„Wende zur Welt“? Die Politisierung der Religion in der Bundesrepublik Deutschland um 1968

Als Symptome eines vehementen und rapiden Bedeutungsverlustes von Kirche und kirchengebundener Religion in Deutschland wurden die zunehmenden Kirchenaustritte und gesellschaftliche Entwicklungen wie ansteigende Scheidungszahlen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesehen. Der vorliegende Beitrag rekonstruiert dagegen die Diskurse der Zeit, um die Stellung der Kirche in der Gesellschaft kommunikationsgeschichtlich zu analysieren. Dabei werden zum einen die Politische Theologie und ihre zentralen Deutungsmuster, Leitbegriffe und Argumentationsweisen und daraus resultierende semantische Verschiebungen betrachtet. Zum anderen werden die historischen Bedingungen in den Blick genommen, unter denen die „Wende zur Welt“ der Kirche zu einem gesellschaftlich relevanten Thema wurde. Die Präsenz des Themas in der damaligen Presse wird zu einem Beleg für die gesellschaftliche Relevanz von Kirche und Religion um 1968.

„Wende zur Welt“? Die Politisierung der Religion in der Bundesrepublik Deutschland um 1968

Von Pascal Eitler

Als Symptome eines vehementen und rapiden Bedeutungsverlustes von Kirche und kirchengebundener Religion in Deutschland wurden die zunehmenden Kirchenaustritte und gesellschaftliche Entwicklungen wie ansteigende Scheidungszahlen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesehen. Der vorliegende Beitrag rekonstruiert dagegen die Diskurse der Zeit, um die Stellung der Kirche in der Gesellschaft kommunikationsgeschichtlich zu analysieren. Dabei werden zum einen die Politische Theologie und ihre zentralen Deutungsmuster, Leitbegriffe und Argumentationsweisen und daraus resultierende semantische Verschiebungen betrachtet. Zum anderen werden die historischen Bedingungen in den Blick genommen, unter denen die „Wende zur Welt“ der Kirche zu einem gesellschaftlich relevanten Thema wurde. Die Präsenz des Themas in der damaligen Presse wird zu einem Beleg für die gesellschaftliche Relevanz von Kirche und Religion um 1968.

Dans la deuxième moitié du XXe siècle des tendances sociales en Allemagne, comme la diminution du nombre de pratiquants ou le nombre croissant de divorces, sont interprétées comme des symptômes d’une rapide et forte perte d’importance de l’Eglise et de la religion en tant qu’institution. L’essai ci-dessous relate les débats de l’époque et analyse la position de l’Eglise dans la société, au regard de ses discours. D’une part, l’auteur observe la théologie politique et ses concepts, ses modèles centraux d’interprétation et sa manière d’argumenter, et les déplacements sémantiques qui en résultent. D’autre part il étudie les conditions historiques dans lesquelles « Die Wende zur Welt », le « tournant vers le monde » de l’Eglise est devenu un sujet majeur du discours social. La présence de ce sujet dans la presse de l’époque devient une preuve de l’importance sociale de l’Eglise et de la religion à la fin des années soixante.

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„Mitten in dieser Welt“ – so das Motto des ebenso berühmten wie berüchtigten Essener Katholikentages von 1968. Sich der Welt, sich dieser Welt zuzuwenden, war das erklärte Ziel der Kirche – nicht nur der katholischen, sondern auch der evangelischen – in den 60er und 70er Jahren, sowohl von inoffizieller als auch von offizieller Seite. In eben dieser Welt, so die herrschende Meinung, drohte die Kirche ihren überlieferten und hervorgehobenen Platz zu verlieren. Ein thesenfreudiger Kommentar zum Essener Katholikentag im „Monat“ bringt die zeitgenössische Wahrnehmung auf den Punkt: „Kein Zweifel, diese Kirche befindet sich in einer Krise“.[1] Allerorten wurde diese Krise der Kirche um 1968 konstatiert und diskutiert. Die traditionelle Gegenüberstellung von Kirche und Welt indes wurde in diesem Zusammenhang sowohl verstetigt als auch verschoben. Die historische Forschung hat sich mit dieser semantischen Grenzverschiebung zwischen Kirche und Welt und der öffentlichen Debatte um sie bislang kaum auseinandergesetzt – weder die Kirchengeschichte noch die Zeitgeschichte.

Kirchengeschichte und Religionsgeschichte – jenseits der Säkularisierungsthese

Die Kirchengeschichte, vor allem die kirchliche Zeitgeschichte zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, erweist sich in dieser Hinsicht nicht selten als methodisch veraltet. Sie hat zahlreiche Entwicklungen auf dem Gebiet der Sozial- und Kulturwissenschaften häufig nicht oder nur unzureichend aufgenommen.[2] Von einer Religionsgeschichte, die Anschluss an die jüngeren Perspektivenwechsel findet, kann daher in dreifacher Hinsicht erst ansatzweise die Rede sein. Immer noch konzentriert sich das gros der Forschung – erstens – auf ideengeschichtliche oder aber – zweitens – auf institutionengeschichtliche Fragen, nicht selten in hagiografischer Form. Die Kirchengeschichte zum 20. Jahrhundert, vor allem zur Geschichte der Nachkriegszeit, unterscheidet sich in dieser Hinsicht zwar mehr und mehr von der Forschung zum 19. Jahrhundert. Zahlreiche Arbeiten haben hier – in Fortführung der Untersuchungen von Thomas Nipperdey und anderen[3] – Anschluss gefunden an sozial- und kulturgeschichtliche, geschlechter- und körpergeschichtliche Problemstellungen.[4] Indes: Auch im Fall der Forschung zum 19. Jahrhundert betreiben die weitaus meisten Studien noch immer – drittens – Konfessionsgeschichte und noch zu selten Religionsgeschichte im Sinne einer transkonfessionellen shared history, wie sie seit geraumer Zeit Wolfgang Schieder und inzwischen vor allem Friedrich Wilhelm Graf einfordert.[5]

