, ein Markt, ein Wille, eine Freundschaft, ein Schicksal, das ist Europa, wie es sein soll und wie es werden kann.“[37]

Funks Rede weist sogar Schnittpunkte mit wirtschaftlichen Europavorstellungen auf, die Sozialisten und Sozialdemokraten in der Zwischenkriegszeit formuliert hatten. Obgleich für Nazi-Deutschland nicht die deutsch-französische Aussöhnung,[38] sondern der deutsche Einmarsch in Paris zur Keimzelle einer möglichen europäischen Einigung werden sollte, finden sich übereinstimmende Formulierungen und Denkmuster. Wie für viele Sozialisten und Sozialdemokraten in der Zwischenkriegszeit gehörten auch für Funk Großbritannien und Russland nicht zum zukünftigen Europa.[39] Zudem kursierte im linken politischen Spektrum ebenso die Vorstellung, dass schon die natürliche Beschaffenheit des Kontinents zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit dränge. In Wladimir Woytinskys[40] Augen etwa war es vielmehr die „verruchte Erbschaft seiner jahrtausendelangen Geschichte, die es [Europa] zerstückelt und zerfetzt hat“ und einer Einigung im Weg stand. Es galt also „den nationalen Egoismus zu überwinden“, die „Schicksalsgemeinschaft [zu] erkennen“ und „Europa aufrichtig als ein wirtschaftliches Gebiet, als ein Feld für […] gemeinsame Arbeit zu betrachten“[41]. Mit Blick auf die interne Funktionsweise dieses imaginierten kontinental-europäischen wirtschaftlichen Zusammenschlusses werden die Gemeinsamkeiten noch augenfälliger: Für Max Schippel[42] beispielsweise war eine Arbeitsteilung zwischen Europas industriellem Herz und seinen agrarischen Randgebieten zu beiderseitigem Vorteil. Während Deutschlands Absatz an Fertigwaren erhöht werden könnte, würde die daraus resultierende gesteigerte Nachfrage nach hochwertigen Nahrungsmitteln helfen, die Landwirtschaft zu intensivieren und Investitionen in verarbeitende Industrien ermöglichen.[43] Auch Max Cohen-Reuß[44] zeigte sich überzeugt von diesem Ansatz: „Arbeitsteilung und weitgehendste Herabsetzung der Zölle […] wird der Weg, vermutlich aber auch der einzige Weg, auf dem Europa zu einem neuen wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg gelangen kann.“[45] Und dieser Aufstieg war unerlässlich, wollte man Europa zurück zu Weltgeltung führen oder in einer von Großräumen dominierten Zeit zumindest vor dem Untergang bewahren.[46]

Die von den Nationalsozialisten angekündigte wirtschaftliche Neuordnung Europas stand demnach klar in der Tradition deutscher Europaideen. Vor dem Hintergrund der deutschen Europavorstellungen der Zwischenkriegszeit wird erkennbar, dass die von Walther Funk skizzierte Variante europäischer wirtschaftlicher Zusammenarbeit bei weitem nicht nur nationalsozialistisches und rechtskonservatives Gedankengut aufgriff und fortführte. Die Vorstellung einer Welt, die sich in wenige mächtige Großräume aufzuteilen schien, während Europa zersplittert und zerstritten in wirtschaftlichen und politischen Krisen versank, inspirierte verschiedenartige politische Lösungsansätze, kannte jedoch nur eine ökonomische Stoßrichtung: Europa musste einen Weg zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit finden.[47] Was Walther Funk im Juli 1940 vorstellte, war die nationalsozialistische Version dieses Konsenses.


„Die wirtschaftliche Neuordnung Europas“ im Kontext ihrer unmittelbaren Entstehung

Auch wenn Funks Rede zur wirtschaftlichen Neuordnung Europas im In- und Ausland breite Resonanz fand, so war sie doch nicht ausschließlich auf Außenwirkung getrimmt. Vielmehr fasste sie den Stand der nationalsozialistischen Europaplanungen und die damit verbundenen Zielvorstellungen zusammen, die aus dem internen Aushandlungsprozess über Europas wirtschaftliche Zukunft hervorgegangen waren.[48]

Innerhalb der Institutionen des NS-Regimes ging man davon aus, dass wirtschaftliche Großräume die Nachkriegszeit bestimmen würden. Daher, so schlussfolgerte die volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, würde der Weltmarkt an Bedeutung und Stabilität verlieren, sodass es angebracht schien den Grad der Eigenversorgung zu maximieren.[49] Insbesondere die südosteuropäischen Staaten und etwaige Kolonien sollten die Einfuhrabhängigkeit reduzieren helfen.[50] Auch in Werner Daitz‘[51] Augen war die Schaffung einer „das ganze europäische Festland umfassende[n] Großraumwirtschaft“ unbedingt erforderlich, um „den gewaltigen Wirtschaftblöcken Nord- und Südamerikas, dem Yenblock und dem vielleicht verbleibenden restlichen Pfundblock erfolgreich die Stirn“ bieten zu können. Dazu mussten zunächst die „abhängigen Länder West-, Nord- und Südosteuropas“ wirtschaftlich eingegliedert werden.[52] Die Analysen des Reichswirtschaftsministeriums kamen zu ähnlichen Ergebnissen: „Die allgemeine Entwicklungstendenz unserer Zeit führt mit der fortschreitenden Entwicklung der Verkehrstechniken zu großen Wirtschaftseinheiten mit zollpolitischer Einigung oder Annäherung. Als Beispiel seien genannt: Die Vereinigten Staaten von Amerika, Russland, das britische Imperium, Ostasien unter Japans Führung, die Gründung des Kolonialreichs Frankreichs und Italiens.“[53]

In Europa hätte, so die Denkschrift weiter, bislang der Vertrag von Versailles eine ähnliche Entwicklung gehemmt, nun aber könne Deutschland daran gehen, Europa zum Vorteil aller wirtschaftlich zu konsolidieren. Und dank „deutscher Organisationsfähigkeit und deutscher kaufmännischer Tüchtigkeit“ würde es Deutschland fraglos gelingen, „die natürlichen Kräfte und Bodenschätze Europas so zu entfalten, dass es jeder anderen wirtschaftlichen Mächtekonstellation gewachsen ist.“[54]

