Essays/

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  • von Anna Karla

    Im September 1919 reiste eine Delegation im Auftrag der deutschen Regierung durch den Nordosten Frankreichs. Ziel der Reise war es, sich ein Bild zu machen: davon, wie es ein knappes Jahr nach dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Staaten der Entente um die Gebiete an der ehemaligen Westfront bestellt war; davon, welches Ausmaß der Zerstörungen sich in der Region nördlich und östlich der französischen Hauptstadt bot; davon, was zu tun sei, um den Wiederaufbau voranzutreiben, der auf der Friedenskonferenz in Versailles, in der französischen Presse und in der lokalen, regionalen und nationalen Politik als drängendes Problem gehandelt wurde. [...]

  • von Matthäus Feigk

    Auf der Fotografie von 1920 hat sich im Vordergrund eine Personengruppe in zwei Reihen − die vordere auf Holzstühlen sitzend, die hintere stehend − arrangiert. Im Hintergrund erkennt man die mit Efeu bewachsene Hausecke eines Backsteingebäudes. Links von der Gruppe sind ein Durchgang mit dreistufiger Treppe, direkt dahinter und am rechten Bildrand zwei Fenster zu sehen. Die Personen rechts der Bildmitte stehen bzw. sitzen mit ihren Stühlen im Gras eines Vorgartens. Die zwölf Männer und eine Frau nehmen größtenteils eine steife Haltung ein. [...]

  • von Katharina Stornig

    1903 druckte der Kölner J.P. Bachem Verlag eine Sammlung von Predigten, die als Vorlage für diverse Vorträge im Rahmen der Feste des Vereins der Heiligen Kindheit, einem 1843 gegründeten katholischen Missionsverein von und für Kinder, dienen sollten. Die erste der insgesamt vierzehn Predigten gab einen Überblick über die Ziele des Vereins und sollte vor allem die junge Zuhörerschaft begeistern. Der Kindheitsverein sei ein besonderer Verein, so der Autor Winand Hubert Meunier, katholischer Theologe und Pfarrer von Rellinghausen, weil er einzig und alleine aus Kindern bestünde. Dies war freilich eine verkürzte Darstellung der Realität; de facto wurde der Verein nicht nur von Erwachsenen geleitet, sondern hing auch wesentlich von deren Engagement und Spenden ab. Allerdings rückte Meunier die jungen Vereinsmitglieder ins Zentrum: [...]

  • von Marleen von Bargen

    1943/44 verfasste die im Schweizer Exil lebende deutsche Sozialistin und Reformpädagogin Anna Siemsen (1882-1951) den Aufsatz „Die Frau im neuen Europa“. In diesen Ausführungen appellierte sie vor allem an die Frauen, sich zum Ende des Krieges für eine gemeinsame soziale Aufbauhilfe in Europa zusammenzuschließen. Durch Hilfe zur Selbsthilfe sollte ein künftiges gemeinsames Arbeiten der europäischen Länder möglich werden. Damit, so Siemsen, könne ein europäisches Bewusstsein geweckt werden – ein Gefühl der Solidarität zwischen den Völkern Europas, das sie als unabdingbar für eine europäische Einigung und für einen dauerhaften Frieden betrachtete. Siemsen sah Frauen aufgrund ihrer spezifisch weiblichen Eigenschaften und ihrer spezifisch weiblichen Kriegserfahrung für diese Aufgaben als prädestiniert an. Indem sie auf diese Weise die umfassende politische Veränderung Europas mit fürsorgepolitischen Überlegungen verband, skizzierte sie zugleich eine weibliche Europa-Vorstellung. [...]

  • von Axel Schildt

    Die Dramatik des Kalten Krieges in seiner heißesten Phase um 1950 kann man sich überhaupt nicht krass genug ausmalen. Demoskopisch immer wieder ermittelt, erwartete die Mehrheit der Westdeutschen den Ausbruch eines dritten und mit atomaren Waffen ausgetragenen Weltkriegs in naher Zukunft. Man wähnte sich lediglich in einer kurzen historischen Atempause zwischen zwei planetarischen Waffengängen. Der ferne Korea-Krieg, der am Anfang eines beispiellosen Exportbooms stand, führte in der Bundesrepublik zu angsterfüllten Hamsterkäufen. Das Wohnen in Hochhäusern wurde von manchen Experten abgelehnt, weil jene leichte Ziele für feindliche Flieger böten. Dem Kalten Krieg korrespondierte eine in allen westlichen Ländern dominierende culture of fear. [...]

