Im November 1922, unmittelbar nach Mussolinis Marsch auf Rom, verfassten die italienischen Feministinnen Rosa Genoni (1867–1954) und Ida Vassalini (1891–1953) eine Rede anlässlich der internationalen „Konferenz für einen neuen Frieden“, die vom 7. bis 9. Dezember 1922 in Den Haag stattfinden sollte. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF); Genoni und Vassalini vertraten die italienische Sektion. Die WILPF, auf Deutsch „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit“ (IFFF), war aus dem Frauenfriedenskongress in Den Haag vom April 1915 hervorgegangen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wählten die Mitglieder die Stadt Genf zum Sitz der internationalen Organisation, um dem Völkerbund nahe zu sein. Das Hauptziel der WILPF bestand im Einsatz für eine friedliche Lösung globaler Konflikte, an zweiter Stelle stand das Engagement für die Emanzipation von Frauen. Stark geprägt von Vertreterinnen jüdischer Herkunft und Quäkerinnen aus den USA und Europa, beschäftigte sich die Vereinigung auch mit Minderheitenrechten und dem Problem von Flüchtlingen. Obwohl keine humanitäre, sondern eine politische und bildungsorientierte Institution, waren zahlreiche Mitglieder der WILPF in humanitären Netzwerken tätig, so dass häufig Überschneidungen zwischen den beiden Sphären – feministischem Pazifismus und Humanitarismus – entstanden.
Der Beitrag stellt die These auf, dass Interpol – eine der zentralen Organisationen heutiger europäischer und internationaler Zusammenarbeit – in seiner Vergangenheit an antiliberale Modernitätsprojekte geknüpft war, ohne dass dies kritisch reflektiert würde. Der vorliegende Text versteht sich vor diesem Hintergrund als Versuch, die Idee europäischer Zusammenarbeit im Bereich der Polizei stärker zu historisieren, das heißt die Sinnwelten der damaligen Akteure zu rekonstruieren.
Erich Weinerts Ballade John Schehr und Genossen war ein wichtiger Text des in der DDR propagierten Antifaschismus. Das Gedicht war obligatorischer Bestandteil des Lehrplans der DDR-Schulen und verdeutlicht exemplarisch die verzerrte Repräsentation des kommunistischen Widerstandskampfes gegen den Nationalsozialismus in der DDR. Dessen politische Instrumentalisierung hat Historiker veranlasst, vom „verordneten“, „gesäuberten“, „missbrauchten“ und „gescheiterten Anti-Faschismus der SED“ zu sprechen.
Der Begriff, mit dem Hitler die rassistische Neuordnung Ostmitteleuropas umschrieb, fiel gleich zu Beginn des Krieges gegen Polen im September 1939: „Flurbereinigung“. Dieser Terminus aus der Agrarpolitik, mit dem die Zusammenfassung und Neuaufteilung von Feldern bezeichnet wird, um sie effizienter bewirtschaften zu können, bezeichnete treffend die Verbindung von Territorialität, Siedlungspolitik und rassenbiologischer Ordnungsphantasie, die der NS-Führung vorschwebte. Menschen waren in ihren Augen nichts anderes als Bodengewächse, die man hier und dort anpflanzen oder auch wie Unkraut ausreißen konnte. Räume mussten „bereinigt“ werden, das heißt die in ihnen lebenden Menschen unterworfen, vertrieben, deportiert oder getötet werden, um diese Räume zu beherrschen, auszubeuten oder zu besiedeln. „Lebensraum“ bildete einen zentralen Terminus nationalsozialistischer Politik. [...]
In der globalen Erinnerung ist die spanische Geschichte der frühen 1930er-Jahre zu einem prominenten Symbol für die europäische Geschichte im „Zeitalter der Extreme“ geworden. Das Scheitern der Zweiten Republik der Jahre 1931–1936 und der anschließende blutige Bürgerkrieg werden immer wieder als Parabel der Geschichte Europas in der Zwischenkriegszeit gelesen. Der Niedergang der spanischen Demokratie gilt als extremes Beispiel für die politische Instabilität und die weltanschauliche Polarisierung der europäischen Gesellschaften vor dem Zweiten Weltkrieg. Darüber hinaus scheint die spanische Entwicklung in besonderem Maße durch den Aufstieg radikaler Ideologien – Anarchismus und Kommunismus auf der einen Seite, militanter Nationalkatholizismus und bald auch Faschismus auf der anderen Seite – geprägt zu sein. [...]
Eine Europakarte, welche durch keinerlei staatliche Grenzen definiert ist. Ein säulenähnlicher Stamm, der genau in ihrer Mitte geradlinig wächst, dessen Wurzeln sich aber quer durch den europäischen Kontinent erstrecken. Eine Baumkrone schließlich, welche zwischen ihren Blättern eine kugelförmige, soeben gekeimte Frucht hält, die das zu symbolisieren scheint, was unmittelbar als Titel angeführt ist: die „Gruendungstagung des Europaeischen Jugendverbandes Wien 1942“. [...]