Nach wie vor und trotz stetig wachsender Kritik ist es die Säkularisierungs-these, die in diesem Zusammenhang insbesondere die Auseinandersetzung mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägt und den Krisendiskurs um 1968 perpetuiert. Die 60er und 70er Jahre geraten erst seit kurzem[6] in den Fokus der historischen Forschung, weil man lange wie selbstverständlich davon ausging, dass die beiden großen Kirchen seit Ende der 50er Jahre und erst recht um 1968 rapide und vehement an gesellschaftlicher Relevanz verloren hätten. Man konzentrierte sich dabei zu häufig auf sinkende Gottesdienstbesuche und zunehmende Kirchenaustritte und diagnostizierte mehr oder weniger stereotyp das Ende konfessioneller Milieus und einen epochalen Niedergang von Kirche und wenn nicht von Religion an sich, so doch jedenfalls von kirchengebundener Religion.[7] Ob man an dieser Stelle den Begriff der Säkularisierung, der Entsakralisierung oder der Dechristianisierung bemüht, macht in diesem Zusammenhang keinen nennenswerten Unterschied.[8]

Es war vor allem Thomas Luckmann, der mit einer Vielzahl religionssoziologischer Studien eine solche Sichtweise zwar nicht eingeleitet, aber doch vielfach direkt oder indirekt angeleitet hat. Für den Zeitraum der 60er und 70er Jahre verzeichnet Luckmann eine vermeintlich einschneidende Entwicklung hin zur Privatisierung von Religion, die er mit dem anschaulichen Begriff der „unsichtbaren Religion“ umschreibt. Zwar richtet Luckmann seine Überlegungen, indem er religiöse Erfahrungen zur anthropologischen Konstante erklärt, explizit gegen die Säkularisierungsthese. Er konstatiert allerdings für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts einen rapiden und vehementen Bedeutungsverlust von Kirche und kirchengebundener Religion und reproduziert auf diese Weise – wenngleich unintendiert – die Säkularisierungsthese.[9]

Die 60er und 70er Jahre geraten vor diesem Hintergrund nachhaltig ins Zentrum des Interesses. Im vorliegenden Beitrag jedoch richtet sich dieses Interesse weniger auf sinkende Gottesdienstbesuche oder steigende Scheidungsraten. Es begnügt sich weder mit den Ideen einiger weniger, noch reduziert es Religion auf Kirche und Kirche auf kirchliche Entscheidungsträger. Es richtet sich andererseits aber auch nicht auf das viel zitierte Milieu, da der Milieubegriff für die 60er und 70er Jahre – wie zurecht betont wird – seine Erklärungskraft sukzessive einbüßt.[10] Ich schlage vor, stattdessen in verstärktem Maße Deutungsmuster und Deutungskämpfe zu rekonstruieren und die vermeintliche Differenz zwischen Kirchengeschichte und so genannter Profangeschichte auf diese Weise zu dekonstruieren. Nicht um einzelne Ideen geht es bei diesen Deutungsmustern und Deutungskämpfen, sondern um Diskurse und Semantiken. Diese sind eingebunden in gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die weit über den Kreis einzelner Theologen, Bischöfe oder Päpste hinausgehen, sich aber andererseits keineswegs erschöpfen in stereotypen Verweisen auf „die“ Gesellschaft oder „die“ Moderne. Nicht derartige Allgemeinplätze, sondern die durchaus unterschiedlichen und sich wandelnden Bedingungen und Kontexte von öffentlichen Debatten geraten in diesem Rahmen in den Fokus, wechselnde Akteurskonstellationen und deren rekonstruierbares Kommunikations- und das heißt auch Konfliktpotential.

Dieses Konfliktpotential wird im Folgenden jedoch weniger auf einer sozialgeschichtlichen als auf einer kommunikationsgeschichtlichen Ebene verortet. Die Forschung – nicht nur die historische, sondern auch die soziologische – hat sich nach meinem Dafürhalten oft zu einseitig mit Kirche und Religion als Sozialform beschäftigt, sei es in Form der Konfessionsgeschichte, sei es in Gestalt der Milieuforschung. Der Krisendiskurs um und nach 1968 nahm, wie José Casanova verdeutlicht hat, stets Bezug auf den Wandel der Sozialform von Kirche und Religion und setzte dabei vorschnell Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust in eins.[11] Im Folgenden wird daher versucht, Kirche und Religion in verstärktem Maße als Kommunikationseffekte zu betrachten, jedoch nicht in einem funktionalistischen, sondern in einem konstruktivistischen Sinne. Der vorliegende Beitrag verzichtet daher auf eine Definition dessen, was Kirche und Religion wohlmöglich sind oder nicht sind, und wendet sich stattdessen den zeitgenössischen Aushandlungsprozessen zu, die dokumentieren, was unterschiedliche Akteure in unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichem Erfolg als kirchlich oder religiös definiert oder nicht definiert haben.[12] Eine solche Herangehensweise begreift Kirche und Religion zwar nicht als relative, wohl aber – im Sinne Pierre Bourdieus[13] – als relationale und das heißt als historisch umkämpfte Größe.

Im Rahmen einer solchen als Kommunikationsgeschichte ausgewiesenen Religionsgeschichte lässt sich auch für die 60er und 70er Jahre der Bundesrepublik Deutschland die gesellschaftliche Relevanz von Kirche und Religion aufzeigen – fernab von sinkenden Gottesdienstbesuchen und milieuspezifischen Lebensstilen. Statt den Krisendiskurs der Zeitgenossen zu verstetigen, sollte die Forschung die Produktivität dieses Diskurses in den Blick nehmen: Kirche und Religion gewannen um 1968 an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit, gerade insofern sie zum viel umkämpften Verhandlungsgegenstand einer öffentlichen Debatte wurden. Die Säkularisierungsthese gerät in diesem Zusammenhang nicht mehr als Analysemittel, sondern als Analysegegenstand in den Blick – als Deutungsmuster der Zeitgenossen.

Die Politisierung der Religion – ein Massenphänomen

Die zahlreichen Kontroversen über Kirche und Religion um 1968 kreisten, so die These, vor allem um die Unterscheidung zwischen Religion und Politik bzw. um die Politisierung der Religion zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre. Für diese Politisierung kursierten zahlreiche Bezeichnungen: Alles in allem durchgesetzt hat sich schließlich der vom katholischen Theologen Johann Baptist Metz zur Diskussion gestellte Begriff der Politischen Theologie – erst in der zweiten Hälfte der 70er Jahre wird der Begriff der Befreiungstheologie teilweise an seine Stelle treten.[14] Zu den Referenzgrößen und Leitfiguren der Politischen Theologie in der Bundesrepublik Deutschland gehörten neben Metz unter anderem die katholischen Theologen Giulio Girardi oder Norbert Greinacher, teilweise auch Karl Rahner sowie die protestantischen Theologen Jürgen Moltmann, Helmut Gollwitzer und die protestantische Theologin Dorothee Sölle. Es macht nach meinem Dafürhalten wenig Sinn und wurde von den Zeitgenossen auch überwiegend abgelehnt, nach den katholischen bzw. protestantischen Anteilen der Politischen Theologie zu fragen. Die Politisierung der Religion um 1968 stellte weitgehend ein transkonfessionelles Phänomen dar– eine shared history.

Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Politische Theologie gewannen um 1968 nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten westeuropäischen und teilweise auch osteuropäischen Ländern, in Nord-, Süd- und Mittelamerika ein beeindruckendes Ausmaß.[15] Die Politisierung der Religion war ein Massenphänomen nicht nur im transkonfessionellen, sondern auch im transnationalen Sinne des Wortes. Nicht erst in den 80er und 90er Jahren, sondern bereits in den 60er und 70er Jahren, so gilt es José Casanova[16] zu korrigieren, gewann Religion wieder an öffentlicher Aufmerksamkeit und trat in ein spezifisches, wenngleich nicht vollauf neuartiges Verhältnis zur Politik. Ich behaupte nicht, dass diese Politisierung der Religion ein gänzlich unbekanntes Phänomen darstellt. Zu erinnern gilt es an dieser Stelle etwa an den Religiösen Sozialismus der 20er Jahre und den so genannten Linkskatholizismus der 50er Jahre – im Falle Frankreichs zum Beispiel an die katholischen Arbeiterpriester und die nouvelle théologie. Aber niemals zuvor, so die These, wurde Religion quantitativ so massenhaft und selten qualitativ so tiefgreifend politisiert wie in diesem Zeitraum. Nicht nur auf politischer Ebene, auch auf religiöser Ebene erfuhr die Bundesrepublik Deutschland um 1968 eine „Umgründung“.[17]

Die Politische Theologie löste zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre eine öffentliche Debatte aus, die nicht nur – wie man glauben könnte – in theologischen Fachzeitschriften und unter den kritischen Blicken der Amtskirche, sondern in allen meinungsbildenden und überregionalen Tagesblättern, Wochenzeitungen, Monatsschriften und Nachrichtenmagazinen geführt oder rezipiert wurde – nicht nur im Spiegel oder im Stern, in der Frankfurter Allgemeinen oder in der Süddeutschen Zeitung, auch in der Konkret und in der Twen, in den Frankfurter Heften ebenso wie in den Marxistischen Blättern, im Merkur ebenso wie im eingangs zitierten Monat. Zwar nehme ich im vorliegenden Rahmen notgedrungen eine Engführung vor und konzentriere mich dabei im Folgenden auf die theologischen Stellungnahmen innerhalb der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Indes: Nicht die Theologen, sondern die große Breite der öffentlichen Debatte um sie und die von ihnen eingeleitete „Wende zur Welt“ dokumentiert die gesellschaftliche Relevanz von Kirche und Religion um 1968.[18]

Im Folgenden möchte ich stichpunktartig – erstens – die Politische Theologie und einige zentrale Deutungsmuster, Leitbegriffe und Argumentationsweisen rekonstruieren, die einer Politisierung der Religion und den semantischen Grenzverschiebungen zwischen Kirche und Welt in den 60er und 70er Jahren Vorschub leisteten. Anschließend werden – zweitens – ebenso stichpunktartig die historischen Bedingungen in den Blick genommen, unter denen die „Wende zur Welt“ zu einem gesellschaftlich relevanten Thema wurde.

Semantische Grenzverschiebungen – Kirche und Welt um 1968

Politik und Religion werden in der Moderne tendenziell als Gegensätze konstruiert. Eindeutige Unterscheidungen, traditionelle Gegenüberstellungen von Welt und Kirche, Diesseits und Jenseits, Geschichte und Eschatologie, Revolution und Erlösung markieren dabei üblicherweise die semantische Grenze zwischen Politik und Religion. Die Politische Theologie, so die These, verschob bzw. verwischte diese Grenze – in Deutschland überaus hartnäckig und öffentlich rezipiert seit Mitte der 60er Jahre. Traditionelle Gegenüberstellungen von Politik und Religion sollten nunmehr dialektisch überwunden und gesellschaftlich vermittelt werden. Politische Theologen wie Metz oder Moltmann zielten in diesem Sinne auf eine Hinwendung zur Welt, die gleichbedeutend war mit einer Hinwendung zur Gesellschaft und einer Hinwendung zur Praxis. Beobachten lässt sich an dieser Stelle ein – unlängst vor allem von Benjamin Ziemann thematisierter[19] – systematisch vorangetriebener Anschluss von Kirche und Theologie an die im wissenschaftlichen Feld der 60er und 70er Jahre immens an Bedeutung gewinnenden Sozialwissenschaften.

Schwerwiegender und energischer als jede andere traditionelle Unterscheidung zwischen Politik und Religion wurde innerhalb der Politischen Theologie die Differenzierung zwischen Welt und Kirche in Frage gestellt. Metz stellte in diesem Sinne und im Rahmens seiner 1968 erschienenen und vielzitierten Theologie der Welt fest: „Die Kirche ist nicht einfach Nicht-Welt.“[20] Für Sölle bedeutete dies das Ende der ehemals vorherrschenden „Trennung in Horizontale und Vertikale“.[21] Mit der „Annahme der Welt in Christus“, so die Argumentation, „erscheint die Welt erst ganz als weltlich und Gott erst ganz als göttlich.“ Die angenommene Menschwerdung Gottes in Christus also erlaubte es Politischen Theologen, die Welt als „Mitwelt“, „als gesellschaftliche Wirklichkeit in einem geschichtlichen Prozeß“ zu begreifen und zu behandeln. Die Kirche, so die Forderung, müsse sich dem Gebot der Nachfolge entsprechend „auf die Welt als Gesellschaft und auf die weltverändernden Kräfte in dieser Gesellschaft beziehen.“[22] Gollwitzer sprach in eben diesem Sinne von der „Weltverantwortung der Kirche“.[23]

