Im Spätsommer des Jahres 1877 begab sich eine kleine Gruppe junger Novizinnen der Schwestern von der heiligen Katharina aus der ostpreußischen Stadt Braunsberg auf eine Reise nach Skandinavien. Ziel war die finnische Hauptstadt Helsinki, die damals den schwedischen Namen Helsingfors trug. Die Schwestern wollten hier in der katholischen Kirchengemeinde als Lehrerinnen arbeiten. Wie sie waren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Menschen im Namen der Kirche unterwegs in Europa. Sie hatten sich die Verkündigung des Evangeliums zur Aufgabe gemacht und arbeiteten vor allem im Schulwesen und in der Krankenpflege. Eingebunden in religiöse Netzwerke reisten also nicht nur Priester, Missionare, Ordensmänner, Brüder oder Diakone, sondern auch Ordensfrauen, Diakonissen, Schwestern und Missionarinnen. Doch was bedeuteten diese weiblichen Aktivitäten? [...]
Sexualität und Geschlechterrollen zählten zu jenen soziokulturellen Feldern, die in der BRD und in Österreich in den Nachkriegsjahren besonders heftig diskutiert wurden. Mehr oder weniger Konsens bestand darüber, dass die NS-Geschlechterimages und die mit ihnen einhergehende pro- und antinatalistische Sexualideologie nur mehr zwecks Abgrenzung aufgerufen werden konnten. Sollte man also bei der Etablierung eines ‚neuen‘ Männer- und Frauenbildes und entsprechender Sexualformen an die Tradition der Weimarer Republik oder sogar des Kaiserreichs in der BRD bzw. an den Ständestaat oder die Erste Republik in Österreich anknüpfen? [...]
Am 24. April 1975 drangen sechs Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) in das Botschaftsgebäude der Bundesrepublik in Stockholm ein. Mit zwölf Geiseln in ihrer Gewalt forderten sie die Bundesregierung ultimativ auf, ihre inhaftierten Gesinnungsgenossen – 26 verurteilte oder angeklagte RAF-Mitglieder wurden genannt, unter ihnen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe – freizulassen. Andernfalls, so ihre Drohung, würden sie im Gebäude mehrere Tonnen TNT zur Explosion bringen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen und den Ernst ihrer Absichten zu unterstreichen, verletzten sie den deutschen Militärattaché Andreas von Mirbach so schwer, dass er noch am selben Tag seinen Verletzungen erlag; als die Bundesregierung auch dann eine Freilassung ablehnte, erschossen sie den Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaart. [...]
Im Spätsommer des Jahres 1877 begab sich eine kleine Gruppe junger Novizinnen der Schwestern von der heiligen Katharina aus der ostpreußischen Stadt Braunsberg auf eine Reise nach Skandinavien. Ziel war die finnische Hauptstadt Helsinki, die damals den schwedischen Namen Helsingfors trug. Die Schwestern wollten hier in der katholischen Kirchengemeinde als Lehrerinnen arbeiten. Wie sie waren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Männer und Frauen im Namen der Kirche unterwegs in Europa. Sie hatten sich die Verkündigung des Evangeliums zur Aufgabe gemacht und arbeiteten vor allem im Schulwesen und in der Krankenpflege. Eingebunden in religiöse Netzwerke reisten also nicht nur Missionare, Ordensmänner, Brüder oder Diakone, sondern auch Ordensfrauen, Diakonissen, Schwestern und Missionarinnen. Doch was bedeuteten diese weiblichen Aktivitäten? [...]
Wie wird man seine Vergangenheit los? Zwei Mal im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Estland unabhängig, zwei Mal, 1918 und 1991, verließ das Land die Konkursmasse eines russisch dominierten Vielvölkerreichs. Gleichsam als Symbol des jeweils angestrengten Wandels darf der Umgang der neuen nationalen Exekutive mit der monumentalen Erinnerung an den früheren transnationalen Staatszusammenhang gelten. In diesem Beitrag werden zwei Denkmäler behandelt, die in idealtypischer Weise dafür stehen, wie lokale Gemeinschaften bestimmte Aspekte ihrer Vergangenheit im Kontext der jeweilig dominierenden Narrative verhandeln. [...]