Dazu musste der Großraum jedoch ohne Lieferungen von außerhalb überlebensfähig, also zumindest grundlegend autark sein. Man war sich zwar darüber im Klaren, dass eine völlige Autarkie unerreichbar blieb,[55] dennoch bestimmte das Streben nach wirtschaftlicher Selbstversorgung vielerorts den Blick auf die eroberten und besetzten Volkswirtschaften. Während die Forschungsstelle für Wehrwirtschaft im Februar 1940 konstatierte, dass bereits ein großer Teil der kriegswichtigen Einfuhren aus Mitteleuropa gedeckt werden könne, bedurfte es in den Augen des Diplomaten Karl Ritter einer „jahrzehntelangen planmäßigen Arbeit“, um „die nordischen Staaten in den von Deutschland bisher schon verfolgten Plan einer wirtschaftlichen Großraumpolitik einzubeziehen.“[56] Schließlich waren die nun unter deutscher Herrschaft stehenden Gebiete von weiten Teilen ihrer bisherigen Einfuhren und Absatzgebiete abgeschnitten.[57] Entsprechend wurden verschiedene Studien in Auftrag gegeben, die die Möglichkeiten und Grenzen der gegenseitigen Ergänzung und Substitution ausloteten. Das Institut für Konjunkturforschung listete den Verbrauch, die Produktion und den Importbedarf aller europäischen Staaten auf,[58] während andere Institutionen, wie die Reichsbank oder das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des Oberkommandos der Wehrmacht, einzelne Länder analysierten.[59] Indem nun aber die beiden Haupthindernisse deutscher Europapolitik beseitigt würden, so zeigte sich Gustav Schlotterer[60] überzeugt, stünde einer „planvolle[n] Fortsetzung des Vierjahresplan-Programmes sowie der bereits vor dem Kriege eingeleiteten europäischen Politik“ nichts mehr im Wege. Zum einen fielen die Bedenken der anderen Staaten fortan nicht mehr ins Gewicht, denn „Deutschland habe die notwendige Macht in Europa.“ Zum anderen würde die Reichsmark zur dominierenden Währung, so dass Devisenprobleme der Vergangenheit angehörten. Auf diese Weise wäre Europa nach dem Krieg nicht auf einen umfassenden Außenhandel angewiesen, sondern könnte sich mit allem Lebensnotwendigen selbst versorgen.[61]

Um die Forderung nach einem den anderen Großräumen ebenbürtigen und weitgehend autarken Wirtschaftsraum umzusetzen, musste die von Deutschland errichtete Ordnung über den Krieg hinaus Bestand haben. Auf einem ersten interministeriellen Treffen im Mai 1940 war man sich einig, dass die bisherige Handels- und Zollpolitik dafür nicht die geeignete Grundlage bot. Nach Carl Clodius[62], Leiter der Handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, lag es daher nahe, „als Endziel die Währungs- und Zollunion anzustreben“. Schlotterer stimmte dem zunächst zu. Für ihn stand fest, dass „das wichtigste Mittel zu Herstellung einer Großraumwirtschaft die Währungsunion sei. Eine Zollunion genüge nicht mehr.“[63] Allerdings, so führte er knapp einen Monat später vor der Reichsgruppe Industrie aus, „sei aber eine Nivellierung im Lebensstandard und Preisniveau unmöglich. Strukturmäßige Unterschiede seien anzuerkennen. Daraus ergäben sich die Maßstäbe für die Beurteilung von Zoll- und Währungsfragen.“[64] Aus dieser Perspektive wiederum erschien eine so tiefgreifende wirtschaftliche Integration teilweise problematisch:

„Die Bildung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes in Europa mit deutscher Führung und unter Beteiligung anderer Völker soll und darf nicht zu einer Nivellierung der sozialen Lebensstandards führen. Bei einigen hochentwickelten und rassisch verwandten Völkern, wie den Skandinaviern oder den Niederländern kommt evtl. eine gewisse Anpassung an deutsche Normen in Frage. Eine Heranführung sozial und rassisch niedrig stehender Völker, wie z.B. der des Balkans an das deutsche Lebensniveau wäre politisch untragbar und wirtschaftlich auch unvernünftig. [...] Gegenüber den rassisch und sozial niedrig stehenden Völkern muss eine Wirtschaftsgrenze in Form einer Einfuhr- und Zollkontrolle bestehen bleiben, damit das Lebensniveau entsprechend unter dem deutschen gehalten werden kann.“[65]

Um also nicht einen Wirtschaftsraum zu schaffen, in dem Deutschlands – natürlich auch kriegsrelevante – Importinteressen durch eine Angleichung der Preise konterkariert würden, dürften die „Beratungen über die Neugestaltung Europas [...] nicht auf eine Währungs- und Zollunion beschränkt werden.“[66]

Letztlich setzte sich also eine andere Lösung durch, die viele Vorteile einer Zoll- und Währungsunion einzulösen versprach, ohne deren Nachteile mit sich zu bringen. Das Konzept eines europäischen Zentralclearing, das Funk als handels- und währungspolitischen Kern des neugeordneten Europa vorstellte, wurde vor allem von der Reichsbank vertreten und fand Schlotterers Unterstützung.[67] Mittels festgesetzter Reichsmark-Wechselkurse und der Abwicklung aller innereuropäischen Im- und Exporte eines Landes über das Clearingkonto, das das jeweiligen Land mit Deutschland unterhielt, wollte man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, ohne großes Aufsehen zu erregen. In der bestehenden deutschen Verrechnungskasse in Berlin sollten die europäischen Handels- und Finanzströme zusammenlaufen und in Reichsmark abgerechnet werden. Auf diese Weise ließe sich nicht nur die Reichsmark als Europas Leitwährung etablieren[68] und der „Handelsverkehr der kleineren Staaten Europas untereinander“[69] wunschgemäß zugunsten Deutschlands einschränken. Zusätzlich wollte man „die Europäischen Länder an Berlin als europäisches Finanzzentrum“[70] gewöhnen, „einen möglichst reibungslosen Zahlungsverkehr innerhalb des Großraumes“ gewährleisten und den Weg für eine spätere Wirtschafts- und Währungsunion ebnen.[71] In diesem Sinne legte Funk Göring im August 1940 Rechenschaft ab, in dessen Auftrag er die Planungen zur wirtschaftlichen Neuordnung Europas leitete:

„Ich gehe davon aus, dass die Eingliederung der besetzten Gebiete in die großdeutsche Wirtschaft und der Neuaufbau einer europäischen Kontinentalwirtschaft unter deutscher Führung nicht durch einen einmaligen staatspolitischen Akt, etwa durch Abschluss eines Zoll- oder Währungsunionsvertrages, allein erfolgt, sondern dass dieses Ziel durch eine Reihe von Einzelmaßnahmen [...] erreicht werden muss. Maßgebend muss dabei sein, die europäischen Volkswirtschaften so vollkommen und eng wie möglich mit der Großdeutschen Wirtschaft zu verflechten. Dabei sind alle Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der deutschen Bedarfsdeckung und auf eine Stärkung des deutschen Wirtschaftseinflusses in den verschiedenen Ländern hinauslaufen, in den Vordergrund zu stellen [...].“[72]

Funks Ausführung zur wirtschaftlichen Neuordnung Europas waren also weniger ein Manöver, das Europa zu mehr Kollaboration animieren sollte,[73] sondern das Ergebnis einer intern durchaus kontroversen Diskussion. Innerhalb des Koordinatensystems, in dem sich auch die Überlegungen anderer politischer Lager bewegt hatten, beschäftigen sich nationalsozialistische Offizielle mit denselben Herausforderungen der Zeit. Europas wirtschaftliche Einigung zu einem Großraum mit Weltgeltung bedurfte einer federführenden Macht. Außerdem hatte sich der Versuch, Europa demokratisch zu organisieren und auf den freien Markt zu vertrauen, in den Augen der Nationalsozialisten als fatal erwiesen. Wollte Europa also seine Stellung in der Welt nicht vollends verlieren, bedurfte es eines Kurswechsels. Zusammen mit ihren rassistischen und nationalistischen Grundüberzeugungen liefen all diese Problemlagen zwangsläufig auf eine Antwort zu: Deutschlands Vorrangstellung. Europa als Großraum musste von Deutschland geführt, nach deutschen Vorstellungen konsolidiert und mit deutschen Methoden orchestriert werden. Nur so wäre Deutschland – und damit auch Europa – wirtschaftlich und politisch wieder eine Macht von Weltrang.