Eng verknüpft mit dieser „Wende zur Welt“ war eine viel rezipierte „Wende zur Praxis“. Metz propagierte und diagnostizierte in diesem Sinne 1969 ein „neues Theorie-Praxis-Verhältnis“ innerhalb des Christentums.[24] Das „Verhältnis von Theorie und Praxis“, von „eschatologischem Glauben und gesellschaftlicher Praxis“, erschien ihm als das „Grundproblem“ von Kirche und Religion, wobei er dialektisch von einer „Verquickung von Theorie und Praxis, Reflexion und Revolution“ sprach.[25] Die biblischen Verheißungen galten nicht länger als „regulative Idee“, sondern als „befreiender Imperativ [...] ihre Wahrheit muß getan werden.“[26] Moltmann erklärte in diesem Zusammenhang: „Nachfolge heißt Glauben, und Glauben ist tatsächlich eine existentielle Einheit von Theorie und Praxis“.[27]

Mit dem allerorten eingeforderten Praxisbezug von Kirche und Religion wuchs auch – und wie man meinen darf: folgerichtig – deren Öffentlichkeitsbezug. Das Christentum als weltzugewandt, so Metz, „steht nicht im privatissimum des rein persönlichen Bereichs, es steht auch nicht im sanctissimum des rein religiösen Bereichs, es steht jenseits der Schwelle des behüteten Privaten oder des abgeschirmten Religiösen“.[28] Die Politischen Theologen begriffen sich daher „als kritisches Korrektiv gegenüber gewissen Privatisierungstendenzen“ innerhalb des Christentums. Das Gebot der Nachfolge, so die Argumentation, verpflichte die beiden großen Kirchen nicht nur zu einem Humanismus „im privaten Sinn, sondern im politischen Sinn“.[29] Das Private wurde innerhalb der Politischen Theologie also der Politik in pejorativer Weise gegenübergestellt – durchaus vergleichbar mit der „Politisierung des Privaten“ innerhalb der Außerparlamentarischen Opposition.[30]

Die Politischen Theologen wendeten sich der Welt zu, der Gesellschaft und der Geschichte – sie zielten in diesem Zusammenhang allerdings weniger auf die Vergangenheit als auf die Zukunft. „Das gesuchte Heil, die vollendete Humanität“, so Metz, „liegt nicht mehr über uns, sondern vor uns.“[31] Im Fall der Politischen Theologie lässt sich eine regelrechte – mit der Planungseuphorie der 60er Jahre[32] keineswegs identische aber durchaus korrespondierende – „Entdeckung der Zukunft“ beobachten.[33] Kennzeichnend ist dabei, wie der Zukunftsbegriff auf die traditionelle Unterscheidung zwischen Diesseits und Jenseits bezogen wurde, auch wenn Metz wiederholt erklärte, dass es der Politischen Theologie nicht darum gehe, „Zukunft gegen Jenseits“ auszuspielen. Insofern der Zukunftsbegriff in den 60er und 70er Jahren in das Zentrum der gesellschaftlichen Auseinandersetzung geriet, unter anderem unter Verweis auf Ernst Bloch und dessen „Philosophie der Hoffnung“, geriet der Begriff des Jenseits sukzessive ins Abseits. Vereinzelt ist hierbei offen von einer „Wende vom Jenseits in das Später“ die Rede.[34] An die Stelle einer räumlichen Unterscheidung trat auf diese Weise eine zeitliche Differenzierung. Im Rahmen der vieldiskutierten „Orthopraxie der Veränderung“ ging es dezidiert, so Gollwitzer, um „Veränderungen im Diesseits“.[35]

Ohne den mehr oder weniger ausgeprägten Widerstand der Amtskirche zu unterschätzen, gilt es in diesem Zusammenhang und in Hinblick auf die Wirkungsgeschichte zu konstatieren: Die sich zwischen Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre konstituierende Friedensbewegung wurde nicht zuletzt von dieser sich der Welt, der Praxis und dem Diesseits zuwendenden Kirche getragen.

Die semantische Grenze zwischen Politik und Religion, die ihren Ausdruck traditionell in eindeutigen Unterscheidungen zwischen Welt und Kirche oder Diesseits und Jenseits fand, verschob bzw. verwischte sich demnach innerhalb der Politischen Theologie. Anstatt Politik und Religion grundlegend voneinander zu differenzieren, wurden Politik und Religion um 1968 hier in verstärktem Maße miteinander identifiziert. Vor diesem Hintergrund erklärte Moltmann 1972: „Gott und Welt, das Absolute und das Relative, das Letzte und das Vorletzte recht zu unterscheiden, ist eine Sache [...] Müssen wir nicht darüber hinausgehen und von vornherein Gott in der Welt, das Jenseitige im Diesseits, das Universale im Konkreten und das Eschatologische im Geschichtlichen begreifen [...]?“[36]

Deutlich wird: Betrachtet man die Politische Theologie kommunikationsgeschichtlich, so wagte und bewirkte sie keine Revolution im strengen Sinne des Wortes. Vielmehr bemühte sie sich – im Sinne Pierre Bourdieus[37] – um „ständige Teilrevolutionen“ und ließ die „Grundaxiomatik“ von Kirche und Religion dabei weitestgehend unberührt. Sie vollzog weniger den einen großen Bruch, der mit jeder Form kirchengebundener Religion abgeschlossen hätte, als zahlreiche Verschiebungen – semantische Grenzverschiebungen, die häufig auf der Ebene der Rhetorik funktionierten und faszinierten. Auf diese Weise produzierte und reproduzierte die Politische Theologie ein Mindestmaß an kommunikativer Anschlussfähigkeit.

Im Rahmen der Politisierung der Religion um 1968 bezogen sich Religion und Kirche auf die Welt, auf diese Welt, die Gesellschaft und ihre Geschichte, sie zielten auf das Diesseits, auf Veränderungen im Diesseits, und wurden als praxisbezogen und öffentlichkeitsorientiert begriffen und behandelt – eine im Sinne der Säkularisierungsthese eindeutige Unterscheidung zwischen Welt und Kirche war mithin keineswegs selbstverständlich.

Stark geprägt wurde die öffentliche Debatte um die Politische Theologie und die Politisierung der Religion durch den so genannten „Dialog zwischen Christentum und Marxismus“ – also durch die Auseinandersetzung mit dem Marxismus und den führenden Vertretern der Frankfurter Schule.[38] Um 1968 stellte der Marxismus die zentrale Bezugsgröße der Politischen Theologie dar: nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, nahezu global und am folgenreichsten in Lateinamerika.[39] Die gesellschaftliche Auseinandersetzung kreiste in diesem Zusammenhang nicht nur um die Deutung und Bedeutung von Kirche und Religion, sie kreiste ebenfalls um die Deutung und Bedeutung des Marxismus.[40] Vor diesem Hintergrund ging es auch und nicht zuletzt um die in den 60er und 70er Jahren sich im wissenschaftlichen Feld zuspitzende Konkurrenz zwischen Marxismus auf der einen und Strukturalismus bzw. Poststrukturalismus auf der anderen Seite.[41] Aus eben diesem Grund setzten sich Politische Theologen wie Metz oder Sölle nicht nur mit Ernst Bloch, Max Horkheimer und Roger Garaudy, sondern ebenfalls mit Louis Althusser oder Michel Foucault auseinander und kritisierten den auf dieser Seite auf unterschiedliche Weise postulierten „Tod des Menschen“.[42]

Ein Teil der Politischen Theologen stellte sich seit Ende der 60er Jahre zunehmend in den Dienst des Marxismus bzw. Sozialismus. Sie solidarisierten sich nicht nur mit der Außerparlamentarischen Opposition, sondern auch mit den Befreiungsbewegungen in der so genannten Dritten Welt. Sölle – die einflussreichste Vertreterin der Gott-ist-tot-Theologie in Deutschland[43] – erklärte in diesem Sinne, dass „Aufstand und Auferstehung zusammen gehören [...] Aufstand ist das Auferstehen aus politischem Schlaf“. Sie war der Überzeugung: „Ist der kritische Gehalt des Satzes ‚Gott ist tot‘ verstanden, so ist der Weg zu ‚Gott ist rot‘ nicht mehr weit.“ Vor diesem Hintergrund fand sie volles Verständnis für den „revolutionären Haß“ der Unterdrückten im Kampf gegen ihre Unterdrücker.[44] In ähnlicher Hinsicht klagte auch Gollwitzer um 1968 eine radikalere „Politisierung der Kirche“ ein.[45]

Der andere und letztlich einflussreichere Teil der Politischen Theologen hingegen, darunter Metz, Moltmann und Rahner, versuchte, als kritisches Korrektiv auf den Marxismus bzw. Sozialismus einzuwirken. In diesem Sinne betonte Metz, dass im Angesicht der Eschatologie „Geschichte primär als Endgeschichte“ zu begreifen sei. Keine menschliche Ordnung dürfe daher, so die Argumentation, mit biblischer Verheißung verwechselt werden – keine Revolution mit Erlösung.[46] Die Handlungsorientierung, welche die Politische Theologie in diesem Fall ermöglichen sollte, sollte – wie im Fall der Frankfurter Schule[47] – eher indirekt sein.

Jenseits dieser mehr oder weniger ausgeprägten Konflikte innerhalb der Politischen Theologie gilt es indes festzuhalten: Zum zentralen Thema der öffentlichen Debatte um die Politisierung der Religion wurde um 1968 die so genannte Dritte Welt, vor allem deren zunehmende Armut. Zur wachsenden Herausforderung für die beiden großen Kirchen wurde in diesem Sinne in den 60er und 70er Jahren die „Kirche der Armen“ – die Ausrichtung der Kirche auf die Armen.[48] Die Politisierung der Religion stellte mithin nicht nur ein transnationales Phänomen dar, sie antwortete auch auf transnationale Probleme. In eben diesem Sinne lässt sich Religionsgeschichte als Allgemeingeschichte begreifen und betreiben.

Kirche im Kontext – Religionsgeschichte als Allgemeingeschichte

Kirche im Kontext zu betrachten sollte jedoch nicht heißen, den innerkirchlichen – auch institutionengeschichtlichen – Kontext aus dem Blick zu verlieren. Den innerkirchlichen Kontext, innerhalb dessen die Politisierung der Religion in den 60er und 70er Jahren zur Herausforderung für die beiden großen Kirchen wurde, markiert in erster Linie – und nicht nur auf Seiten des Katholizismus – das Zweite Vatikanische Konzil zwischen 1962 und 1965. Es leitete seit seiner Ankündigung 1959 eine öffentliche Debatte um die Veränderung der Kirche und jene „Wende zur Welt“ ein, für die Papst Johannes XXIII. den Begriff des aggiornamento prägte.[49] Das Konzil setzte einerseits den „Dialog zwischen Christentum und Marxismus“ auf die Tagesordnung und darf andererseits als ein transnationales Großereignis der 60er und 70er Jahre gelten. Niemals zuvor waren so viele Vertreter, Bischöfe und Kardinäle, aus Ländern der so genannten Dritten Welt an einem Konzil beteiligt und nie zuvor wurden deren Ansprüche innerhalb der katholischen Kirche so deutlich vertreten wie auf diesem Konzil. Auf Seiten des Protestantismus gilt es an dieser Stelle und in vergleichbarer Weise an die beiden Weltkirchentage von 1966 in Genf und von 1968 in Uppsala zu erinnern, die unter anderem dem so genannten Nord-Süd-Konflikt gewidmet waren.

In der Bundesrepublik Deutschland kam zwischen Mitte und Ende der 60er Jahre den Tagungen der katholischen Paulus-Gesellschaft, die dem unmittelbaren Zusammentreffen zwischen Politischen Theologen und Marxisten dienten, eine strategische Funktion zu.[50] Zum spektakulärsten Ausdruck dieses Zusammentreffens wurde jedoch der Essener Katholikentag von 1968. Der „Kritische Katholizismus“, der sich dort öffentlichkeitswirksam formierte, begriff und beschrieb sich selbst als Teil der Außerparlamentarischen Opposition und setzte sich vehement nicht nur für einen „liberaleren“ Umgang mit der Pille, sondern auch für die Befreiungsbewegungen in der so genannten Dritten Welt ein.[51]

Ohne den fortdauernden Eurozentrismus innerhalb der beiden großen Kirchen zu beschönigen, kann man in diesem Kontext einen tiefgehenden Wandel des Missionsbegriffes und der traditionellen Unterscheidung zwischen „okzidentalen“ Mutter- und „orientalen“ Tochterkirchen beobachten.[52] Nicht nur die Außerparlamentarische Opposition gilt es in diesem Sinne in ihrem transnationalen Zusammenhang zu untersuchen[53] – auch und nicht zuletzt die beiden großen Kirchen. Die „Wende zur Welt“, die als „Wende zur Gesellschaft“ spezifiziert wurde, war – im Sinne Niklas Luhmanns und Rudolf Stichwehs[54] – tatsächlich eine weltgesellschaftliche.