Am 5. März 1989 trat Grigori Kanovic vor der jüngst gegründeten Jüdischen Kulturgemeinde Litauens auf. In einer flammenden Rede sprach der litauisch-jüdische Schriftsteller vom Neubeginn für das jüdische kulturelle Leben in Litauen und vom Aufbruch der Erinnerung an die Shoah, einer Erinnerung, die lange Jahre unterdrückt worden war. Das Motto seiner Rede – Geh und fürchte Dich nicht – ist ein Aufruf an die Bürger Litauens jüdischer Herkunft, an die wenigen Überlebenden und die aus der Sowjetunion zugezogenen jüdischen Immigranten, die Geschichte des jüdischen Schicksals während des Zweiten Weltkriegs ohne Furcht und Scham zu erinnern, diese gar als zentralen identitätsstiftenden Bestandteil der jüdischen Schicksalsgemeinschaft gelten zu lassen. In der bewussten Wahl und durch häufige Wiederholung des alttestamentarischen Satzes, mit welchem ursprünglich Gott dem jüdischen Vorvater Abraham Mut zugesprochen hatte, bekommt das Motiv des Weiterlebens des Jüdischen hier eine besonders starke Akzentuierung.[...]
Since the nineteenth century, a number of nation states have emerged. The process of nation building and the awareness of national identities ran parallel to what has often been termed ‘first-wave feminism’, that is, the growth in women’s organisations and discussions of gender identities, discussions of how to understand femininity and masculinity. These two historical processes have been studied separately until very lately. Now, some historians have taken an interest in unravelling the interaction of the two ideologies, nationalism and feminism. [...]
Jörg Baberowski und Anselm Doering-Manteuffel formulieren in ihrem Essay „Ordnung durch Terror“ apodiktisch: „Überall, wo Herrschaft ausgeübt wird, herrscht eine Ordnung. Sie beruht auf Informationen und Wissen, mit denen Unverstandenes kategorisiert und klassifiziert wird. Jede Klassifizierung aber ist ein Gewaltakt, der die Menschen zwingt, sich einer Ordnung zu unterwerfen. Wer sich nicht fügt, fällt aus der Ordnung heraus.“ Am Beispiel der nationalsozialistischen bzw. stalinistischen Diktatur beschreiben sie dann, im Anschluss an die Metaphorik Zygmunt Baumans, detailliert, was dieses „Herausfallen“ im 20. Jahrhundert bedeuten konnte: Wie „Gärtner“ „jäteten“ Hitler und Stalin das „Unkraut“, sie entsorgten den „Abfall“, der „der Klassifikation trotzt[e] und die Sauberkeit des Rasens zerstört[e]“, d.h. sie vernichteten Menschen, die nicht in ihre rassistischen bzw. nationalistischen Konzepte passten.[...]
Das Kriegsmanifest Gustav Adolfs von Schweden, das im Juli 1630 Dutzende von Flugschriften durch Deutschland trugen, um die am 26. Juni mit der Landung des schwedischen Heeres auf der Insel Usedom begonnene Intervention im Reich zu legitimieren, fand große Beachtung, bei den Zeitgenossen nicht anders als später bei den Historikern. Denn erst dieser Kriegseintritt Schwedens ließ die konfessions- und machtpolitischen Auseinandersetzungen im Reich zu jenem Dreißigjährigen Krieg werden, der – wie noch die Europaratsausstellung 1648 – Krieg und Frieden in Europa 1998 in Münster und Osnabrück gezeigt hat – bis heute als traumatische Erfahrung und lieu de mémoire im Geschichtsbewusstsein der Deutschen fortlebt.[...]
Nach wie vor ist die Wahrnehmung vieler durch die Vorstellung geprägt, dass mit der Grenzziehung zwischen West- und Ost- bzw. Ostmitteleuropa – mit dem Eisernen Vorhang im Kalten Krieg – gleichzeitig eine Zivilisationsgrenze entstanden sei. Dagegen stellt der Autor heraus, dass Ostmitteleuropa seit dem Spätmittelalter an allen umfassenden Kommunikations- und Kulturtransferprozessen (Renaissance, Reformation und Aufklärung) partizipiert hat, weshalb die davon geprägte nationale wie kulturelle Identität der „Ostblock“staaten während des Kalten Kriegs auch nur oberflächlich überformt wurde. Nach Überwindung der in erster Linie politischen Spaltung bieten die historisch-kulturellen Gemeinsamkeiten der Ostmitteleuropäer und Westeuropäer somit für die Staaten Ostmitteleuropas die Grundlage für ihre „Rückkehr nach Europa“ im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses.