Europas internationale Wettbewerbsfähigkeit. Der erste Bericht der Competitiveness Advisory Group der Europäischen Kommission (Juni 1995)[1]
Von Wencke Meteling
Das politische Streben nach internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist wesentlicher Teil der Geschichte der zweiten Globalisierung. Ob Unternehmen, Universitäten, Städte, Regionen, Staaten, die Eurozone oder die Europäische Union – sie alle wähnen sich im Wettbewerb mit Konkurrenten um Marktanteile, Kapital und Köpfe. Die vorliegende Quelle, ein Auszug aus dem ersten Bericht der Competitiveness Advisory Group (CAG) der Europäischen Kommission von 1995[2], stammt aus der Hochphase des Paradigmas der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Angetrieben durch die Stagflationskrisen, wurde es in den späten 1970er und in den 1980er Jahren zu einem festen Diskursbestandteil in den Auseinandersetzungen um Produktivitäts- und Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit und Finanzprobleme der öffentlichen Hand in Ländern des globalen Nordens. Die erste Regierung weltweit, die einen Bericht zur nationalen Wettbewerbsfähigkeit veranlasste, war die US-Regierung unter Jimmy Carter im Jahr 1980.[3] Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als an die Stelle der Systemkonkurrenz eine verschärfte Konkurrenz innerhalb des globalen Kapitalismus trat, wurde beiderseits des Atlantiks eine Vielzahl politischer Initiativen, Beraterstäbe, Programme und Vergleichsindices zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit ins Leben gerufen. Opinion leaders weltweit – Regierungschefs, ihre ökonomischen Berater, Wirtschaftsvertreter, Journalisten und immer mehr Wissenschaftler – waren wie besessen von der Idee der Wettbewerbsfähigkeit. Mitgliedsstaaten der EU initiierten nun nach US-amerikanischem Vorbild eigene Councils on Competitiveness mit Länderberichten zur nationalen Wettbewerbsfähigkeit.[4] Eine rasch anwachsende Industrie neoliberalen Benchmarkings propagierte „competitiveness“ als Schlüssel zu mehr Wachstum und nationalem Wohlstand. In seiner Anwendung auf ganze Volkswirtschaften war das Konzept unter Ökonomen zwar umstritten, politisch indes stand es hoch im Kurs.[5]
Bei der Krisenbewältigung seit den 1970er Jahren waren in der Europäischen Gemeinschaft wie in den Einzelstaaten je nach Politikfeld unterschiedlich ausgerichtete politische Ansätze zum Einsatz gekommen: mehr sozial orientierte, neomerkantilistische und marktorientierte. Der zunehmend seit den 1980er, besonders den 1990er Jahren beschrittene Weg neoliberaler Marktreformen in der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union war Ausfluss des marktorientierten Ansatzes; sein Flaggschiff war die EU-Wettbewerbspolitik der Kommission.[6] Das Ziel, den gemeinsamen europäischen Markt zu vollenden, implizierte, die Volkswirtschaften der Mitgliedsstaaten wie die EU insgesamt auf wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu polen. Im gemeinsamen Markt kam die Vorstellung eines internationalen Standortwettbewerbs zum Ausdruck, in dem Staaten und Gesellschaften auch innerhalb Europas auf offenen Märkten konkurrierten.[7]
Rund zwei Jahrzehnte lang war Anpassung an die Globalisierung durch mehr Wettbewerbsfähigkeit das ceterum censeo im politischen Diskurs führender Industrienationen, der Europäischen Kommission und internationaler Organisationen wie der OECD, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds. In jüngerer Zeit wird diese Maxime herausgefordert durch wirtschaftsnationalistische Kritik am Globalismus, befördert von einer Welle vor allem rechts-, aber auch linkspopulistischer Bewegungen ausgerechnet im globalen Norden, der doch am meisten von Politiken der Globalisierung profitiert hat. Im Angesicht gegenwärtiger massiver Infragestellungen der weltwirtschaftlichen Ordnung und ihrer leitenden Prinzipien wie Marktöffnung und Wettbewerbsfähigkeit lohnt es sich, dem einst hegemonialen Diskurs über internationale Wettbewerbsfähigkeit nachzuspüren und seine Historizität, seine Zeitgebundenheit herauszuarbeiten. Dazu wird zunächst die Entstehung der CAG und ihres ersten Berichts im Kontext der historischen Umbrüche der 1990er Jahre beleuchtet, ehe der Quellenauszug interpretiert wird. Worin bestand nach Ansicht der Expertengruppe die drängende Herausforderung für Europa? Warum setzte sie auf Wettbewerbsfähigkeit als Lösung und welche Politikempfehlungen verknüpfte sie damit? Der Essay schließt mit einigen kritischen Gedanken zum Diskurs über internationale Wettbewerbsfähigkeit und zu seinen Folgen.