Vor dem Hintergrund anderer zeitgenössischer ökonomischer Europavorstellungen und dem spezifischen Entstehungskontext erscheint die nationalsozialistische Konzeption einer wirtschaftlichen Neuordnung Europas, die Walther Funk am 25. Juli der Weltöffentlichkeit präsentierte, in einem neuen Licht. Die nationalsozialistische Version eines wirtschaftlich geeinten Europas war demnach weder reines Propagandainstrument noch so „anti-European“[74], wie vielfach in der Literatur behauptet.[75] Natürlich prägten die rassistischen, nationalistischen und anti-kapitalistischen Überzeugungen der nationalsozialistischen Bewegung auch ihre Vision von Europas wirtschaftlicher Zukunft. Aber die nationalsozialistische Diskussion kreiste um genuin europäische Probleme und bewegte sich dabei weitgehend in dem Rahmen, den bereits die wirtschaftlichen Europavorstellungen der Zwischenkriegszeit gesteckt hatten. Die Antworten, zu denen sie kamen, waren wiederum nationalsozialistisch. Damit passen Walther Funks Rede zur Neuordnung Europas und mit ihr die nationalsozialistischen wirtschaftspolitischen Konzeptionen „weit besser zu den Hauptströmungen nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Geschichte, als den meisten Menschen lieb ist.“[76]



[1] Essay zur Quelle: Funk, Walther: Die wirtschaftliche Neuordnung Europas (25. Juli 1940).

[2] Walther Funk, der bereits im Juni 1931 in die NSDAP eingetreten war, übernahm im Februar 1938 das Amt des Reichswirtschaftsministers und im Januar 1939 zudem das des Reichsbankpräsidenten. Er wurde ausgewählt, da er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hjalmar Schacht bereit war, die schuldenfinanzierte Rüstungspolitik mitzutragen und die Arisierung der Wirtschaft voranzutreiben. Görings Dominanz in der deutschen Wirtschaftspolitik ließ Funk zwar insgesamt wenig Handlungsspielraum und Entscheidungsbefugnis, doch im Hinblick auf die nationalsozialistischen Europakonzeptionen erwies sich Funks Zielvorstellung eines Mittelwegs zwischen „dem Liberalismus der Zwanziger Jahre und der nationalsozialistischen Kommandowirtschaft“ dennoch als prägend. Vgl. Herbst, Ludolf, Walther Funk – Vom Journalisten zum Reichswirtschaftsminister, in: Smelser, Ronald; Syring, Enrico; Zitelmann, Rainer (Hgg.), Die Braune Elite II. 21 weitere biographische Skizzen, Darmstadt 1993, S. 91–102.

[3] Vgl. die mit diesem Essay veröffentlichte Quelle: Funk, Walther, Die wirtschaftliche Neuordnung Europas, Bundesarchiv (BArch), R 2501, 7017, S. 116–126. Im Folgenden stammen alle Quellenzitate, soweit nicht anders vermerkt, aus den hier mit veröffentlichten Quellenausschnitten.

[4] Zur öffentlichen Diskussion der wirtschaftlichen Neuordnung Europas vgl. Kletzin, Birgit, Europa aus Rasse und Raum. Die nationalsozialistische Idee der Neuen Ordnung, Münster 2000, S. 168–209.

[5] Florian Greiner liefert einen umfassenden Überblick über die öffentlichen Debatten in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Vgl. Greiner, Florian, Wege nach Europa. Deutungen eines imaginierten Kontinents in deutschen, britischen und amerikanischen Printmedien, 1914–1945, Göttingen 2014.

[6] Zit. nach Buggeln, Marc, Währungspläne für den europäischen Großraum. Die Diskussion der nationalsozialistischen Wirtschaftsexperten über ein zukünftiges europäisches Zahlungssystem, in: Sandkühler, Thomas (Hg.), Europäische Integration. Deutsche Hegemonialpolitik gegenüber Westeuropa 1920–1960, Göttingen 2002, S. 41–76, hier S. 42.

[7] Gottfried Feder war eines der ersten Mitglieder der DAP, der Vorläuferorganisation der NSDAP. In diesen völkischen Kreisen agitierte er vor allem für sein zentrales Anliegen, die „Brechung Zinsknechtschaft“. Obwohl sich diese Forderung auch im 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 findet, dürfte sie von ihm inspiriert, aber nicht mit verfasst worden sein. Innerhalb der NSDAP erreichte er nie einflussreiche Positionen. Vgl. Tyrell, Albrecht, Gottfried Feder – Der gescheiterte Programmatiker, in: Smelser, Ronald; Zitelmann, Rainer (Hgg.), Die Braune Elite. 22 biographische Skizzen, Darmstadt 1989, S. 28–40.

[8] Feder, Gottfried, Betrachtungen zum Youngplan, in: Nationalsozialistische Monatshefte 1 (1930), S. 249–262, hier S. 253.

[9] Ipsen, Gunther, Das Erbe des Reiches, in: Büchner, Fritz (Hg.), Was ist das Reich? Eine Aussprache unter Deutschen, Oldenburg 1932, S. 58–66, hier S. 66.

[10] Hans Krebs war ein sudetendeutscher Publizist und Mitglied der alldeutschen Bewegung, der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei und der SS. Ab 1936 saß er für die NSDAP im Reichstag. Vgl. Klee, Ernst, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt am Main 2003, S. 337.

[11] Richard Coudenhove-Kalergi war der vermutlich prominenteste Verfechter einer Europäischen Einigung der Zwischenkriegszeit. Sein Buch „Paneuropa“ und die von ihm gegründete und geleitete Paneuropa-Union prägten die Diskussion über Europas Zukunft wesentlich. Zentrales Motiv seiner Forderung nach einer Einigung des Kontinents war die Befürchtung, dass Europa marginalisiert würde, wenn es nicht auf friedliche Weise zu einer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit fände. Einen konzisen Überblick über sein Leben und Schaffen bietet Conze, Vanessa, Richard Coudenhove-Kalergi. Umstrittener Visionär Europas, Zürich 2004.

[12] Krebs, Hans, Paneuropa oder Mitteleuropa?, München 1931, S. 5.

[13] Vgl. z.B. Kalckreuth, Eberhard, Westeuropäische Zollunion – Osteuropäische Zollunion?, in: Heimann, Hanns (Hg.), Europäische Zollunion. Beiträge zu Problem und Lösung, Berlin 1926, S. 83–95, hier S. 90.

[14] Aust, Hans, Deutschland und der Südosten, in: Der deutsche Volkswirt 12 (1938), S. 1789–1790, hier S. 1789.

[15] Strauch, Helmut, Die Idee der Großraumwirtschaft in der Handelspolitik der Gegenwart, Würzburg 1938, S. 1.

[16] Alfred, Ringer, Zur Frage der deutschen Außenhandelspolitik, in: Der deutsche Volkswirt 7 (1933), S. 1414–1416, hier S. 1414.

[17] Krebs, Paneuropa, S. 9.