Den außerkirchlichen Kontext der Politisierung der Religion und des wachsenden Transnationalismus innerhalb der Kirche stellt zum einen das zeitweilige Ende des Kalten Krieges dar, die vielzitierten Klimaverbesserungen in den Ost-West-Beziehungen zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre.[55] Die unter Kennedy und Chruschtschow bereits zu Beginn der 60er Jahre eingeleitete Deeskalationspolitik, die auf eine weitgehende Koexistenz der konkurrierenden „Blöcke“ zielte, prägte in seinem Verlauf insbesondere den christlich-marxistischen Dialog. Von mindestens ebenso großer Bedeutung war jedoch das allmähliche Ende des Kolonialismus zwischen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre. Der so genannte Nord-Süd-Konflikt trat erst mit dem weltweiten Niedergang des Kolonialismus verstärkt an die Stelle des so genannten Ost-West-Konflikts und rückte die „Dritte-Welt-Problematik“ um 1968 ins Zentrum des öffentlichen Interesses. In seiner paradigmatischen Bedeutung für die wachsende Kritik am Kolonialismus – nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland – erst annähernd erschlossen ist in dieser Hinsicht vor allem der Algerienkrieg zwischen 1954 und 1962. Recht gut erforscht ist in diesem Punkt bislang lediglich die öffentliche Signalwirkung des Vietnamkrieges.[56]

Die große Breite der öffentlichen Debatte um die Politische Theologie erschließt sich nur innerhalb dieses innerkirchlichen wie außerkirchlichen Kontextes. Ihre gesellschaftliche Relevanz gewann die Politisierung der Religion um 1968 in Wechselwirkung mit der Studentenbewegung und angesichts der allgegenwärtigen und hartnäckigen Konflikte um Kolonialkriege und Koexistenzweisen.

Fazit

Zieht man die beeindruckende Präsenz der Politischen Theologie und die semantischen Grenzverschiebungen in Betracht, die im Rahmen der Politisierung der Religion verhandelt wurden, so gilt es festzuhalten: Kirche und Religion gewannen zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre an gesellschaftlicher Relevanz, gerade weil Religion in einem bis dahin unbekannten Ausmaß politisiert wurde. Von einer Privatisierung der Religion im Sinne Thomas Luckmanns kann auf der Ebene der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um 1968 schlicht keine Rede sein: Die Welt wendete sich nicht von der Kirche ab, sondern die Kirche wendete sich der Welt zu. Kirche und Religion verloren dabei nicht an gesellschaftlicher Relevanz – sie veränderten vielmehr ihre historische Bedeutung. Die im Rahmen der Säkularisierungsthese postulierte Trennung zwischen Welt und Kirche bzw. Politik und Religion war zwischen 1965 und 1975 keineswegs selbstverständlich, eindeutig und unumkehrbar.



[1] Heigert, Hans, Die „Sünde“ von Essen. Katholische Kirche zwischen Freiheit und Autorität, in: Monat 244 (1969), S. 16–28, S. 17.

[2] Zu diesem Befund auch: Graf, Friedrich Wilhelm, Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2004, S. 15–67; Altermatt, Urs; Metzger, Franziska, Religion und Kultur – zeitgeschichtliche Perspektiven, in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte 98 (2004), S. 158–208.

[3] Vgl. insbesondere Nipperdey, Thomas, Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918, München 1988; Altermatt, Urs, Katholizismus und Moderne. Zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte der Schweizer Katholiken im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich 1989; Hölscher, Lucian, Weltgericht oder Revolution. Protestantische und sozialistische Zukunftsvorstellungen im deutschen Kaiserreich, Stuttgart 1989; Blackbourn, David, Marpingen. Apparitions of the Virgin Mary in Bismarckian Germany, Oxford 1993.

[4] Vgl. unlängst Geyer, Michael; Hölscher, Lucian (Hg.), Die Gegenwart Gottes in der modernen Gesellschaft. Transzendenz und religiöse Vergemeinschaftung in Deutschland, Göttingen 2006; Freytag, Nils; Sawicki, Diethard (Hg.), Wunderwelten. Religiöse Extase und Magie in der Moderne, Paderborn 2006. Demnächst erscheint Pernau, Margrit; Juneja, Monica (Hg.), Religion und Grenzen. Studien auf dem Weg zu einer transnationalen Historiographie.

[5] Vgl. Schieder, Wolfgang, Sozialgeschichte der Religion im 19. Jahrhundert. Bemerkungen zur Forschungslage, in: ders. (Hg.), Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1993, S. 11–28, S. 11; Graf, Wiederkehr, S. 30–50.

[6] Vgl. Schmidtmann, Christian, Katholische Studierende 1945–1973. Eine Studie zur Kultur- und Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Paderborn u.a. 2006; Hermle, Siegfried u.a. (Hg.), Umbrüche. Der deutsche Protestantismus und die sozialen Bewegungen in den 1960er und 70er Jahren, Göttingen 2006. Regelrechte Pionierstudien stellen dar: Damberg, Wilhelm, Abschied vom Milieu? Katholizismus im Bistum Münster und in den Niederlanden 1945–1980, Paderborn u.a. 1997; Großbölting, Thomas, „Wie ist Christsein heute möglich?” Suchbewegungen des nachkonziliaren Katholizismus im Spiegel des Freckenhorsterkreises, Altenberge 1997. Vgl. die kürzlich eingerichtete Forschergruppe „Transformation der Religion in der Moderne. Religion und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts” an der Universität Bochum.

[7] Einen Überblick aus katholischer bzw. protestantischer Perspektive bieten Gabriel, Karl, Zwischen Aufbruch und Absturz in die Moderne. Die katholische Kirche in den 60er Jahren, in: Schildt, Axel u.a. (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 528–543; Greschat, Martin, Protestantismus und Evangelische Kirche in den 60er Jahren, in: ebd., S. 544–581.

[8] Vgl. Lehmann, Hartmut (Hg.), Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung im neuzeitlichen Europa. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000.

[9] Vgl. Luckmann, Thomas, The Invisible Religion, New York 1967.

[10] Vgl. Ziemann, Benjamin, Der deutsche Katholizismus im späten 19. und im 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte 40 (2000), S. 402–422, S. 419f.

[11] Casanova, José, Public Religions in the Modern World, Chicago 1994.

[12] Eine vergleichbare Perspektive wählen: Kippenberg, Hans G., Diskursive Religionswissenschaft, in: ders.; Gladigow, Burkhard (Hg.), Neue Ansätze in der Religionswissenschaft, München 1983, S. 9–28; Tyrell, Hartmann, Religionssoziologie, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 428–457; Geyer, Michael; Hölscher, Lucian, Einleitung, in: dies. (Hg.), Gegenwart, S. 9–17; Altermatt; Metzger, Religion, S. 187–191.

[13] Vgl. Bourdieu, Pierre, Das religiöse Feld. Texte zur Ökonomie des Heilsgeschehens, Konstanz 2000; ders., Über einige Eigenschaften von Feldern, in: ders., Soziologische Fragen, Frankfurt am Main 1993, S. 107–114.

[14] Vgl. Metz, Johann Baptist, Zum Begriff der neuen Politischen Theologie (1967–1997), Mainz 1997; Peukert, Helmut (Hg.), Diskussion zur „Politischen Theologie“, München 1969; Wiedenhofer, Siegfried, Politische Theologie, Stuttgart 1976.

[15] Eine zeitgenössische Zusammenstellung von deutschen, französischen, italienischen und englischen Publikationen weist 1969 bereits über eintausend Titel aus. Vgl. van der Bent, Ans, Der Dialog zwischen Christen und Marxisten. Eine kommentierte Bibliographie, Genf 1969.

[16] Vgl. Casanova, Public Religions.

[17] Vgl. Görtemaker, Manfred, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main 2004, S. 475ff. Bezeichnenderweise kommt Görtemaker in diesem Zusammenhang nur auf den Bereich der Politik, aber nicht auf den Bereich der Religion zu sprechen  die Zeitgeschichtsforschung zur Bundesrepublik Deutschland übt sich nach wie vor und nicht nur in diesem Fall in Religionsabstinenz.

[18] Ausführlich: Eitler, Pascal, „Sehnsucht nach dem ganz Anderen“? Max Horkheimer und die Politisierung der Religion in der Bundesrepublik Deutschland um 1968, Diss. Bielefeld 2008.

[19] Vgl. Ziemann, Benjamin, Auf der Suche nach Wirklichkeit. Soziographie und soziale Schichtung im deutschen Katholizismus 1945–1970, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 409–440; ders., Katholische Kirche und Sozialwissenschaften 1945–1975, Göttingen 2007.

[20] Metz, Johann Baptist, Zur Theologie der Welt, Mainz 1968, S. 85; vgl. Schultz, Hans Jürgen, Konversion zur Welt. Gesichtspunkte für die Kirche von morgen, Hamburg 1964; Lüthi, Kurt, Theologie als Dialog mit der Welt von heute, Freiburg im Breisgau 1971.

[21] Sölle, Dorothee, Einleitung, in: dies.; Schmidt, Klaus (Hg.), Christen für den Sozialismus, Bd. 1, Stuttgart 1975, S. 7–21, S. 16.

[22] Metz, Theologie der Welt, S. 25, 38, 44, 76 und 105ff.; ders., Theologisches zum Marxismus, in: Dokumente der Paulus-Gesellschaft, Bd. XIII, München 1966, S. 246–260, S. 255f.

[23] Gollwitzer, Helmut, Die Weltverantwortung der Kirche in einem revolutionären Zeitalter, in: Wilkens, Erwin (Hg.), Die Zukunft der Kirche und die Zukunft der Welt. Die Synode der EKD 1968 zur Weltverantwortung der Kirche in einem revolutionären Zeitalter, München 1968, S. 69–96.

[24] Metz, Johann Baptist, „Politische Theologie“ in der Diskussion, in: Peukert (Hg.), Diskussion, S. 267–301, S. 282ff.

[25] Metz, Theologie der Welt, S. 104, S. 90; ders., Christliche Religion und gesellschaftliche Praxis, in: Kellner, Erich, (Hg.), Schöpfertum und Freiheit in einer humanen Gesellschaft, Wien 1969, S. 31–42, S. 34.

[26] Metz, Theologie der Welt, S. 106ff., 114f.

[27] Moltmann, Jürgen, Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie, München 1972, S. 62.

[28] Metz, Johann Baptist, Wille zum Dialog, in: Garaudy, Roger, Johann Baptist Metz und Karl Rahner. Der Dialog oder: Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus?, Reinbek 1966, S. 121–138, S. 137f.

[29] Metz, „Politische Theologie“ in der Diskussion, S. 275–278; ders., Theologie der Welt, S. 101–105, S. 49.

[30] Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid (Hg.), 1968. Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1998; Schmidtke, Michael, Der Aufbruch der jungen Intelligenz. Die 68er in der Bundesrepublik und den USA, Frankfurt am Main 2003; Siegfried, Detlef, Time is on my Side. Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 60er Jahre, Göttingen 2006.

[31] Metz, Zur Theologie der Welt, S. 79f.; ders., Wille zum Dialog, S. 124; vgl. Rahner, Karl, Zur Theologie der Zukunft, München 1971.

[32] Vgl. Haupt, Heinz-Gerhard u.a. (Hg.), Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel, Weilerswist 2004.

[33] Vgl. Hölscher, Lucian, Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt am Main 1999; Zahrnt, Heinz, Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert, München 1966, S. 259.

[34] Metz, Johann Baptist, Zukunft gegen Jenseits?, in: Kellner, Erich (Hg.), Christentum und Marxismus – heute, Wien 1966, S. 218–228; ders., „Politische Theologie“ in der Diskussion, S. 292f.; ders., Gott vor uns. Statt eines theologischen Arguments, in: Unseld, Siegfried, (Hg.), Bloch zu Ehren, Frankfurt am Main 1965, S. 227–241, S. 231, vgl. Wiedenhofer, Politische Theologie, S. 32f.