Die Gründung der CAG im Kontext des welt- und europahistorischen Umbruchs der 1990er Jahre
Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Santer, der im Januar 1995 die Nachfolge des zehn Jahre lang präsidierenden Jacques Delors antrat, war die Gründung der CAG.[8] Auf dem vorausgegangenen EU-Gipfel im Dezember 1994 in Essen hatte der Europäische Rat beschlossen, der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und hatte die Einrichtung einer unabhängigen Expertengruppe, einer High Level Group zum Thema Wettbewerbsfähigkeit begrüßt.[9] Darauf hatte auch der European Round Table of Industrialists hingewirkt, ein Zusammenschluss von über vierzig Aufsichtsrats- und Vorstandschefs der größten (Industrie-)Unternehmen Europas, die intensive Lobbyarbeit betrieben. Im Vorfeld des Essener EU-Gipfels hatten sie Staatschefs sowie Delors und Santer gedrängt, eine European Competitiveness Advisory Group einzurichten, weil sie fürchteten, mit beginnender wirtschaftlicher Erholung werde politische Selbstgefälligkeit einsetzen. Mit dem Warnruf mangelnder Wettbewerbsfähigkeit mahnten sie strukturelle – neoliberale – Reformen an: Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Senkung der Arbeitskosten und Unternehmenssteuern, Vereinfachung und Harmonisierung der Steuersysteme, staatliche Ausgabenkürzungen, Überholung der Bildungs- und Ausbildungssysteme zugunsten der Informationsgesellschaft, Privatisierung im Bereich Energie, Telekommunikation und Transport, zügige Vollendung des gemeinsamen Marktes.[10]
Die Aufgabe der CAG bestand darin, alle sechs Monate – vor dem nächsten EU-Gipfel – einen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union vorzulegen und politische Empfehlungen für die Kommission und die Staats- und Regierungschefs zu erarbeiten, um Wachstum und Beschäftigung in Europa zu fördern. Die CAG zählte neben einem Vorsitzenden und einem Vizevorsitzenden zwölf europäische Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Wissenschaft: vier Gewerkschaftsvorsitzende, zwei Großunternehmensvorsitzende und CEOs, eine Nationalbankpräsidentin und einen Vizepräsidenten einer Bank, einen ehemaligen Finanzminister, einen Arbeitgeberpräsidenten, einen Professor der Arbeits- und Unternehmenswissenschaften sowie die ehemalige Präsidentin der Treuhandanstalt und Generalkommissarin der Weltausstellung Expo 2000 Birgit Breuel. Neben Breuel waren aus Deutschland der Vorsitzende der IG Chemie Hubertus Schmoldt und der Vorsitzende der IG Metall Klaus Zwickel CAG-Mitglieder. Zum Ersten Vorsitzenden der Gruppe wurde der ehemalige Ministerpräsident Italiens und einstige Präsident der Bank von Italien Carlo Azeglio Ciampi ernannt. Im Juni 1995 legte die CAG, auch Ciampi-Gruppe genannt, ihren ersten, 25 Seiten umfassenden Bericht vor, bis Mai 1996 folgten drei weitere Berichte.[11]
Die Initiierung der CAG geschah vor dem Hintergrund tiefgreifender Umbrüche in der internationalen Ordnung, eines weiteren Liberalisierungsschubs in der Weltwirtschaft und entscheidender Schritte im europäischen Integrationsprozess.[12] Nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus in Osteuropa und dem Ende des Kalten Krieges rutschte die Weltwirtschaft 1993 in eine Rezession, die in Europa die strukturell ohnehin hohe Arbeitslosigkeit weiter in die Höhe trieb. Dies geschah just zu dem Zeitpunkt, da der Europäische Binnenmarkt Realität wurde (zumindest offiziell, denn es standen noch etliche rechtliche Angleichungen zwischen den Mitgliedsstaaten aus) und der Maastrichter Vertrag in Kraft trat. 1995 nahm die neugegründete Welthandelsorganisation ihre Arbeit auf und traten Österreich, Finnland und Schweden der Europäischen Union bei, die sich damit von zwölf auf fünfzehn Staaten erweiterte. Auf der Prioritätenliste der Kommission standen die weitere Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion, insbesondere die weitere Integration des gemeinsamen Marktes, sowie die Bekämpfung von Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit ganz oben. Wegweisend für die ökonomische Strategie der Kommission und Richtschnur für die Arbeit der CAG war das Weißpapier der Kommission zu „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ vom Dezember 1993, in dem sie den Mitgliedsstaaten vor allem eine Flexibilisierung der Arbeitsmärkte nahegelegt hatte[13] – zunächst ohne Erfolg. Die Mitgliedsstaaten waren tief zerstritten über die Frage der Arbeitsmarktreformen; 1995 lag die Arbeitslosenzahl in der EU noch immer bei 11 Prozent (gegenüber 5,7 Prozent in den USA und 2,9 Prozent in Japan), und die Kommission sah sich mit wachsendem Euro-Skeptizismus konfrontiert.[14]
In seinem Schreiben an den Kommissionspräsidenten Santer, das dem ersten Bericht vorangestellt war, nannte der Vorsitzende Campi die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit in Europa (Schätzungen zufolge war sie seit Anfang der 1980er Jahre um rund 4 Prozent gestiegen) den Hauptgrund für die wirtschaftliche und soziale Unzufriedenheit in und mit der Union. Die CAG war zur festen und einhelligen Überzeugung gelangt, dass dringender Handlungsbedarf bestand, wollte Europa seine einst führende Rolle in der Weltwirtschaft zurückgewinnen. Deshalb müsse das Programm der Europäischen Kommission zur industriellen Wettbewerbsfähigkeit rasch in einen Aktionsplan münden. Dessen Prioritäten und Ziele mitzubestimmen, war Zweck des ersten Berichts der CAG.[15]
Teil I, dessen Anfang im nächsten Abschnitt eingehend interpretiert wird, skizzierte die allgemeine Problemstellung und lautete schlicht „Competitiveness and the European Economy“. Teil II war der Vollendung des Binnenmarktes gewidmet. Hier drängte die CAG auf schnellere rechtliche Umsetzung und tiefere Marktintegration, unter anderem durch die Verabschiedung eines Statuts des Europäischen Unternehmens. Zusätzlich bestimmte sie fünf Binnenmarkt-Prioritäten, die mit den Forderungen des Round Table of Industrialists konform gingen: Beseitigung interner Marktbarrieren, schnellere Deregulierung und Liberalisierung, baldige Implementierung der Europäischen Währungsunion, Steuerharmonisierung sowie Vereinfachung der Unionsgesetzgebung mit konsequenter Kosten-Nutzen-Analyse. Spezielle Politikempfehlungen behielt die CAG den Folgeberichten vor. Des Weiteren mahnte sie eine paneuropäische Infrastruktur bei Telekommunikation, Straßen-, Bahn- und Luftverkehr sowie Energie an. Die Trans European Networks sollten durch public/private partnerships finanziert werden. Und sie warb für ein „New Europe“, in dem Osteuropa nicht als bedrohliche Niedriglohnkonkurrenz gefürchtet, sondern als ökonomische Chance für West und Ost durch gemeinsame Infrastrukturprojekte, Handel und Investitionen gesehen wurde.[16]
Zur Stärkung des Europäischen Unternehmens (Teil III) empfahl die CAG ein Benchmarking einzelner Sektoren und Firmen, ohne dies allerdings zu präzisieren. Sie drängte darauf, Innovations- und Technologiehemmnisse abzubauen und plädierte für einen Fokus auf industriebezogene, angewandte Forschung. Am dringlichsten mahnte die CAG die Liberalisierung der Telekommunikation an, „the nervous system of the information economy“. Und sie warb für eine gemeinsame Rahmenordnung zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, auch und gerade durch den Staat, sowie besseren Zugang zum Kapitalmarkt.[17]
Die CAG war sich des Dilemmas bewusst, dass Menschen ökonomisch sowohl als Produktivitäts- wie auch als Kostenfaktoren gewertet wurden. Ihre Vorschläge zur Förderung „menschlicher Ressourcen“ (Teil IV) konzentrierten sich indes ganz auf Menschen als Produktivkräfte. Europäische Wettbewerbsfähigkeit, „information society“ und „learning society“ sollten sich gegenseitig verstärken. Bislang stünden der Verbreitung von Informationstechnologien die veralteten Bildungs- und Ausbildungssysteme in Europa im Weg, die radikalen Wandel nötig hätten. Die CAG empfahl die Schaffung von Knowledge Resource Centres, Best-practice-Modellen, Benchmarking, Flexibilisierung und Dezentralisierung sowie eine Abkehr vom humanistischen Bildungsideal zu Gunsten einer stärkeren Orientierung an mathematisch-technischen Disziplinen, die später als MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) beworben wurden.[18]
In ihrem ersten Bericht steckte die CAG somit ein umfassendes Rahmenprogramm ab, das sie in den folgenden drei Berichten genauer ausbuchstabierte. Besonders ihre Empfehlungen für Arbeitsmarktreformen im dritten Bericht bargen politischen Zündstoff, weil sie das europäische Sozialmodell aushöhlten.[19]
Der Niedergang Europas
Die CAG begann ihren ersten Bericht mit einer kritischen Bestandsaufnahme Europas 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. „The big challenge Europe faces is therefore to reverse relative decline.”[20] Dass Europa sich im Niedergang befinde und die Europäische Union eine „lahme Ente“ sei, war damals eine weitverbreitete Wahrnehmung unter Kommentatoren, wie Kommissionspräsident Jacques Santer 1997 rückblickend bemerkte: „European competitiveness was widely felt to be declining, resulting in increasing levels of unemployment, wasted resources and social tension.“[21]
Die Intensivierung des Diskurses über Wettbewerbsfähigkeit im globalen Norden war eng verknüpft mit Sorgen um relativen wirtschaftlichen Niedergang, die in den Stagflationskrisen der 1970er und frühen 1980er Jahre gediehen waren. Nachlassende Produktivitätszuwächse und wachsende industrielle Konkurrenz aus Schwellenländern markierten das Ende des „Golden Age“ zuerst in den USA und Großbritannien[22], bald auch in Westeuropa, dessen wohlfahrtsstaatliche Systeme in die Defensive gerieten.[23] 1985 prägte der marktliberale Ökonom und Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Herbert Giersch das Schlagwort der „Eurosklerose“.[24] Das Inkrafttreten der Einheitlichen Europäische Akte im folgenden Jahr und der Delors-Plan von 1989, die den künftigen Binnenmarkt absteckten, waren nicht zuletzt eine politische Antwort auf das wahrgenommene Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit.[25]
Als Maßstab für den relativen Niedergang Europas im verflossenen Jahrzehnt galten zum einen führende internationale Konkurrenten, vor allem die USA und Japan[26], gefolgt von aufstrebenden südostasiatischen Schwellenländern; zum anderen die einstigen eigenen Wirtschaftserfolge während des Nachkriegsbooms[27], als Europa Vollbeschäftigung sowie steigende Produktivität und Lebensstandards ohne Inflation verzeichnet und es geschafft hatte, die sogenannte „technologische Lücke“[28] gegenüber US-amerikanischen Spitzenreitern zu verringern. Als größte Errungenschaft wertete die CAG die Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Auf die „[d]isruption in the 1970s“ – die wirtschaftlichen und währungspolitischen Krisenphänomene in Folge der beiden Ölpreiskrisen[29] – seien zwar Anpassungsversuche erfolgt, so die CAG, sie reichten aber nicht, um den relativen Abstieg Europas umzukehren. Protektionismus erteilte sie eine klare Absage. Ihren ersten Bericht verstand die CAG als einen Weckruf an Politiker, Gewerkschaftsführer, Wirtschaftsvertreter und alle Bürger: „We must beware the danger of shifting from investment- and innovation-driven growth to wealth-driven decline.“ Das war ein Bekenntnis zur Angebotsökonomie, die auf Anreize für Investitionen und auf Innovationen setzte, um durch mehr Produktivität Wachstum und Wohlstand zu erzeugen. Die Alternative lautete Niedergang, so das Bedrohungsnarrativ.
Der Bericht gestand nationale wirtschaftliche Pfadabhängigkeiten durchaus ein, hielt es aber für ausgemacht, dass die unterschiedlichen Formen des Kapitalismus sich einander annäherten, wie es die damals dominante (neo)liberale Konvergenzthese besagte.[30] Gängige Gegenüberstellungen aus der wirtschaftspolitischen Debatte wie „competition versus cooperation“, „free market versus social welfare policies“ verwarf die Gruppe und warb stattdessen für ein europäisches Konsensmodell, das Marktmechanismen mit Politiken vereinen sollte, welche die „social dimension“ berücksichtigten. Die Gruppe ging hier gewissermaßen als Beispiel europäischer Konsensfindung zwischen den Sozialpartnern voran, wie Jacques Santer später in seinem Vorwort zu den CAG-Berichten bekräftigte.[31]
Dass es der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union an einer sozialen Dimension mangelte, war neben dem Vorwurf ihres Demokratiedefizits eine Hauptkritik,[32] auf die Kommission und CAG reagieren mussten. Explizit sprach die CAG in ihrem Bericht die Gefahr wachsender Ungleichheit zwischen Arm und Reich an (die sich seither massiv erhöht hat) und wandte sich gegen ein Verständnis des Staates als Unternehmer, wie es in Großbritannien und in den USA en vogue war. Vielmehr bekräftigte sie seine Rolle als Regulierer und Umverteiler.
Wettbewerbsfähigkeit als Lösung
Die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch angebotsökonomische Politiken avancierte in den 1990er Jahren zur dominanten Anpassungsstrategie in der zweiten Globalisierung.[33] Europäische Staaten und die EU-Kommission orientierten sich an US-amerikanischen Vorbildern, als sie Anfang bis Mitte der 1990er Jahre Councils on Competitiveness respektive die Competitiveness Advisory Group initiierten. Besonders prominent war die Wettbewerbsfähigkeitsstrategie der US-Regierung unter Bill Clinton. Sie war Ausfluss einer Reihe von Bemühungen, die seit den späten 1970er Jahren in den USA in Reaktion auf die Produktivitäts- und Wachstumsschwierigkeiten unternommen worden waren. Zu nennen ist etwa das Deregulierungsprogramm unter Jimmy Carter und Ronald Reagan. Die Carter-Regierung hatte 1980 den ersten Report of the President on US Competitiveness (1980) veranlasst,[34] 1983 rief Reagan die President’s Commission on Industrial Competitiveness (nach ihrem Vorsitzenden John Young, dem chief executive des Sillicon Valley-Giganten Hewlett-Packard, auch Young Commission genannt) ins Leben, auf die 1988 der Council on Competitiveness als privatwirtschaftliche Non-profit-Organisation folgte. Seit 1991 gibt es zusätzlich den Competitiveness Policy Council als offizielles Beratungskomitee für den Präsidenten und den Kongress. US-amerikanische Wettbewerbsfähigkeitsstrategien setzten auf die Geld- und Fiskalpolitik anstatt auf demand management, um private und öffentliche Investitionen zu fördern. Als Hebel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unter Clinton galten public/private partnerships im Rahmen einer nationalen Industrie-, Technologie-, Forschungs-, Innovations- und Ausbildungspolitik. Parallelen zur Initiative der CAG sind unverkennbar. Die frühen US-Initiativen hatten dabei noch stark im Zeichen des militärisch-ökonomischen Sicherheitsdenkens und Führungsanspruchs der USA im Kalten Krieg gestanden, deren wirtschaftliche Grundlage durch den Aufstieg Japans und der Bundesrepublik und den Erfolg ihrer staatlichen Industriepolitik in Frage gestellt schien. In der amerikanischen Diskussion trat in den 1980er Jahren der Japan-Schock an die Stelle des einstigen Sputnik-Schocks. Den Status einer global unangefochtenen wirtschaftlichen Supermacht erreichten die USA erst Mitte der 1990er Jahre.[35]
Den historischen Hintergrund des Diskurses über und von Politiken zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit bildeten dies- und jenseits des Atlantiks Sorgen um relativen industriellen und technologischen Niedergang. Dabei waren der US-amerikanische und der europäische declinism von geradezu spiegelbildlichen Ängsten gekennzeichnet: Während die Diagnose des „American decline“ seit den späten 1970er Jahren besagte, die Vereinigten Staaten gerieten gegenüber Japan und Europa, besonders der Bundesrepublik, in Bezug auf technologischen Fortschritt, Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen und die Qualität von Bildung und Ausbildung immer mehr ins Hintertreffen, wähnten sich Westeuropa und die Bundesrepublik gegenüber den USA und Japan im Bereich von (Hoch-)Technologie und Management (wiederholt) im Rückstand.
Zu den maßgeblichen Faktoren und Mechanismen, die den Diskurs über competitiveness antrieben, gehörten die zunehmende Internationalisierung der Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalmärkte seit den 1970er Jahren. Veränderungen in der internationalen Arbeitsteilung brachten neue Anbieter industrieller Güter hervor und setzten hergebrachte Produzenten in der Ersten Welt unter erheblichen Kostendruck („structural change“, „deindustrialization“). Der Aufstieg neuer Konkurrenten im Hochtechnologiebereich – erst Japan, dann die Asian Tigers – und ein rascher und als fundamental gedeuteter technologischer Wandel verstärkten die Konkurrenz an der Spitze der Wertschöpfungsketten. Mit dem Ende des Kalten Krieges beschleunigten und intensivierten sich diese Prozesse, obendrein kam es zu einer folgenreichen Verschiebung von Allianzpolitik und Systemkonkurrenz zur wahrgenommenen kapitalistischen Konkurrenz aller gegen alle. Es lag somit im Trend der Zeit, dass die Europäische Kommission im Zuge der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes, der den Wettbewerbsdruck auf Staaten und Unternehmen in der Europäischen Union schlagartig erhöhte, ebenfalls auf die Karte der Wettbewerbsfähigkeit setzte.
