Essays/

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  • von Ines Soldwisch

    Die Kinder- und Jugendliteratur der DDR war von einer Publikationspraxis bestimmt, die sie deutlich von jener westlicher Länder unterschied: Über eine Buchveröffentlichung entschied nämlich nicht ein Verlag, sondern eine „angemessene“ Verknüpfung von Politik, Ideologie und Kultur. Was angemessen war, darüber entschied der Staat. Druckgenehmigungsverfahren und dazugehörige Gutachten waren das probate Mittel der Überprüfung und Absicherung des Staates in Gestalt des Ministeriums für Kultur, um das politisch geforderte Gesellschaftsbild durchzusetzen. So war es keine Seltenheit, dass Manuskripte von Autor:innen umgeändert wurden, damit sie diesem Anspruch entsprachen. Was den Fall der DDR jedoch besonders macht – denn Lektorate gab und gibt es in jedem Verlag –, sind die Akteure und ihre Motivation, mit eingereichten Manuskripten umzugehen. Dies galt für nationale und internationale Literatur. Am Beispiel des Kinderbuch-Klassikers „Pippi Langstrumpf“ wird im Folgenden paradigmatisch dargestellt, wie Gesellschafts- und Kulturpolitik in der Publikationspraxis Hand in Hand gingen. Zu betonen ist, dass hier ein Einzelfall untersucht wird, der nicht als Blaupause für die gesamte Literaturpraxis in der DDR aufgefasst werden darf.

  • von Siegfried Lokatis

    Europa im Kopf hieß aus gutem Grund eine Ausstellung, die 2003 in Eisenhüttenstadt stattfand. Sie war einem einzigen DDR-Verlag gewidmet, dem Verlag Volk und Welt, dem führenden und mit Abstand bedeutendsten Verlag für internationale Gegenwartsliteratur, der, Tomas Tranströmer mitgerechnet, nicht weniger als 43 Nobelpreisträger zu seinen Autoren zählte. Damit nahm der Verlag im Zensursystem der DDR die Funktion eines unverzichtbaren Filters ein. Hier hatte sich im Verlauf von drei Jahrzehnten ein hochspezialisiertes Team von über zwanzig Lektoren mit einer wohl einmaligen Kompetenz für alle inhaltlich-ästhetischen Fragen der romanischen, englischsprachigen, slawischen, germanistischen – kurz der internationalen und Weltliteratur herausgebildet, das zugleich über ein grandioses Expertenwissen verfügte, wenn es um Fragen der Zensur ging. [...]

  • von Anne-Marie Pailhès

    Als erster Direktor des Leipziger Literaturinstituts hielt Alfred Kurella am 30. Juli 1955 die Rede zur Eröffnung dieser neuen Bildungsstätte – einer Institution, die im Laufe von mehreren Jahrzehnten das literarische Leben in der DDR nachhaltig geprägt hat. Um einen Eindruck von ihrer Bedeutung zu vermitteln, braucht man nur Namen wie Sarah Kirsch, Volker Braun, Werner Bräunig, Heinz Czechowski, Erich Loest oder Ulrich Plenzdorf zu nennen, die alle einmal Studenten und Studentinnen dieses Instituts waren. [...]

  • von Helmut Peitsch

    Vom 10. bis 13. September 1941 fand in London der XVII. Kongress des Internationalen PEN statt. In London war die Schriftstellerorganisation, die sich für Völkerverständigung, Frieden und die Freiheit der Literatur und Kultur einsetzte, im Jahr 1921 gegründet worden. Zunächst lag der Schwerpunkt der internationalen Schriftstellervereinigung auf Europa – 1925 zählte sie dort 25 nationale Zentren. Danach expandierte sie in die ganze Welt und umfasste im Jahr 1939 sowohl Zentren in Nord- und Südamerika, als auch in Ägypten, Palästina, dem Irak, Indien, Japan und Neuseeland. [...]

  • von Peter Hoeres

    Der Aufruf „An die Kulturwelt!“, der im Oktober 1914 ein Bekenntnis von 93 herausragenden deutschen Geistesgrößen zum deutschen Militarismus publik machte und so verheerende Folgen für das Ansehen der deutschen Wissenschaft zeitigte, war nicht präzedenzlos. Trotz seiner offensiven Sprache war er letztlich defensiv motiviert, er war eine Antwort auf zahlreiche öffentliche und private Anklagen, welche die hoch angesehenen deutschen Wissenschaftler und Schriftsteller seit August 1914 erreicht hatten. Unter diesen Anklagen stach die Erklärung britischer Intellektueller vom 18. September 1914 „Britain's Destiny And Duty. Declaration By Authors. A Righteous War” aus mehreren Gründen heraus: sie war von der Crème de la crème der britischen Literaten unterzeichnet worden, an sehr prominenten und angesehen Publikationsorten erschienen, und sie enthielt eine sehr erfolgreiche und bildgewaltige Argumentation. [...]

  • von Matthias Schulz

    Golo Manns Bildungsweg umspannt Schul-, Studien- und Lehrerfahrungen in Deutschland bzw. Frankreich in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren und gewährt Einblick in eine Zeit, in der die Bildungskulturen in den Nachbarländern zunehmend divergierten. Während in Frankreich Bildungseinrichtungen mit dezidiert demokratischer Ausrichtung bereits vor dem Ersten Weltkrieg etabliert waren, setzten sich obrigkeitsstaatliche Traditionen im Bildungswesen der Weimarer Republik weitgehend fort. Demokratische bildungspolitische Ansätze blieben schwach bzw. erlebten nur am Rande eine kurze Blüte. Der Beitrag ordnet die persönlichen, in Memoiren, Tagebüchern und der Korrespondenz Manns widergespiegelten Erfahrungen in den breiteren Rahmen der Bildungskulturen beider Länder zwischen den Kriegen ein und weist auf die Bedeutung interkultureller Bildungserfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung hin.