  • von Chantal Metzger

    Le colloque bisannuel organisé par le Comité franco-allemand de recherches sur l’histoire des 19ème et 20ème siècles, qui s’est tenu du 24 au 26 septembre 2004 à l’Institut Gustav Stresemann à Bonn, a porté sur les relations existant entre l’Allemagne, la France et l’Amérique du Nord au cours des 19 et 20ème siècles. Le choix du sujet était resté en suspens lors de l’Assemblée générale du 16 septembre 2002 à Pont-à-Mousson. Deux thèmes avaient été retenus : l’un portait sur les transferts culturels, l’autre sur les relations entre nos deux pays et les pays non-européens d’Asie, d’Afrique ou d’Amérique. Le premier d’entre eux ayant fait l’objet de plusieurs colloques au cours de l’année 2004, le bureau du Comité a décidé, après enquête auprès des membres, de choisir le second.

  • von Thomas Raithel

    Mit den Schlagworten „Amerika“ und „Amerikanisierung“ verband sich nach dem Ersten Weltkrieg in Europa eine massive wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Herausforderung. Der Beitrag bewertet im deutsch-französischen Vergleich das jeweilige Ausmaß dieses Vorgangs. Nach einem ersten Abschnitt zu den historischen Voraussetzungen der jeweiligen nationalen Amerika-Diskurse werden im zweiten Kapitel verschiedene Erscheinungsformen der „amerikanischen“ Herausforderung vorgestellt und systematisiert (wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in den USA; massenkulturelle „Importe“ aus den USA; generelle technische und soziokulturelle Modernisierungen, die vielfach mit dem Begriff des „Amerikanismus“ identifiziert wurden). Dabei wird auch auf die charakteristischen Reaktionen eingegangen, wie sie in den deutschen und französischen Amerika-Debatten zum Ausdruck kamen. Im dritten Kapitel folgen dann eine komparatistische Synthese und ein kurzer Ausblick bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

  • von Reiner Marcowitz

    Im Mittelpunkt der Analyse steht das trilaterale Beziehungsgeflecht zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und den USA nach dem Zweiten Weltkrieg, weil sich in ihm paradigmatisch die verschiedenen Etappen und unterschiedlichen Facetten des amerikanisch-westeuropäischen Verhältnisses dieser Zeit spiegeln und sich damit auch jenes Spannungsverhältnis von Amerikanisierung, Europäisierung und Westernisierung ausloten lässt, in dem die ökonomische, politische und soziokulturelle Prägung der Westeuropäer nach 1945 stand. Dabei markieren die 1960er und 1970er Jahre – so die These – eine entscheidende Zäsur sowohl in den transatlantischen Beziehungen als auch – damit zusammenhängend – für den westeuropäischen Integrationsprozess sowie das Selbstverständnis der Westeuropäer, insofern als sich damals jene doppelte Ambivalenz herausbildete, die bis heute prägend geblieben ist. [...]

  • von Helga Bories-Sawala

    Der Beitrag untersucht, ausgehend von der Berichterstattung in der Tagespresse über das quebecer Unabhängigkeitsreferendum von 1995, die Vektoren der deutschen Québec-Wahrnehmung, im Vergleich zu Italien, wo eigene innenpolitische Konflikte (Sezessions­bestrebungen der Lega Nord) für eine überwiegend ablehnende Haltung der Presse maßgeblich waren, und zu Frankreich, wo erwartungsgemäß Interesse und Verständnis für die Entscheidung, vor der die Québécois standen, aber auch die Differenziertheit der Information größer waren. Generell gilt, dass der jeweilige Blick auf Québec sehr stark vom Grad der Vertrautheit und Vorinformation und von eigenen aktuellen Befindlichkei­ten und Interessen geprägt war, sowie von historisch gewachsenen Einstellungen und Sichtweisen.