Als unabhängige und hochkarätige Expertengruppe konnte die CAG dabei strukturelle Mängel offen ansprechen, die aus dem Munde bzw. der Feder nationaler Regierungschefs oder der Europäischen Kommission weniger gut gelitten gewesen wären.[36] Allerdings vermied die Expertengruppe jede Kritik an konkreten Mitgliedsstaaten. Zunächst musste die CAG Kritik am Konzept der Wettbewerbsfähigkeit ausräumen, vor allem jene des renommierten US-Ökonomen Paul Krugman.[37] Mit „obsession“ spielte sie auf Krugmans Artikel „Competitiveness: A Dangerous Obsession“ an, der im Vorjahr im Magazin Foreign Affairs erschienen war und eine heftige Kontroverse ausgelöst hatte.[38] Krugmans Artikel begann mit einer Kritik an Kommissionspräsident Jacques Delors, der 1993 auf dem Kopenhagener EU-Gipfel die hohe Arbeitslosigkeit in Europa auf mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückgeführt hatte. „Let’s start telling the truth: competitiveness is a meaningless word, when applied to national economies. And the obsession with competitiveness is both wrong and dangerous.”[39] Krugman hielt das Konzept empirisch für falsch, da der Welthandel kein Nullsummenspiel sei, in dem Nationen wie Unternehmen miteinander konkurrierten, sondern (aufgrund nationaler komparativer Vorteile) ein Positivsummenspiel.[40] Seine Kritik zielte auch auf US-Präsident Clinton, der 1993 verkündet hatte, jede Nation sei „like a big corporation competing in the global marketplace“. Tatsächlich, so Krugman, hingen Lebensstandards führender Industrienationen, erst recht wenig exportorientierter Länder wie der USA, fast ausschließlich von der inländischen Produktivität ab, nicht von ihrer Leistung auf internationalen Märkten. Als politisches Instrument sei Wettbewerbsfähigkeit jedoch beliebt, „either to justify hard choices or to avoid them“. Die Rhetorik der Wettbewerbsfähigkeit sei gefährlich, weil sie zu schlechter Wirtschaftspolitik wie Protektionismus und Handelskriegen verleite und auch in anderen Bereichen den Ton angebe für eine fehlgeleitete Staatstätigkeit.[41]
Dieser Kritik stellte die CAG ihre Sicht der Wahrheit entgegen: Wettbewerbsfähigkeit impliziere durchaus „productivity, efficiency, profitability“. Sie sei aber kein Selbstzweck, sondern diene dem eigentlichen Ziel: steigenden Lebensstandards und wachsendem gesellschaftlichen Wohlstand. Damit folgte sie der einflussreichen Definition der US-amerikanischen Commission on Industrial Competitiveness von 1985, die 1992 auch die OECD übernommen hatte. Wettbewerbsfähigkeit ist demnach definiert als „the degree to which a nation can, under free and fair market conditions, produce goods and services which meet the test of international markets, while simultaneously maintaining and expanding the real incomes of its people over the long term”.[42] Um Missverständnissen vorzubeugen, vor denen Krugman warnte, stellte die CAG klar: „competitiveness is not a zero-sum game“. Internationalen Handel betrachtete sie als „a virtuous circle, going from investment to productivity, to trade, ultimately to rising standards of living“.[43] Vom Streben nach Wettbewerbsfähigkeit erhoffte sie sich mehr Benchmarking, also den Vergleich mit Spitzenreitern im jeweiligen Bereich, wodurch Langzeitprofitabilität und Kapitalakkumulation erreicht würden. Denn Investitionen hatte Europa bitter nötig, und zwar nicht nur in Infrastruktur: „The competitiveness game for Europe, as for other advanced regions of the world, mainly revolves around the ability to accumulate and improve human capital.” Die Förderung von Technologie und „Humankapital”[44] war ein zentrales Element im politökonomischen Diskurs über die Informationsgesellschaft.
Fazit: Wettbewerbsfähigkeit als neoliberales Politikbarometer
Zufrieden hielt Kommissionspräsident Jacques Santer 1997 fest: „The Euro-doomsayers once again, have been proved wrong.“[45] Dass sich die Wettbewerbsaussichten Europas gebessert hatten, rechnete er auch der CAG und ihren Politikempfehlungen zu, von denen einige inzwischen „mainstream Community policy“ geworden seien.[46] Dazu zählte Santer Verbesserungen für kleine und mittlere Unternehmen, den Abbau von Industriesubventionen, das Vorantreiben der Rechtsform des Europäischen Unternehmens, Marktöffnung in den Sektoren Telekommunikation, Elektrizität, Erdgas und Post; das Aufholen Europas in der Entwicklung der Informationsgesellschaft, Benchmarking gegenüber Konkurrenten, die Verringerung des Zahlungsbilanzdefizits in der Technologie, intensivere Handelsbeziehungen zur asiatisch-pazifischen Region und eine entschiedenere Haltung der EU zur Globalisierung.