Am 1. April 1936 unterzeichneten der Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, und sein italienischer Amtskollege Arturo Bocchini in der Reichshauptstadt Berlin eine folgenschwere geheime Übereinkunft: das sogenannte deutsch-italienische Polizeiabkommen. Das Abkommen und die beiden kurz darauf folgenden Zusatzvereinbarungen sahen eine ausgesprochen enge Kooperation bei der internationalen Verbrechensbekämpfung vor, die weit über das bis dahin gekannte Maß zwischenstaatlicher Polizeizusammenarbeit hinausgehen sollte. Der Vertragstext beinhaltete nicht nur einen umfassenden gegenseitigen Informationsaustausch über verdächtige Personen. Insbesondere die Vereinbarung, dass die Polizeikräfte beider Länder Verdächtige unter „Ausschaltung diplomatischer Verhandlungen“ außer Landes verbringen durften, brach mit den Grundsätzen des damals geltenden internationalen Auslieferungsrechts. Allen Akteuren war damals klar, dass es dabei um staatlich legalisierte Verschleppung über die Landesgrenzen hinweg ging. [...]
Der vorliegende Text will den Stellenwert der antijüdischen Rassenpolitik im italienischen Faschismus und gegenüber dem Nationalsozialismus herausheben, ohne dass gleichgesetzt werden soll, was nicht gleichgesetzt werden kann. Noch weniger geht es um eine Relativierung der vom Nationalsozialismus begangenen Verbrechen; es soll lediglich einer ihrerseits unstatthaften Verharmlosung des italienischen Faschismus entgegen gewirkt werden.[...]
Jörg Baberowski und Anselm Doering-Manteuffel formulieren in ihrem Essay „Ordnung durch Terror“ apodiktisch: „Überall, wo Herrschaft ausgeübt wird, herrscht eine Ordnung. Sie beruht auf Informationen und Wissen, mit denen Unverstandenes kategorisiert und klassifiziert wird. Jede Klassifizierung aber ist ein Gewaltakt, der die Menschen zwingt, sich einer Ordnung zu unterwerfen. Wer sich nicht fügt, fällt aus der Ordnung heraus.“ Am Beispiel der nationalsozialistischen bzw. stalinistischen Diktatur beschreiben sie dann, im Anschluss an die Metaphorik Zygmunt Baumans, detailliert, was dieses „Herausfallen“ im 20. Jahrhundert bedeuten konnte: Wie „Gärtner“ „jäteten“ Hitler und Stalin das „Unkraut“, sie entsorgten den „Abfall“, der „der Klassifikation trotzt[e] und die Sauberkeit des Rasens zerstört[e]“, d.h. sie vernichteten Menschen, die nicht in ihre rassistischen bzw. nationalistischen Konzepte passten.[...]
Über die Zielsetzung des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus wird nach wie vor gestritten – in der Regel aus der Perspektive der Nachlebenden, die angesichts der zuweilen tief im 19. Jahrhundert wurzelnden vorkonstitutionellen Grundvorstellungen des Widerstands bezweifeln, dass der Umbruch als Folge eines gelungenen Anschlags auf Hitler wirklich die viel beschworene Neuordnung aus dem Widerstand gebracht hätte.[...]
Die politisch erzwungene Emigration während des Nationalsozialismus ist in ihren Folgen eng mit der Frage individueller Mobilität verknüpft. Mittels Vermögensbeschlagnahme und Vermögensentzug gelang es der gut organisierten deutschen Bürokratie zu dieser Zeit, weit über ihren eigentlichen Einflussbereich hinaus, die Mobilität von rassisch oder politisch Verfolgten zu erzwingen.[...]
Im Herbst 1940 hielten die Armeen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches große Teile des europäischen Kontinents besetzt. Der Sieg über Frankreich im Juni 1940 schaltete die letzte gegnerische Großmacht auf dem europäischen Kontinent aus, denn mit der Sowjetunion teilte das Reich einvernehmlich das besetzte Polen. Auch das nationalsozialistische Regime begann zu dieser Zeit Pläne für die Neuordnung Europas zu entwerfen, ein Europa unter nationalsozialistischer Hegemonie.[...]
Mit dem Kulturabkommen vom 19. Januar 1939 vereinbarten Spanien und das Deutsche Reich Studentenaustauschprogramme, Buchausstellungen oder die Einrichtung von entsprechenden Sprachkursen an den höheren Schulen, um die Beziehungen beider Länder zu vertiefen. Das Abkommen beruhte auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit zwischen zwei augenscheinlich gleichberechtigten Partnern. Am Anfang dieser Beziehungen hat allerdings ein Hilferuf Francos an Hitler gestanden. [...]