[35] Gollwitzer, Helmut, Veränderung im Diesseits. Politische Predigten, München 1973.

[36] Moltmann, Der gekreuzigte Gott, S. 297, 313.

[37] Bourdieu, Über einige Eigenschaften, S. 109f.

[38] Vgl. Eitler, Pascal, Politik und Religion. Semantische Grenzen und Grenzverschiebungen in der Bundesrepublik Deutschland 1965–1975, in: Frevert, Ute; Haupt, Heinz-Gerhard (Hg.), Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt am Main 2005, S. 268–303.

[39] Vgl. Gerling, Axel Ulrich; Scholl, Erhard (Hg.), Kirche der Armen? Neue Tendenzen in Lateinamerika, München 1972; Kern, Bruno, Theologie im Horizont des Marxismus. Zur Geschichte der Marxismusrezeption in der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, Mainz 1992.

[40] Vgl. Spieker, Manfred, Neomarxismus und Christentum, München 1974; Spülbeck, Volker, Neomarxismus und Theologie. Gesellschaftkritik in Kritischer Theorie und Politischer Theologie, Freiburg im Breisgau 1977.

[41] Vgl. Schmidt, Alfred, Geschichte und Struktur. Fragen einer marxistischen Historik, München 1971; Schaff, Adam, Strukturalismus und Marxismus, Wien 1974; Poster, Mark, Existential Marxism in Postwar France. From Sartre to Althusser, Princeton 1975; Dosse, François, Geschichte des Strukturalismus, 2 Bde, Frankfurt am Main 1999.

[42] Vgl. Althusser, Louis, Marxismus und Humanismus, in: ders., Für Marx, Frankfurt am Main 1968, S. 168–201; Foucault, Michel, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt am Main 1971, S. 410–413.

[43] Vgl. Herzog, Dagmar, The Death of God in West Germany, in: Geyer; Hölscher (Hg.), Gegenwart, S. 431–466.

[44] Sölle, Einleitung, S. 15; dies., Aufstand und Auferstehung, in: dies.; Schmidt, Klaus (Hg.), Christentum und Sozialismus. Vom Dialog zum Bündnis, Stuttgart 1974, S. 49–53, S. 49; dies., Gibt es einen kreativen Haß?, in: Debus, Gerhard; Juhre, Arnim (Hg.), Almanach für Literatur und Theologie 6. Thema: Gewalt, Wuppertal 1972, S. 10–19, S. 12.

[45] Gollwitzer, Weltverantwortung, S. 86, S. 91ff.; ders., Klassenherrschaft – Klassenkampf, in: Sölle; Schmidt (Hg.), Christentum und Sozialismus, S. 13–26, S. 25f.

[46] Metz, Theologie der Welt, S. 76, S. 83, S. 115; ders., „Politische Theologie“ in der Diskussion, S. 268, S. 280f; vgl. Rahner, Karl, Zur Theologie der Hoffnung, in: Internationale Dialog-Zeitschrift 1 (1968), S. 67–78; ders., Marxistische Utopie und christliche Zukunft des Menschen, in: ders., Zur Theologie der Zukunft, München 1971, S. 149–159.

[47] Vgl. Eitler, Pascal, Max Horkheimer’s Supposed „Religious Conversion“. A Semantic Analysis, in: Geuss, Raymond; Kohlenbach, Margarete (Hg.), The Early Frankfurt School and Religion, New York 2005, S. 15–28, S. 191–194.

[48] Vgl. Gollwitzer, Helmut, Die reichen Christen und der arme Lazarus. Die Konsequenzen von Uppsala, München 1968; Gerling, Axel Ulrich; Scholl, Erhard (Hg.), Kirche der Armen? Neue Tendenzen in Lateinamerika, München 1972. Rückblickend: Greinacher, Norbert (Hg.), Leidenschaft für die Armen. Die Theologie der Befreiung, München 1990.

[49] Vgl. Pesch, Otto Hermann, Das Zweite Vatikanische Konzil, Würzburg 1994; Kaufmann, Franz-Xaver; Zingerle, Arnold (Hg.), Vaticanum II und Modernisierung, Paderborn 1996; Hünermann, Peter (Hg.), Das II. Vatikanum. Christlicher Glaube im Horizont globaler Modenisierung, Paderborn 1998; Wolf, Hubert; Arnold, Claus (Hg.), Die deutschsprachigen Länder und das II. Vatikanum, Paderborn 2000.

[50] Vgl. Eitler, Politik und Religion, S. 276–279.

[51] Vgl. van Onna, Ben; Stankowski, Martin (Hg.), Kritischer Katholizismus. Argumente gegen die Kirchen-Gesellschaft, Frankfurt am Main 1969.

[52] Vgl. Schmitz, Josef, Die Weltzuwendung Gottes. Thesen zu einer Theologie der Mission, Freiburg 1971; ders., Das Ende der Exportreligion. Perspektiven einer künftigen Mission, Düsseldorf 1971; Potter, Philip A. (Hg.), Das Heil der Welt heute. Ende oder Beginn der Weltmission? Dokumente der Weltmissionskonferenz in Bangkok von 1973, Stuttgart 1973.

[53] Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid, Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA, München 2001; Juchler, Ingo, Die Studentenbewegungen in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland der sechziger Jahre. Eine Untersuchung hinsichtlich ihrer Beeinflussung durch Befreiungsbewegungen und -theorien aus der Dritten Welt, Berlin 1996.

[54] Vgl. Stichweh, Rudolf, Die Weltgesellschaft. Soziologische Analysen, Frankfurt am Main 2000.

[55] Vgl. Dülffer, Jost, Europa im Ost-West-Konflikt 1945–1990, München 2004; Hummel, Karl-Joseph (Hg.), Vatikanische Ostpolitik unter Johannes XXIII. und Paul VI. (1958–1978), Paderborn 1999.

[56] Zum Algerienkrieg: Kalter, Christoph, Dekolonisierung und Antikolonialismus in Texten der frühen Neuen Linken in der BRD. Eine Zeitschriftenanalyse (1958–1962), Unveröffentlichte Magisterarbeit an der Freien Universität Berlin 2004.


Für das Themenportal verfasst von

Pascal Eitler

( 2008 )
Zitation
Pascal Eitler, „Wende zur Welt“? Die Politisierung der Religion in der Bundesrepublik Deutschland um 1968, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2008, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1687>.
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