Die CAG und die Europäische Kommission samt ihrem Präsidenten gehörten zu den Optimisten in der internationalen Debatte um Wettbewerbsfähigkeit. Sie waren (oder gaben sich zumindest) überzeugt, dass zwischenstaatliche Konkurrenz zum gegenseitigen Vorteil geschehe, weil Regierungen um die besten institutionellen Praktiken wetteiferten, was der Gesellschaft zu Gute komme. „Economic competition is thus the ally, not the enemy, of social dialogue“, versicherte die CAG. Ähnlich beteuerte Santer: „Competitiveness is not just about higher profits but, as much, about the quality of people, their daily lives, their working conditions and standard of living, employment stability and growth.“[47] Pessimisten in der Debatte hingegen warnten vor einem race to the bottom bei immobilen Faktoren, besonders Sozial- und Umweltstandards, im globalen Wettbewerb der Staaten um international mobile Ressourcen, vor allem Kapital.[48]
Welche Seite am Ende Recht hat, ist noch nicht ausgemacht; in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings erscheint in den allerletzten Jahren die Seite der Kritiker von Globalisierung und offenen Märkten im Aufwind. Hierzu haben die Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die Euroschuldenkrise sowie Austeritätspolitiken erheblich beigetragen. Soviel indes lässt sich sagen: Der Diskurs über internationale Wettbewerbsfähigkeit war stärkerer Regulierung sowie wohlfahrtsstaatlichen Politiken, mehr sozialer Gerechtigkeit und Solidarität in- und außerhalb Europas nicht zuträglich. Oft diente die Warnung vor nachlassender Wettbewerbsfähigkeit, vor abwandernden Produktionsstätten und Direktinvestitionen, so legitim sie gerade aus Unternehmer- und Investorensicht war, als politischer Hebel zur Deregulierung, zur Einhegung wohlfahrtsstaatlicher Ansprüche sowie zur Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Als Indikator für die ökonomische Leistung einer Volkswirtschaft war Wettbewerbsfähigkeit nur sehr bedingt geeignet, umso mehr jedoch – und hierin lag die Bedeutung des Diskurses – als neoliberales Politbarometer: als Maßstab für eine neoliberale „governing rationality“[49], die in den internationalen Wettbewerbsfähigkeitsindices und Bench-markings wie jenen der EU-Kommission besonders honoriert wurde.[50]
Dass internationale Wettbewerbsfähigkeit zur politischen Leitgröße aufstieg, lag an ihrer enormen Suggestionskraft im Kontext der Globalisierung. „Die ökonomischen Herausforderungen im Zeichen von Internationalisierung und Globalisierung schienen keine andere Wahl zu lassen, als Europa durch ein von oben und stark technokratisch gesteuertes Modernisierungsprogramm gleichsam ‚fit‘ zu machen für den neuen Weltmarkt.“[51] Die Europäische Kommission wirkte als Transmissionsriemen für ökonomische Liberalisierung, Deregulierung sowie technokratische Bürokratisierung in Europa, als Agentin neoliberaler Integration und diskursiver Normierung durch die Sprache des Monitoring und Controlling.[52] Während das Binnenmarktprogramm den Unternehmen mit den „vier Grundfreiheiten“ Freizügigkeit, Freiheit des Waren- und Kapitalverkehrs sowie der Dienstleistungen die ersehnte Marktexpansion und Deregulierung brachte, ist die sozialpolitische Einbettung ein in vielem unerfülltes Versprechen an die Adresse der Beschäftigten geblieben.[53] Immerhin verabschiedete die Union im Jahr 2000 auf ihrem Gipfel in Nizza eine Charta der Grundrechte der EU, die mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 2009 Rechtsverbindlichkeit erlangte. Zugleich steht Nizza aber für die Fortführung des Diskurses über Wettbewerbsfähigkeit und die weitere Neoliberalisierung der EU. Denn mit ihrer Lissabon-Strategie von 2000 ging die Europäische Kommission noch einen Schritt weiter als mit ihren Wettbewerbsfähigkeitsinitiativen der 1990er Jahre. In den Presidency Conclusions hieß es: „The Union has today set itself a new strategic goal for the next decade: to become the most competitive and dynamic knowledge-based economy in the world, capable of sustaining economic growth with more and better jobs and greater social cohesion.”[54]
Gegenwärtig erleben wir die Nemesis des einst hegemonialen Diskurses über Wettbewerbsfähigkeit und Globalisierung. Massive soziale Ungleichheit, Anti-Globalismus, Euroskeptizismus, Illiberalismus und Xenophobie gehören zu den negativen Neben- und Spätfolgen dieses Diskurses und damit einhergehender neoliberaler Politiken, zu denen die Europäische Kommission und die Competitiveness Advisory Group ihr Scherflein beigetragen haben. Denn wie die politökonomische Agenda der Europäischen Kommission, so atmeten die Berichte der CAG – trotz des eingestreuten Bekenntnisses zur sozialen Dimension Europas – einen neoliberalen Geist.[55]
[1] Essay zur Quelle: Enhancing European Competitiveness. First Report to the President of the Commission, the Prime Ministers and Heads of State; European Commission, Competitiveness Advisory Group, Luxemburg 1995 (im Folgenden: First Report), hier S. 1–3.
[2] Ebd.
[3] Report of the President on US Competitiveness, Office of Foreign Economic Research, US Department of Labour, Washington, DC 1980.
[4] Vgl. zu den Competitiveness-Initiativen der nachfolgenden US-Regierungen: Hughes, Kent H., Building the Next American Century: The Past and Future of American Economic Competitiveness, Washington, DC 2005, bes. S. xv–xvii und 1–14; außerdem Jacquemin, Alexis; Pench, Lucio R. (Hgg.), Europe Competing in the Global Economy: Reports of the Competitiveness Advisory Group, Preface by Jacques Santer, Cheltenham/Lyme 1997, S. 49–79, hier S. 3f., Anm. 3 und 4 sowie S. 26–36 zu zehn Länderberichten zur Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU.
[5] Vgl. Lee, Simon, Competitiveness of nations, in: Routledge Encyclopedia of International Political Economy, Bd. 1, hg. von Jones, R.J. Barry, London/New York 2001, S. 224–227; Rapkin, David P.; Strand, Jonathan R., Is International Competitiveness a Meaningful Concept?, in: Goddard, C. Roe; Passe-Smith, John T.; Conklin, John G. (Hgg.), International Political Economy. State-Market Relations in the Changing Global Order, Boulder 1996, S. 109–129.
[6] Siehe Warlouzet, Laurent, Governing Europe in a Globalizing World. Neoliberalism and its Alternatives following the 1973 Oil Crisis, London 2017.