[18] Vgl. Daitz, Werner, Der Weg zur völkischen Wirtschaft, Berlin 1938, S. 75. Das Denken in Großräumen war ein wesentlicher Bestandteil vieler, nicht nur der nationalsozialistischen, Europavorstellungen. Vgl. Grunert, Robert, Der Europagedanke westeuropäischer faschistischer Bewegungen 1940–1945, Paderborn 2012, S. 54; Hahnemann, Andy, Texturen des Globalen. Geopolitik und populäre Literatur in der Zwischenkriegszeit 1919–1939, Heidelberg 2009, S. 17.

[19] Jung, Edgar, Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung, Berlin 1927, S. 49.

[20] Vgl. Rohan, Karl Anton, Abrüstung – Friede – Europa, in: Europäische Revue 4 (1928), S. 150–152, hier S. 152.

[21] Gottfried Reinhold Treviranus war Reichstagabgeordneter der DNVP, bevor er 1929 aus der Fraktion austrat und die gemäßigtere Konservative Volkspartei gründete. Er gehörte den beiden Kabinetten Brüning an und musste 1934 aus Deutschland fliehen. Vgl. Möller, Horst, Aufklärung und Demokratie. Historische Studien zur politischen Vernunft, München 2003, S. 226–245.

[22] Treviranus, Gottfried Reinhard, Geleitwort, in: Gürge, Wilhelm; Grotkopp, Wilhelm (Hgg.), Großraumwirtschaft – Der Weg zur europäischen Einheit, Berlin 1931, S. 7–8, hier S. 8. Bereits im deutschen Europadiskurs des 19. Jahrhunderts findet sich das Sendungsbewusstsein, dass Deutschland auserkoren sei Europa neu zu ordnen. Vgl. Delanty, Gerard, Inventing Europe – Idea, Identity, Reality, Houndmills 1995, S. 104.

[23] Für den jungkonservativen Autorenkreis der Zeitschrift „Die Tat“ sollte die wirtschaftliche Stoßrichtung entlang der Donau verlaufen. Vgl. Hecker, Hans, Die Tat und ihr Osteuropa-Bild 1909–1939, Köln 1974, S. 136–137.

[24] Vgl. Heiderich, Franz, Die politische und wirtschaftliche Gestaltung von Mitteleuropa, in: Das Neue Reich 6 (1923), S. 68–69, hier S. 69.

[25] Vgl. Wirsing, Giselher, Zwischeneuropa und die deutsche Zukunft, Jena 1932, S. 301.

[26] Vgl. Gürge, Wilhelm, Der Ausbau Mittel- und Südosteuropas als wirtschaftliche Forderung, in: Gürge, Grotkopp (Hg.), Großraumwirtschaft, S. 11–28, hier S. 20.

[27] Vgl. Burgert, Helmuth, Auf dem Wege zum größeren Mitteleuropa, in: Das Neue Reich 13 (1931), S. 583–584, hier S. 584.

[28] Vgl. z.B. Elvert, Jürgen, Mitteleuropa! Deutsche Pläne zur europäischen Neuordnung (1918–1945), Stuttgart 1999; Conze, Vanessa, Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung, München 2005.

[29] Vgl. Weber, Alfred, Europa als Weltindustriezentrum und die Idee der Zollunion, in: Heimann (Hg.), Zollunion, S. 122–132, hier S. 122. Vgl. hierzu auch: Richter, Emanuel, Die Paneuropa-Idee. Die aristokratische Rettung des Abendlandes, in: Nautz, Jürgen; Vahrenkamp, Richard (Hgg.), Die Wiener Jahrhundertwende. Einflüsse – Umwelt – Wirkungen, Wien 1993, S. 788–812, hier S. 798.

[30] Die Vorstellung von Europa als ‚Dritter Kraft‘ neben diesen beiden Weltmächten lässt sich bereits für die wilhelminische Zeit nachweisen und entwickelte sich in der Zwischenkriegszeit zu einem wesentlichen kulturellen Deutungsmuster Europas. Vgl. Theiner, Peter, „Mitteleuropa“-Pläne im Wilhelminischen Deutschland, in: Berding, Helmut (Hg.), Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1997, S. 128–148, hier S. 130; Thiemeyer, Guido, Europäische Integration, Köln 2010, S. 44.

[31] Coudenhove-Kalergi, Richard, Paneuropa, Wien 1926, S. 8, 50.

[32] Endres, Franz Carl, Vaterland Europa, Berlin 1925, S. 36.

[33] Für Wilhelm Grotkopp zum Beispiel war eine Europäische Zollunion ein Schritt auf dem Weg zum weltweiten Freihandel; nicht in Richtung staatlicher Lenkung. Vgl. Grotkopp, Wilhelm, Die Zölle nieder! Wege zur europäischen Wirtschaftseinheit, Berlin 1930, S. 116.

[34] Einige Demokraten entwickelten sehr konkrete Vorstellungen zu etwaigen supranationalen europäischen Institutionen. Vgl. z.B. Friedensburg, Ferdinand, Verwaltungsmöglichkeiten der europäischen Zollunion, in: Heimann (Hg.), Zollunion, S. 193–203.

[35] Die in diesem Begriff implizierte Vorstellung, dass Europa ein gemeinsames Schicksal teile, war in der Zwischenkriegszeit durchaus gängig. Vgl. Greiner, Wege, S. 149–150, S. 177–178.

[36] Sowohl der Wirtschaftsjournalist Wilhelm Grotkopp als auch der Wirtschaftswissenschaftler Franz Eulenburg sprachen bereits Anfang der 1930er-Jahre von einer Großraumwirtschaft. Vgl. Eulenburg, Franz, Großraumwirtschaft und Autarkie, Jena 1932; Grotkopp, Wilhelm, Europäische Zollunion als Weg aus deutscher Wirtschaftsnot, Berlin 1931, S. 28.

[37] Endres, Vaterland, S. 103.

[38] Vgl. z.B. Kranold, Herman, Vereinigte Staaten von Europa. Eine Aufgabe proletarischer Politik, Hannover 1924, S. 27–28.

[39] Vgl. z.B. Kleineibst, Richard, Es wird europäisch gesprochen, in: Sozialistische Monatshefte 36 (1930), S. 735–741, hier S. 741.

[40] Wladimir Woytinsky wurde in Sankt Petersburg geboren und war Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands. Nach der Oktoberrevolution floh er vor den Bolschewiki nach Georgien, 1922 dann nach Deutschland. Dort leitete er ab 1929 die statistische Abteilung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und trat für eine expansive Wirtschaftspolitik ein. 1933 emigrierte er in die Schweiz, später in die USA. Vgl. das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich Ebert Stiftung, URL: sowie den Wikipedia Eintrag zu Woytinsky, URL: <https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Woytinsky> (24.01.2016).

[41] Woytinsky, Wladimir, Tatsachen und Zahlen Europas, Wien 1930, S. 209.

[42] Max Schippel war zwischen 1893 und 1905 Reichstagsabgeordneter für die SPD. Nach verschiedenen gewerkschaftlichen Beschäftigungen lehrte er ab 1923 als Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften in Dresden. Bis zu seinem Tode 1928 war er publizistisch tätig und verfasste alleine für die sozialistischen Monatshefte 337 Beiträge. Vgl. Parlamentarierportal BIOSOP-Online, URL: <http://zhsf.gesis.org/ParlamentarierPortal/biosop_db/biosop_db.php?id=200290> (24.01.2016).

[43] Vgl. Schippel, Max, Handelspolitische Gruppenbildung, Kontinentaleuropa und Freihandel, in: Sozialistische Monatshefte 32 (1926), S. 682–686, hier S. 686.

[44] Max Cohen-Reuss, zuvor Max Cohen, wurde 1902 Mitglied der SPD, für die er zwischen 1912 und 1918 im Reichstag saß. Von 1920 bis 1933 war er Mitglied des Reichswirtschaftsrates. 1934 emigrierte er nach Paris. Vgl. Parlamentarierportal BIOSOP-Online, URL: <http://zhsf.gesis.org/ParlamentarierPortal/biosop_db/biosop_db.php> (24.01.2016).

[45] Vgl. Cohen-Reuß, Max, Schutzzoll und Freihandel innerhalb und außerhalb einer europäischen Zollunion, in: Heiman (Hg.), Zollunion, S. 140–148, hier S. 148.

[46] Vgl. Buschak, Willy, Die Vereinigten Staaten von Europa sind unser Ziel. Arbeiterbewegung und Europa im frühen 20. Jahrhundert, Essen 2014, S. 85–87, S. 92–95; auch im sozialistischen Diskurs findet sich die Vorstellung eines Europa, das einen ‚Dritten Weg‘ zwischen Kommunismus und Kapitalismus einschlagen sollte. Vgl. Bailey, Christian, Between Yesterday and Tomorrow. German Visions of Europe, 1926–1950, New York 2013, S. 200–201.

[47] Das konstatieren u.a. auch Greiner, Wege, S. 178; Duchhardt, Heinz, Der deutsche Europa-Diskurs des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in: Duchhardt, Heinz (Hg.), Option Europa. Deutsche, Polnische und Ungarische Europapläne des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2005, S. 15–42, hier S. 34–36; Bugge, Peter, The Nation Supreme. The Idea of Europe 1914–1945, in: Wilson, Kevin; Dussen, Jan van der (Hgg.), The History of the Idea of Europe, London, New York 1993, S. 83–149, hier S. 145; Pegg, Carl H., Evolution of the European Idea, 1914–1932, London 1983, S. 46–47.

[48] Für den währungspolitischen Teil der Rede zeigt dies Buggeln, Währungspläne.

[49] Vgl. Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, Die Weltwirtschaftliche Entwicklung nach dem Kriege, 25.01.1940, BArch, R 2501, 6612, Blatt 467–472.

[50] Vgl. Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, Rohstoffversorgung des deutschen Großwirtschaftsraumes, 20.06.1940, BArch, R 2501, 7015, Blatt 79–82.

[51] Werner Daitz war nach seinem Studium in der Chemieindustrie tätig. Er trat 1931 der NSDAP bei, wurde 1931 Mitglied der Reichsleitung der NSDAP und 1933 Abgeordneter im Reichstag. Schon seit Mitte der 1930er-Jahre vertrat er seine Idee einer Europäischen Großraumwirtschaft. 1939 gründete er die Gesellschaft für Europäische Wirtschaftsplanung und Großraumwirtschaft e.V., der zahlreiche namhafte NS-Größen, wie etwa Herbert Backe, Werner Best und Roland Freisler, angehörten. Vgl. Stockhorst, Erich, Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich, Velbert 1967, S. 96–97.

[52] Daitz, Werner, Denkschrift zur Errichtung eines Reichskommissariats für Großraumwirtschaft, 31.05.1940. Gedruckt in: Neulen, Hans Werner (Hg.), Europa und das 3. Reich. Einigungsbestrebungen im deutschen Machtbereich 1939–1945, München 1987, S. 72–74.

[53] Mitteleuropäische Wirtschaftsunion – Materialien für Handels- und Zollfragen, 21.06.1940, Sonderarchiv, 1458, 29, 41. Eine kürzere und undatierte Version dieses Dokuments findet sich auch im Bundesarchiv (BArch R 2501, 6428 / Blatt 27–30). Das sogenannte Sonderarchiv, das eigentlich „Zentrum für die Aufbewahrung historisch-dokumentarischer Sammlungen“ heißt, ist seit 1992 für die Forschung zugänglich und seit 1999 Teil des Russischen Staatlichen Militärarchivs. Zuvor hatte nur der NKVD (später KGB) Zugang zu den darin verwahrten Akten. Da die Bestände größtenteils aus Unterlagen bestehen, die von der Roten Armee während ihres Vormarsches im Zweiten Weltkrieg erbeutet und nach Moskau verbracht worden waren, finden sich kaum systematische Sammlungen. Historiker, die sich für Aspekte der Weimarer Republik oder des Nationalsozialismus interessieren, erwarten dort dennoch umfangreiche und wertvolle Materialien. Der Bestand „1458 – Reichswirtschaftsministerium“ etwa ist mit ca. 18.000 Akteneinheiten größer als der, der im Bundesarchiv in Berlin verwahrt wird. Vgl. Eggenkämper, Barbara; Rappl, Marian; Reichel, Anna, Der Bestand Reichswirtschaftsministerium im „Zentrum für die Aufbewahrung historisch-dokumentarischer Sammlungen“ („Sonderarchiv“) in Moskau, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 43 (1998), S. 227–236; Scheel, Klaus, Deutsche Beuteakten im Sonderarchiv Moskau. Vorgeschichte und Bestände, in: Röhr, Werner; Berlekamp, Brigitte (Hgg.), „Neuordnung Europas“ – Vorträge vor der Berliner Gesellschaft für Faschismus- und Weltkriegsforschung 1992–1996, Berlin 1996, S. 415–432; Panwitz, Sebastian, Die Geschichte des Sonderarchivs Moskau, in: Bulletin des Deutschen Historischen Instituts Moskau 2 (2008), S. 11–21.

[54] Mitteleuropäische Wirtschaftsunion – Materialien für Handels- und Zollfragen, 21.06.1940, Sonderarchiv, 1458, 29, 41.

[55] Vgl. Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, Aufzeichnungen zu einem Vortrag Schlotterers über den Außenhandel der Zukunft, 18.06.1940, BArch, R 2501, 6612, Blatt 621–629.

[56] Hinweise des Botschafters z.b.V. Karl Ritter, 11.05.1940. Gedruckt in: Menger, Manfred (Hg.), Expansionsrichtung Nordeuropa. Dokumente zur Nordeuropapolitik des faschistischen deutschen Imperialismus 1939 bis 1945, Berlin 1987, S. 73–74.

[57] Vgl. Volkswirtschaftliche Abteilung der Dresdner Bank, Zur Wirtschaftsstruktur Skandinaviens im Lichte der neuen Lage, 13.04.1940, Sonderarchiv, 1458, 29, 23. Dieses Dokument findet sich auch im Bundesarchiv (BArch R 2501, 6324, Blatt 368–434).

[58] Vgl. Institut für Konjunkturforschung, Das Gewerbe im mitteleuropäischen Wirtschaftsraum – Großraum einschl. Belgien und den Niederlanden, Juni 1940, Sonderarchiv, 1458, 29, 10.

[59] Vgl. z.B. Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, Handelspolitische Auswirkungen der Besetzung von Dänemark und Norwegen, 23.04.1940, BArch, R 2501, 6847, Blatt 109–118; Studie des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes des Oberkommandos der Wehrmacht, 10.04.1940, Gedruckt in: Menger, Nordeuropa, S. 68–69.

[60] Von 1933 bis 1935 war Gustav Schlotterer Präsident der Hamburger Behörde für Wirtschaft und wechselte danach als Ministerialrat ins Reichswirtschaftsministerium. Ab 1940 leitete er dort die Sonderabteilung „Vorbereitung und Ordnung“ und war damit zuständig für die Grundsatzfragen der Neuordnung. 1941 wurde er zum Ministerialdirektor ernannt und war in Personalunion Leiter der Ostabteilung des Reichswirtschaftsministeriums, Leiter der Wirtschaftsabteilung des Ministeriums für die besetzten Ostgebiete und Chef der Hauptgruppe gewerbliche Wirtschaft im Wirtschaftsstab Ost. Vgl. Ulshöfer, Otfried, Einflußnahme auf Wirtschaftsunternehmungen in den besetzten nord-, west- und südosteuropäischen Ländern, Tübingen 1958, S. 40; Aly, Götz; Heim, Susanne, Vordenker der Vernichtung. Ausschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Frankfurt am Main 2004, S. 340.

[61] Albrecht, Karl, Notiz zu einem Vortrag Gustav Schlotterers vor dem Außenhandelsausschusses der Reichsgruppe Industrie, 19.06.1940. Gedruckt in: Opitz, Reinhard (Hg.), Europastrategien des deutschen Kapitals 1900–1945, Köln 1977, S. 684–685.

[62] Carl Clodius arbeitete seit 1921 für das Auswärtige Amt, wo er ab 1938 als Ministerialdirigent in der Handelspolitischen Abteilung tätig war. Als Sonderbeauftragter führte er zudem Deutschlands handelspolitische Verhandlungen. Sein Schicksal, nachdem er 1944 in sowjetische Gefangenschaft geriet, ist unklar. Vgl. Weiß, Hermann (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 1998, S. 75–76.

[63] Vermerk über eine Sitzung zur europäischen Großraumwirtschaft, 25.05.1940, Sonderarchiv, 1458, 29, 10.

[64] Niederschrift über den Vortrag von Herrn Dr. Schlotterer in der Reichsgruppe Industrie, 19.06.1940, Carl Zeiss Archiv, W 54, Blatt 133–135.

[65] Denkschrift zur Verwirklichung der Kontinentalwirtschaft, undatiert, Sonderarchiv, 1458, 29, 68. Es ist anzunehmen, dass das Dokument zwischen Mai und Juli 1940 entstanden ist. Denn aus dem Dokument geht hervor, dass der deutsche Westfeldzug bereits abgeschlossen war, aber noch keine Regelung bezüglich der Zoll- und Währungsfragen feststand.

[66] Aktennotiz zu Fragen der wirtschaftlichen Neugestaltung Europas, 15.07.1940, BArch, R 2501, 7017, Blatt 106–112.

[67] Zum Entstehungshintergrund und zur Entscheidungsfindung vgl. Buggeln, Währungspläne, S. 57–62.

[68] Internationaler Währungsausgleich bei Friedensschluß, Juli 1940, BArch, R 2501, 6428, Blatt 76–83.

[69] Ebd.

[70] Schreiben Schlotterers an Günther Bergemann, 02.07.1940. Gedruckt in Schumann, Wolfgang (Hg.), Europa unterm Hakenkreuz. Die faschistische Okkupationspolitik in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden (1940–1945), Berlin 1990, S. 103.

[71] Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, Der Zahlungsverkehr im europäischen Großwirtschaftsraum – Ergänzung zur vertraulichen Arbeit „Währungsfragen im europäischen Großraum“, 20.07.1940, BArch R 2501, 6428, Blatt 9–20.

[72] Schreiben Walther Funks an Hermann Göring betreffend die Kontinental- und Großraumwirtschaft, 06.08.1940, Sonderarchiv, 1458, 29, 9.

[73] Kletzin etwa geht davon aus, dass es den Nationalsozialisten darum ging „die objektiv vorhandenen ‚europäisch‘ orientierten Modernisierungstendenzen, das Problembewußtsein und die positiv besetzte Begriffswelt der europäischen Idee für die deutsche Außenpolitik nutzbar zu machen“. Kletzin, Europa, S. 7.

[74] Salewski, Michael, Ideas of the National Socialist Government and Party, in: Lipgens, Walter (Hg.), Continental Plans for European Union 1939–1945 (Documents on the History of European Integration; Vol. 1), Berlin 1985, S. 37–54, hier S. 54.

[75] Ähnliche Urteile finden sich bei: Neulen, Europa, S. 397; Duchhardt, Europa-Diskurs; Schöberl, Verena, „Es gibt ein großes und herrliches Land, das sich selbst nicht kennt... Es heißt Europa.“ Die Diskussion um die Paneuropaidee in Deutschland, Frankreich und Großbritannien 1922–1933, Münster 2007, S. 336.

[76] Mazower, Marc, Der dunkle Kontinent. Europa im 20. Jahrhundert, Berlin 2000, S. 11. Bei Mazower bezieht sich der zitierte Teil des Satzes auf den Nationalsozialismus generell.



Literaturhinweise

  • Conze, Vanessa, Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung, München 2005.
  • Elvert, Jürgen, Mitteleuropa! Deutsche Pläne zur europäischen Neuordnung (1918–1945), Stuttgart 1999.
  • Volkmann, Hans Erich, Zur europäischen Dimension nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik, in: Chiari, Bernhard (Hg.), Ökonomie und Expansion. Grundzüge der NS-Wirtschaftspolitik, München 2003, S. 19–44.


Funk, Walther: Die wirtschaftliche Neuordnung Europas[1]

Rede vor Vertretern der deutschen und ausländischen Presse am 25. Juli 1940

Die Erörterungen über den Aufbau und die Organisation der deutschen und der europäischen Wirtschaft nach Beendigung des Krieges und die Auswirkungen, die der Krieg für die Weltwirtschaft haben wird, füllen in der letzten Zeit die Spalten der deutschen und der ausländischen Presse in zunehmenden Maße. [...] Es wimmelt von Schlagworten aller Art und das beliebteste ist die „Europäische Großraumwirtschaft“ geworden. Soviel richtiges auch in diesem Begriff enthalten ist, so muß man doch sagen, daß es zunächst diesen europäischen Großraum in Wahrheit noch gar nicht gibt, daß er erst geschaffen werden muß und daß auch in diesem „Großraume“ sich „hart die Sachen stoßen“. Ich habe es unter diesen Umständen für meine Pflicht gehalten, einmal ganz klar und sachlich die Dinge darzustellen, um die Diskussion aus der Sphäre der Phantasie und der Spekulation in die reale Welt der Tatsachen zurückzuführen. Es handelt sich bei alledem auch nicht bereits um einen festen Plan, vielmehr nur um die Vorbereitung einer zusammenfassenden Planung gemäß dem Auftrage des Reichsmarschalls Hermann Göring, der die Entscheidung über die endgültige Gestaltung und die Durchführung der Pläne trifft. Ich muß mich daher darauf beschränken, das Grundsätzliche und Methodische der Probleme darzustellen. Es soll also nur der Weg gezeigt werden, auf dem das Ziel erreicht werden kann. Auch die neue europäische Wirtschaft muß organisch wachsen.

Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik hat sich bei ihren Methoden nie von einer sturen Dogmatik leiten lassen. Wir haben stets diejenige Methode angewandt, die uns jeweils als die zweckmäßigste erschien. Wir wollen auch in der Zukunft keine künstlichen Gebilde schaffen. Die neue europäische Wirtschaftsordnung wird ebenfalls aus den natürlichen Gegebenheiten herauswachsen, zumal für eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den europäischen Ländern natürliche Grundlagen vorhanden sind. Selbstverständlich wird der Krieg tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft und auch auf die Weltwirtschaft haben. Wir werden mit dem verbündeten Italien auf allen Gebieten auf das engste zusammenarbeiten und die deutschen und italienischen Wirtschaftskräfte zum Neubau Europas zusammenfassen.

Die Frage nach der zukünftigen allgemeinen Wirtschaftsordnung in Europa ist also dahin zu beantworten, daß wir nach der siegreichen Beendigung des Krieges diejenigen Methoden in der Wirtschaftspolitik zu Anwendung bringen werden, die uns die großen wirtschaftlichen Erfolge vor dem Kriege und insbesondere auch im Kriege gewährleistet haben, und daß wir nicht daran denken, das ungeregelte Spiel der Kräfte wieder wirksam werden zu lassen, durch das die deutsche Wirtschaft in die größten Schwierigkeiten gekommen ist. Wir sind der Überzeugung, daß von unseren Methoden nicht nur die großdeutsche Wirtschaft, sondern auch alle Wirtschaften Europas, die mit Deutschland auf Grund der natürlichen Grundlagen in engen Handelsbeziehungen stehen, Nutzen haben werden.

Zu der in der letzten Zeit besonders lebhaft erörterten Frage nach der neuen Währungsgrundlage ist folgendes zu sagen:

Die Währung ist stets das Sekundäre und Wirtschaftsführung das Primäre. Wenn die Wirtschaft nicht gesund ist, kann es auch keine gesunde Währung geben. Im Rahmen einer gesunden europäischen Wirtschaft und einer vernünftigen wirtschaftlichen Arbeitsteilung zwischen den europäischen Volkswirtschaften wird sich die Währungsfrage von selbst lösen, weil sie dann nur noch ein Problem der richtigen Geldtechnik ist. Es ist selbstverständlich, daß die Reichsmarkwährung dabei eine dominierende Stellung haben wird. Die gewaltige Stärkung der Macht des Großdeutschen Reiches wird eine Befestigung der Reichsmarkwährung als selbstverständliche Folge nach sich ziehen. Der Geltungsbereich der Reichsmark, die von der Fessel der ungeregelten Auslandsschulden und der zahlreichen verschieden bewerteten Sorten befreit werden wird, muß dann laufend zunehmen. Es wird auf Grund der bisherigen schon angewandten Methoden des bilateralen Wirtschaftsverkehrs eine weitere Entwicklung zum multilateralen Wirtschaftsverkehr und zu einem Ausgleich der Zahlungssalden der einzelnen Länder kommen, so daß also auch die verschiedenen Länder über eine solche Clearingstelle untereinander in geregelte Wirtschaftsbeziehungen treten können. Selbstverständlich ist es ausgeschlossen, Devisenbewirtschaftung und Clearingzwang mit einem Schlage aufzuheben. Das Problem lautet auch nicht freie Devisenwirtschaft oder europäische Währungsunion, sondern es kommt zunächst darauf an, die Clearingtechnik weiterzuentwickeln, so daß ein reibungsloser Zahlungsverkehr innerhalb der an das Clearing angeschlossenen Länder gewährleistet wird. Die Voraussetzungen hierfür sind um so mehr gegeben, als bereits heute fast alle Länder, die für einen Anschluß an das europäische Zentralclearing in Frage kommen, eine Devisenbewirtschaftung in dieser oder jener Form haben. Die Voraussetzungen für ein gut funktionierendes Clearingsystem sind, daß in den Clearingverträge feste, bei allen Zahlungen geltende Umrechnungssätze vereinbart werden, daß die Kurse für lange Zeit stabil bleiben und daß die im Clearing überwiesenen Beträge stets sofort ausbezahlt werden.

Die Auszahlung „ungedeckter“ Clearingüberweisungen stellt naturgemäß ein inneres Geldproblem für die einzelnen Länder dar. Die heute noch allenthalben bestehende Angst vor solchen „ungedeckten“ Clearingspitzen wird aber verschwinden; denn erstens wird die mit Sicherheit nach Beendigung des Krieges zu erwartende allgemeine Wirtschaftsbelebung eine Ausdehnung des Geldumlaufs auch in den Ländern bedingen, die bisher an der orthodoxen Notenbankpolitik festgehalten haben, die ja auf der Golddeckungstheorie und dem Goldautomatismus beruhte, und zweitens wird durch eine staatliche Lenkung der Zahlungsbilanzen das Problem der Clearingspitzen allmählich gegenstandslos werden. Das Preisniveau wird sich dem deutschen annähern müssen. Aber eine Währungsunion bedingt allmählich angeglichenen Lebensstandard, und dieser wird auch in Zukunft nicht in allen dem europäischen Clearing angeschlossenen Ländern der gleiche sein können und sein dürfen, weil hierfür die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen fehlen und die Ordnung der europäischen Wirtschaft auf dieser Basis jedenfalls auf absehbare Zeit hinaus unsinnig wäre.

[...]

Die Frage, was in der neuen europäischen Wirtschaft fehlen wird und welche Waren exportiert werden können, ist folgendermaßen zu beantworten:

Es kommt darauf an, was der europäische Wirtschaftsraum umfassen und was ihm als Hilfsquellen zur Verfügung stehen wird. Gewisse Produkte werden in Europa immer fehlen. Aber wir denken ja auch nicht daran, zu einer ausschließlich sich selbst genügenden Wirtschaft überzugehen, die wir auch in Deutschland weder vor noch im Kriege gehabt haben, sondern wir werden naturgemäß mit der Weltwirtschaft nach wie vor weitgehend verflochten sein. Die Frage lautet also nicht Autarkie oder Export, sondern Autarkie und Export, wobei der Begriff Autarkie nur richtig verstanden sein will. Wir werden Wert darauf legen, daß unsere hochwertigen Industrieprodukte auch im Austausch gegen die Rohstoffe der Weltmärkte gehandelt werden. Aber hier gibt es eine Einschränkung. Wir müssen darauf bedacht sein, daß möglichst alle diejenigen Produkte ausreichend im europäischen Wirtschaftsraum vorhanden sind, die diesen Wirtschaftsraum wirtschaftlich unabhängig von anderen Räumen machen. Wir müssen also die Wirtschaftsfreiheit dieses Raumes garantieren. [...] Man wird also immer darauf achten müssen, daß in einer Notzeit der großdeutsche Wirtschaftsraum das, was ihm an eigenen wirtschaftlichen Kräften zur Verfügung stehen muß, nicht von Kräften und Märkten abhängig wird, auf die wir keinen Einfluß haben. Dabei wird man daran denken müssen, daß die großdeutsche Rohstoffgrundlage sich während des Krieges ganz gewaltig verbessert hat und daß Deutschland am Ende des siegreichen Krieges über ein Exportpotential verfügen wird, wie es noch nie der Fall war. In Kohle, Kali, Eisen, Holz, elektrischer Energie, aber auch in allen von der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft mit so große Erfolg entwickelten synthetischen Stoffen und durch die neuen Werkstoffe werden wir noch unabhängiger von der Weltwirtschaft und insbesondere von den Monokulturen der Welt sein, als das bisher der Fall war. Das gilt für alle Rohstoffe, insbesondere auch für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Gerade auf dem Ernährungssektor wird eine planmäßige Produktionssteigerung und eine Umstellung der Produktion auf den lebensnotwendigen Bedarf die Nahrungsfreiheit noch weiter sicherstellen, als dies schon jetzt in Großdeutschland der Fall ist. Der zentral geleitete und organisierte Getreidemarkt wird allerdings nicht die Form der alten spekulativen Getreidebörsen haben, sondern ähnlich wie das Geldclearing als Getreideclearing funktionieren. Aber grundsätzlich wird man die Wirtschaftspolitik immer wieder danach ausrichten müssen, daß wir auch mit der übrigen Welt in wirtschaftlichen Beziehungen stehen, um den Lebensstandard des deutschen Volkes und der hochentwickelten europäischen Industriestaaten immer weiter nach oben auszurichten.

Eine andere Frage, die immer wieder aufgeworfen wird, lautet: Welche Warenlieferungen erwartet das neue Europa von Rußland, Amerika, Süd-Amerika und Ost-Asien? Und welche Waren wird es dafür liefern? Hierzu ist folgendes zu bemerken:

Mit Rußland haben wir einen Handelsvertrag, der sehr ergiebig ist. Rußland ist der naturgegebene Komplementär für die hochentwickelten Industriestaaten. Wir sind der Meinung, daß Rußland als Lieferant in Rohstoffen und als Abnehmer von deutschen Fertigwaren in der Zukunft sich noch viel stärker entwickeln wird als bisher. Wie weit wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika Handel treiben, liegt absolut in der Hand der Amerikaner selbst. Solange sie natürlich deutsche Waren diskriminieren, ist ein solcher Verkehr problematisch, und solange wird natürlich der Wirtschaftsverkehr mit den Vereinigten Staaten immer auf Schwierigkeiten stoßen. Aber die Vereinigten Staaten müssen, wenn sie dazu beitragen wollen, die Weltwirtschaft wieder kontinuierlich zu gestalten, von ihrer falschen Methode abgehen, daß sie gleichzeitig das größte Gläubigerland und gleichzeitig das größte Exportland sein wollen. Dies sind Dinge, die sich nicht auf einen Nenner bringen lassen, denn wenn man ein großes Gläubigerland ist, darf man nicht den Export mit allen Mitteln forcieren und den Import systematisch behindern. [...]

Mit Südamerika und Ostasien haben wir die besten Handelsbeziehungen unterhalten, und wir sind der Überzeugung, daß, sobald die englische Seeräuberei aufhört, auch wieder der Handel mit Südamerika und Ostasien sich günstig entwickeln wird [...]. Einer Normalisierung und Ausweitung der gegenseitigen Handelsbeziehungen stehen technische Schwierigkeiten jedenfalls nicht entgegen, man muß nur den deutsch-amerikanischen Handelsverkehr frei von jeder Dogmatik gestalten. Das europäische Clearingssystem schließt keineswegs einen freien Devisenverkehr mit Ländern, die nicht im Clearing sind, aus. Reichsmark und Reichsmarkakzept werden nach dem Kriege auch für einen solchen Handelsverkehr wieder voll funktionsfähig sein. Schließlich werden ja auch nicht die Methoden, sondern die Qualität der Waren den Ausschlag geben. Und in dieser Hinsicht brauchen wir für die deutschen Exportwaren wirklich keine Besorgnisse zu hegen!

[...]

Zusammenfassend ist folgendes zu sagen:

  1. Durch den Abschluß von langfristigen Wirtschaftsabkommen mit den europäischen Staaten soll erreicht werden, daß die europäischen Volkswirtschaften sich in ihren Produktionsplanungen langfristig auf den deutschen Markt, d.h. auf einen jahrelangen sicheren Absatzmarkt einstellen. Dadurch wird es möglich sein, die europäische Produktion weiterhin zu steigern und ganz neue Produktionen aufzunehmen. Andererseits werden dann auch für die deutschen Waren bessere Absatzmöglichkeiten in den europäischen Märkten bestehen.
  2. Durch Schaffung stabiler Kursverhältnisse soll ein reibungslos funktionierendes Zahlungssystem für die Abwicklung des Warenverkehrs zwischen den einzelnen Staaten sichergestellt werden. Dabei kann an die zur Zeit bestehenden Verrechnungsabkommen angeknüpft werden, die so auszubauen sind, daß sie – auf der Basis stabiler Kurse – ein vergrößertes Warenvolumen bewältigen können.
  3. Durch Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Landwirtschaft und Industrie soll ein Höchstmaß an Produktion und von Nahrungsmitteln und Rohstoffen erzielt und eine vernünftige Wirtschaftliche Arbeitsteilung in Europa herbeigeführt werden. Durch zweckmäßigen Einsatz der in Europa vorhandenen Wirtschaftskräfte soll der Lebensstandard der europäischen Völker gehoben und ihre Sicherheit gegenüber etwa möglichen Blockademaßnahmen von Außereuropa noch erhöht werden.
  4. Es muß eine Stärkung des wirtschaftlichen Gemeinschaftsgefühls unter den europäischen Völkern herbeigeführt werden durch Zusammenarbeit auf allen Gebieten der Wirtschaftspolitik (Währung, Kredit, Produktion, Handel usw.). Die Wirtschaftssolidarität der europäischen Staaten soll eine bessere Vertretung der europäischen Wirtschaftsinteressen gegenüber anderen wirtschaftlichen Gruppen in der Weltwirtschaft ermöglichen. Dieses geeinigte Europa wird sich von keinem außereuropäischen Gebilde Bedingungen wirtschaftlicher oder politischer Art vorschreiben lassen. Es wird auf der Basis der Gleichberechtigung jederzeit mit anderen Partnern Handel treiben, dabei aber das volle wirtschaftliche Gewicht des Kontinents in die Waagschale werfen können.

Die kommende Friedenswirtschaft muß dem Großdeutschen Reich ein Maximum an wirtschaftlicher Sicherheit garantieren und dem deutschen Volke eine Maximum an Güterverbrauch zur Erhöhung der Volkswohlfahrt. Auf dieses Ziel ist die europäische Wirtschaft auszurichten. Die Entwicklung wird etappenweise und für die einzelnen Länder auch verschieden vor sich gehen; sie ist heute auch noch mit zahlreichen Unsicherheitsfaktoren belastet, denn – das wollen wir nie vergessen – wir befinden uns ja noch im Kriege!


[1] Funk, Walther, Die wirtschaftliche Neuordnung Europas, Bundesarchiv (BArch), R 2501, 7017, S. 116–126.


Für das Themenportal verfasst von

Raimund Bauer

( 2016 )
Zitation
Raimund Bauer, "Auch die neue europäische Wirtschaft muß organisch wachsen" Walther Funks Rede "Die wirtschaftliche Neuordnung Europas" vom 25. Juli 1940 im Kontext zeitgenössischer Europavorstellungen, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2016, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1669>.
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