„‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.
Die evangelische Mission war von Beginn ein europäisches Phänomen. Schon die ersten Missionare, die 1706 im südindischen Tranquebar ankamen, hatten einen europäischen Hintergrund: deutsche Pietisten, ausgesandt vom dänischen König Friedrich IV. mit finanzieller Unterstützung der englischen Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK), ausgewählt von dem halleschen Pietisten August Hermann Francke. Die in der Folge entstehende Dänisch-Englisch-Hallesche Mission war die erste organisierte evangelische Missionsgesellschaft, die sich tatsächlich die Mission unter nichtchristlichen Nichteuropäerinnen und -europäern zum Ziel gesetzt hatte. Gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden in fast allen europäischen Ländern evangelische Missionsgesellschaften, und auch diese waren häufig bewusst oder notgedrungen europäisch ausgerichtet. [...]
1903 druckte der Kölner J.P. Bachem Verlag eine Sammlung von Predigten, die als Vorlage für diverse Vorträge im Rahmen der Feste des Vereins der Heiligen Kindheit, einem 1843 gegründeten katholischen Missionsverein von und für Kinder, dienen sollten. Die erste der insgesamt vierzehn Predigten gab einen Überblick über die Ziele des Vereins und sollte vor allem die junge Zuhörerschaft begeistern. Der Kindheitsverein sei ein besonderer Verein, so der Autor Winand Hubert Meunier, katholischer Theologe und Pfarrer von Rellinghausen, weil er einzig und alleine aus Kindern bestünde. Dies war freilich eine verkürzte Darstellung der Realität; de facto wurde der Verein nicht nur von Erwachsenen geleitet, sondern hing auch wesentlich von deren Engagement und Spenden ab. Allerdings rückte Meunier die jungen Vereinsmitglieder ins Zentrum: [...]
Die Einladung des madagassischen Herrschers an die London Missionary Society, Handwerkermissionare auf die afrikanische Insel zu schicken und die Folgen, die sich hieraus für die madagassische Gesellschaft ergaben, ist ein prägnantes Beispiel für die Dynamik transkultureller Entwicklungen. Wenn Kultur als Summe der Interpretationen verstanden wird, mit denen die Angehörigen einer sozialen Gruppe zeit- und raumabhängig ihre Erfahrungen deuten und in eine für sie sinnvolle Ordnung bringen, so ist sie damit auch einem permanenten Prozess des Werdens und Vergehens innerhalb einer Gesellschaft ausgesetzt [...]