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  • von Hannes Grandits

    Imaginierung und konkrete gesellschaftliche Erfahrung lassen sich nicht immer eindeutig voneinander trennen. Auf den sogenannten „europäischen Orient“ bezogen gilt dies ganz besonders. Die polarisierende Imagination des „Europäischen“ versus „Nicht-Europäischen/Orientalischen“ prägte im Laufe des 19. Jahrhunderts die Wahrnehmung der politischen Verhältnisse im osmanischen Südosteuropa. Je mehr die räumliche Zugehörigkeit der südosteuropäischen Peripherie zu Europa (wieder-)entdeckt und rhetorisch bekräftigt wurde, desto klarer empfand man, dass die „nicht-europäischen“ Elemente nicht hierher passten. Dies tangierte auch die gesellschaftliche Realität vor Ort. Dieser Essay versucht, einen Eindruck von einer „Verwestlichung“ bzw. Neuausrichtung hin zur Europäisierung zu vermitteln. Dabei müssen diese Prozesse als sehr widersprüchliche gesellschaftliche Entwicklungen betrachtet werden.

  • von Andreas Weiß

    Die Konstruktion von Europa in Abgrenzung zu Asien liegt an den Wurzeln westlicher Selbstdefinition. Doch herrscht bisher in der Forschung ein Ungleichgewicht. Es wurde überwiegend danach gefragt, welche Bilder, Stereotypen, etc. Europa Asien als Kontinent und vorgeblich einheitlichen Kulturraum zuschrieb. Bisher unterreflektiert blieb dabei, inwieweit diese Zuschreibungen von „Asiaten“ übernommen und inkorporiert wurden und welche Gegenbegriffe sie entwickelten. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Literatur zum Pan-Asianismus, neben älteren Arbeiten wie die Arbeit von Stephen Hay über Rabindranath Tagore und sein Konzept von Asien. Doch nicht nur die Frage nach der Konstruktion Asiens wurde selten gestellt. Trotz der inzwischen unüberschaubaren Literatur zum Begriff Europa interessierte sich die bisherige Forschung selten dafür, wie Akteure aus anderen Regionen Europa konstruierten. [...]

  • von Hannes Grandits

    Imaginierung und konkrete gesellschaftliche Erfahrung lassen sich nicht wirklich eindeutig voneinander trennen. Auf den so genannten „europäischen Orient“ bezogen gilt dies ganz besonders. Ohne hier schon eingangs tiefer in theoretische Reflexion einzusteigen, möchte ich mich diesbezüglich gleich der ersten historischen Quelle zuwenden, an die dieser Essay anknüpft. Es ist dies eine genremäßig im frühen 19. Jahrhundert mit ihrem exotisierenden Grundton recht typische zeitgenössische „westliche“ Beschreibung des „Orients in Europa“. Sie stammt von einem jungen englischen Gentleman namens Alexander William Kinglake. Seine Grand Tour führte ihn 1834 auch ins damals noch osmanische Belgrad und von dort weiter in die osmanische Hauptstadt Istanbul und noch in verschiedene Provinzen des Reichs im Nahen Osten. [...]

  • von Noyan Dinckal

    Mit dem Folgenden Essay möchte ich am Beispiel Osmanischer Städte um 1900 versuchen zu zeigen, dass städtische Infrastrukturen einen wichtigen Aspekt in der materiellen und diskursiven Konstruktion Europas darstellten. Dabei gehe ich von der Ausgangshypothese aus, dass Infrastrukturen nicht lediglich als eine quasi naturgesetzlich erfolgende Reaktion auf Sachzwänge begriffen werden können. Sie waren immer auch wirkungsmächtige Symbole für das Leitbild „Modernität“ sowie Bestandteil und Ausdruck einer Suche nach einem neuen urbanen Selbstverständnis und seiner Repräsentation nach außen. Stadttechnik und Infrastruktur wurden in den Osmanischen Städten nicht nur durch ihren sichtbaren Ausdruck, etwa in der Architektur und im Städtebau, sondern auch durch die Veränderung der Lebenswelten zu einem wichtigen Teil der urbanen Kultur und Identität, als dessen Orientierungspunkte europäische Metropolen wie Wien, London und vor allem Paris dienten.

  • von Christian Methfessel

    Im Juni 1900 rückte auf einmal China in den Fokus der internationalen Medienaufmerksamkeit. Der Berliner Morgenpost vom 19. Juni zufolge – der ersten Quelle zu diesem Essay – schaute man allgemein in „nervöser Erwartung“ den „Meldungen vom ostasiatischen Kriegsschauplatze“ entgegen. Die dortigen Ereignisse dominierten zwei Monate die Titelseiten der Zeitungen und waren bis in das nächste Jahr hinein noch häufig Thema der Presse. Gegenstand des Interesses war der Krieg sechs europäischer Länder, der Vereinigten Staaten von Amerika und Japans gegen China, bekannt geworden als ‚Boxerkrieg’ oder ‚Boxeraufstand’. [...]

  • von Birgit Schäbler

    Ernest Renan ist Historikern und Historikerinnen heute vor allem durch sein Essay „Qu’est-ce que une nation?“ (Was ist eine Nation?) ein Begriff, der als klassischer Text in wichtigen Lehrbüchern zum Nationalismus auftaucht. Dass der französische Semitist und Bibelforscher mit seinem „Leben Jesu“ (1863) das berühmteste Buch im Frankreich des 19. Jahrhunderts verfasst hat, das deshalb auch von Volker Reinhardt in seine Hauptwerke der Geschichtsschreibung aufgenommen wurde, ist außerhalb theologischer und religionswissenschaftlicher Kreise heute eher wenig bekannt. Gänzlich unbekannt in der europäischen Geschichte (in der Geschichte Westasiens dafür umso bekannter) ist jedoch Renans Kontroverse mit einem muslimischen Intellektuellen, nämlich Jamal a-Din al-Afghani im renommierten Journal des Débats. [...]