[7] Zur Vorstellung des Standortwettbewerbs Meteling, Wencke, Nationale Standortsemantiken seit den 1970er-Jahren, in: dies.; Leendertz, Ariane (Hgg.), Die neue Wirklichkeit. Semantische Neuvermessungen und Politik seit den 1970er-Jahren, Frankfurt am Main/New York 2016, S. 207–241.
[8] Vgl. zu Gründungsgeschichte, Zusammensetzung, Auftrag und Arbeitsweise der CAG Jacquemin; Pench, Europe, S. 36–39.
[9] Siehe European Council Meeting on 9 and 10 December 1994 in Essen, Presidency Conclusions, bes. Introduction sowie Punkt I.6 Internal market and competitiveness, http://www.europarl.europa.eu/summits/ess1_en.htm (9.5.2018).
[10] Friedman, Alan, Business Fears Complacency by EU. Corporate Chiefs Say Recovery May Derail Essen Summit, in: International Herald Tribune, 6.12.1994; o. A., What We Need to Compete, in: Wall Street Journal Europe, 28.3.1995.
[11] Sie erschienen 1997 zusammengefasst in einem Band und mit einer ausführlichen Einleitung versehen: Jacquemin; Pench, Europe. (Die französische Ausgabe lautete: Pour une compétitivité européenne: rapports du groupe consultatif sur la compétitivité, Brüssel 1997.) Auf Ciampi folgte der schwedische Manager Percy Barnevik und dann, als Santer nach Ablauf des Zweijahresmandats eine neue CAG auflegte, der Franzose und ehemalige Generalsekretär der OECD Jean-Claude Paye, siehe Santer, Jacques, Preface, in: Jacquemin; Pench, Europe, S. xiii–xvi, hier S. xiv und xvi.
[12] Vgl. Wirsching, Andreas, Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit, München 2012, Kap. 6 und 8.
[13] European Commission of the European Union (Hg.), White Paper on Growth, Competitiveness, and Employment: The Challenges and Ways Forward into the 21st Century, Brüssel 1993. Einschlägig für die Grundlegung der Begrifflichkeit in der Debatte zur Wettbewerbsfähigkeit war: OECD, Technology and the Economy: The Key Relationships, Paris 1992.
[14] Siehe etwa Goldsmith, Charles, EU Again Faces Calls to Tackle Unemployment – As Summit Approaches, Observers Doubt Union Can Spur Job Creation, in: Wall Street Journal, 23.6.1995.
[15] Carlo A. Ciampis Brief an Präsident Santer, 16. Juni 1995, in: First Report, o. S. und ebd., S. 2. Grundlegende Dokumente der EU-Kommission zu Wettbewerbsfähigkeit waren: The competitiveness of European industry: Working document of the services of the European Commission, Luxemburg 1996-1999, fortgeführt als: European competitiveness report: Commission staff working document, prep. by the Directorate General Enterprise of the European Commission, Brüssel 2000ff.
[16] First Report, S. 9–14.
[17] Ebd., S. 14–19, Zitat S. 16.
[18] Ebd., S. 20–25. Der Begriff der „employability“ fiel zwar nicht, war als Gedanke aber omnipräsent. Die englischsprachige Entsprechung zu MINT-Fächern ist stem fields: science, technology, engineering, mathematics.
[19] Siehe die Gesamtbesprechung von Young, Stephen, Europe Competing in the Global Economy. Reports of the Competitiveness Advisory Group, in: Journal of International Business Studies 29 (1998), H. 2, S. 423-427.
[20] Im Folgenden stammen alle Zitate, soweit nicht anders vermerkt, aus dem hier abgedruckten Quellenausschnitt. Ausführlich zur Niedergangsdiagnose: First Report, S. 4–8.
[21] Santer, Preface, S. xiii.
[22] Siehe Tomlinson, Jim, The Politics of Decline. Understanding Post-War Britain, Harlow 2001.
[23] Vgl. Jacquemin; Pench, Introduction, S. 1–42, hier S. 2 und 10. Niedergang war ein kulturelles Deutungsmuster der Zeit: Widmer, Paul, Niedergangsdiagnosen zwischen Erfahrung und Erwartung, in: ders.; Koselleck, Reinhart (Hg.), Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema, Stuttgart 1980, S. 12–30.
[24] Giersch, Herbert, Eurosclerosis, Kiel 1985.
[25] Jacquemin; Pench, Introduction, S. 4.
[26] Einflussreiche Titel waren Servan-Schreiber, Jean Jacques, Le défi américain, Paris 1967 (die deutsche Ausgabe – Die amerikanische Herausforderung – ging noch im Jahr ihres Erscheinens 1968 in die fünfte Auflage) sowie Hedberg, Håkan, Die japanische Herausforderung, Hamburg 1970 (Original: Den japanska utmaningen, Stockholm 1969).
[27] Die zeithistorische Forschung in Deutschland diskutiert intensiv die „Strukturbruchthese“ von Doering-Manteuffel, Anselm; Raphael, Lutz, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 32012, S. 12ff. Die Wirtschaftsdaten des Nachkriegsbooms gelten in der Forschung als historische Ausnahme; den Zeitgenossen hingegen galten sie noch lange als anzustrebende Norm, an der sich die Defizite der Gegenwart bemaßen.
[28] Zu den Lückendiskursen seit den späten 1960er Jahren, in denen sich vielfältige moderne Krisenwahrnehmungen verdichteten: Geyer, Martin H., Die neue Wirklichkeit von Sicherheit und Risiken. Wie wir mit dystopischen, utopischen und technokratischen Diagnosen von Sicherheit zu leben gelernt haben, in: Leendertz; Meteling, Die neue Wirklichkeit, S. 281–315.
[29] Siehe Ferguson, Niall u. a. (Hg.), The Shock of the Global. The 1970s in Perspective, Cambridge/MA 2010.