  • von Dietmar Hüser

    Kaum ein Lied markierte die erste Welle amerikanischer Rock 'n' Roll-Musik mehr als Rock around the clock von Bill Haley and the Comets. Im April 1954 eingespielt, eroberte das Stück im Jahr darauf die US-Charts, dann die Hitparaden in der Alten Welt. Parallel zum Übergang von der Mangel- in die Massenkonsumgesellschaft nahm nun der Sieges­zug des Rock 'n' Roll seinen Anfang. Ein Siegeszug, der zunächst noch auf zahlreiche Widerstände traf, allen voran in der Erwachsenenwelt, der langfristig aber beträchtlich beitragen sollte zum Selbstverständnis einer eigenweltlichen Jugend gegenüber etablier­ten Autoritäten und Hierarchien. Der Beitrag versucht einmal, die bislang beschrittenen nationalen Pfade der Amerikanisierungsforschung zu verlassen und nach Ähnlichem und Unterschiedlichem in den allgemeinen Rahmenbedingungen wie den konkreteren Aneig­nungsprozessen von Rock 'n' Roll in der französischen und westdeutschen Gesellschaft der späten 1950er und frühen 1960er Jahre zu fragen.[...]

  • von Christoph Conrad

    Das deutsch-französische Verhältnis weist eine reichhaltige Geschichte gegenseitiger Wahrnehmungen, Charakterzuschreibungen und Stereotypen auf. In der Tat lässt sich diese „histoire croisée“ als eine Verschränkung von Verfeindung und Anfreundung, Verteufelung und Bewunderung schreiben. Was für die Vordenker des Nationalismus im 19. Jahrhundert eine Binsenweisheit war, musste die historische Forschung erst wieder entdecken, nämlich dass sich ohne diesen ständigen Bezug auf den Anderen die eigene Identität nicht entwerfen ließ.[...]

  • von Susan Rößner

    „[...] I should never have undertaken the task“, gestand Hendrik Willem van Loon in seinem 1922 erschienen Werk „The Story of Mankind“, einer Weltgeschichte für Kinder und Jugendliche. Der Erfolg seines Buches sollte seine Zweifel jedoch ausräumen: 75.000-mal verkaufte sich das Buch allein in der ersten Auflage, bis 1947 wurde es in englischer Sprache 19-mal – ab 1939 jährlich – neu aufgelegt, und es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, so auch Urdu und Bantu. Im Jahr seines Erscheinens rangierte das Buch auf Platz zwei der amerikanischen Sachbuch-Bestsellerliste, übertroffen nur von H.G. Wells’ „Outline of History“. Van Loons Weltgeschichte begeisterte so sehr, dass sie mit der eben erst geschaffenen „Newbery Medal“ ausgezeichnet wurde, dem bis heute verliehenen Preis der „Association for Library Service to Children of the American Library Association“ (ALA) für das beste Kinderbuch des Jahres. Mit Dennis Hopper als Napoleon und den Marx Brothers wurde das Buch 1957 von Irwin Allen sogar verfilmt. [...]

  • von André Kaspi

    Die USA sehen Frankreich und Deutschland 1945 nicht im gleichen Licht. Frankreich ist ein verbündetes Land, das die amerikanischen Soldaten besonders freundschaftlich empfangen hat. Aber es ist auch ein unbequemer Verbündeter. De Gaulle geht es um den Erhalt der nationalen Unabhängigkeit, und mit diesem Ziel widersetzt er sich gegebenenfalls auch den USA, wie zum Beispiel in den Auseinandersetzungen um Stuttgart und Clipperton. Das besiegte Deutschland soll vom Nationalsozialismus geheilt und nach demokratischem Modell wieder aufgebaut werden. In beiden Fällen sind die USA zu einer europäischen Großmacht geworden, wohlwissend, dass sich Europa, der alte Kontinent, im Niedergang befindet und nie wieder die gleiche Stellung wie vor 1939 einnehmen wird.

  • von Armin Heinen

    Wenige Themen US-amerikanischer Kultur wecken in Europa so viele Emotionen wie die Todesstrafe. Wollten die USA dem Europarat beitreten, so würde ihr Gesuch abgelehnt, und selbst der Beobachterstatus wäre umstritten. Der Beitrag untersucht die Geschichte der Todesstrafe als gemeinsame Geschichte einer US-amerikanisch-europäischen, westlichen Zivilisation, zeigt, dass selbst innerhalb der USA ganz unterschiedliche Traditionslinien zu beobachten sind, und entwickelt die These einer „Neuerfindung“ der USA und Europas seit dem Ende der 1960er bzw. 1980er Jahre. In beiden Fällen geht es um die „Erfindung von Tradition“, aber während die USA an das Referenzmodell der „Siedlergemeinschaft“ anknüpft, ist die Erfahrung totalitärer Staatsmacht für Europa maßgebend geworden. So stehen sich heute das „alte Amerika“ und das „neue Europa“ in der Frage der Todesstrafe „verständnislos“ gegenüber.

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