[30] Die Hegemonie der Konvergenzthese wurde erst durch die einflussreiche Debatte um Varieties of Capitalism aufgebrochen: Hall, Peter A.; Soskice, David (Hgg.), Varieties of Capitalism: The Institutional Foundations of Comparative Advantage, Oxford 2001, 1-68; Hancké, Bob (Hg.), Debating Varieties of Capitalism: A Reader, Oxford 2009.
[31] Santer, Preface, S. xiv.
[32] Vgl. Streeck, Gekaufte Zeit, S. 148f.
[33] Vgl. Meteling, Wencke, Internationale Konkurrenz als nationale Bedrohung. Zur politischen Maxime der „Standortsicherung“ in den neunziger Jahren, in: Jessen, Ralph (Hg.), Konkurrenz in der Geschichte. Praktiken – Werte – Institutionalisierungen, Frankfurt am Main/New York 2014, S. 289–315.
[34] Report of the President on US Competitiveness, Office of Foreign Economic Research, US Department of Labour, Washington DC 1980.
[35] Vgl. Hughes (2005), American Century, bes. Preface und Introduction, S. xv-xvii und S. 1-14, zum Sputnik-Schock S. 68-93; außerdem die Literaturdiskussion zum Japan-Syndrom bei Thomas W. Zeiler (2015), Reagan and Globalization, in: Andrew L. Johns (Hg.), A Companion to Ronald Reagan, Malden/MA u. a., S. 608-625, hier S. 617-619.
[36] Jacques Santer bezog sich auf eine Äußerung eines nicht näher benannten „well-known European industrialist“, ders., Preface, S. xiii.
[37] Eine explizite Auseinandersetzung mit Krugmans Kritik findet sich in der späteren Einleitung: Jacquemin, Alexis; Pench, Lucio R., What Competitiveness for Europe? An Introduction, in: dies., Europe, S. 1–42, hier S. 6f.
[38] Krugman, Paul, Competitiveness: A Dangerous Obsession, in: Foreign Affairs 73 (1994), H. 2, S. 28–44; Prestowitz, Clyde V. u. a., The Fight over Competitiveness: A Zero-Sum Debate?, in: Foreign Affairs 73 (1994), H. 4, S. 186–204; Dunn, Malcom H., Do Nations Compete Economically? A Critical Comment on Prof. Krugman’s Essay ‘Competitiveness: A Dangerous Obsession’”, in: Intereconomics 29 (1994), H. 6, S. 303–308; Dunning, John H., Think Again Professor Krugman: Competitiveness Does Matter, in: The International Executive 37 (1995), H. 4, S. 315–324.
[39] Krugman, Competitiveness, S. 44.
[40] Ein Bestseller mit dieser Stoßrichtung war: Thurow, Lester C., Head to Head: The Coming Battle Among Japan, Europe, and America, New York 1992.
[41] Krugman, Competitiveness, Zitate S. 40 und 29. Wesentliche Kritikpunkte hatte er schon 1991 dargelegt: ders., Myths and Realities of U.S. Competitiveness, in: Science 254 (1991), S. 811–815. 1996 legte Krugman nach: ders., Making sense of the competitiveness debate, in: Andrea Boltho (Hg.), International Competitiveness, special issue, Oxford review of economic policy 12 (1996), H. 3, S. 17–25.
[42] Report of the President’s Commission on Industrial Competitiveness (1985), Hearing before the Subcommittee on Economic Stabilization of the Committee on Banking, Finance, and Urban Affairs, House of Representatives, Ninety-ninth Congress, first session, March 5, 1985, Washington DC, S. 6; OECD, Technology, S. 237; ferner Scott, Bruce R.; Lodge, George C.; Bower, Joseph (Hgg.), US Competitiveness in the World Economy, Cambridge/MA 1985.
[43] First Report, S. 8.
[44] Das Humankapital-Argument in der internationalen Debatte um Wettbewerbsfähigkeit prägte besonders Reich, Robert B., The Work of Nations: Preparing Ourselves for the Twenty-First-Century Capitalism, London 1991.
[45] Santer, Preface, S. xiii.
[46] Ebd., S. xivf.
[47] Ebd., S. xiv.
[48] Sally, Razeen, Competition between states, in: Routledge Encyclopedia of International Political Economy, Bd. 1, S. 218.
[49] Brown, Wendy, Undoing the Demos. Neoliberalism’s Stealth Revolution, Cambridge MA/London 2015, S. 9f.
[50] Vgl. am Beispiel des World Competitiveness Index des Weltwirtschaftsforums: Tomlinson, Politics, S. 108.
[51] Wirsching, Preis, S. 155.
[52] Ebd., Kap. 8.
[53] Streeck, Wolfgang, Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Berlin 32013, S. 149f.
[54] Lisbon European Council 23 and 24 March 2000, Presidency Conclusions, URL: http://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_en.htm (10.05.2018).
[55] Ich danke den Gutachterinnen und Gutachtern des Themenportals Europäische Geschichte für wertvolle Hinweise und Kommentare.
Literaturhinweise
European Commission of the European Union (Hg.), White Paper on Growth, Competitiveness, and Employment: The Challenges and Ways Forward into the 21st Century, Brüssel 1993.
Jacquemin, Alexis; Pench, Lucio R. (Hgg.), Europe Competing in the Global Economy: Reports of the Competitiveness Advisory Group, Preface by Jacques Santer, Cheltenham/Lyme 1997.
Krugman, Paul, Competitiveness: A Dangerous Obsession, in: Foreign Affairs 73 (1994), H. 2, S. 28–44.
Prestowitz, Clyde V. u. a., The Fight over Competitiveness: A Zero-Sum Debate?, in: Foreign Affairs 73 (1994), H. 4, S. 186–204.
Wirsching, Andreas, Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit, München 2012.