Deutschland ist neben der Tschechischen Republik eines von wenigen Ländern Europas, in dem die chirurgische Kastration (Orchiektomie) im Rahmen der Behandlung von Sexualstraftätern bis heute per Gesetz erlaubt ist. Erlassen wurde das Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (KastrG) im August 1969; Anwendung fand die Orchiektomie seitdem nur selten, nicht zuletzt, weil chemische, hormonelle und psychotherapeutische Behandlungsmethoden zunehmend an Bedeutung gewannen. Dennoch: Dass die Bundesrepublik die chirurgische Kastration für Sexualstraftäter überhaupt anbietet, wurde im August 2010 vom Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) beanstandet.
Am 28. Oktober 1782 verhandelten die kirchlichen und weltlichen Räte des Konsistoriums der Erzdiözese Wien den Ehekonflikt von Regina Hoferin und Johann Karl Hofer. Von diesem und anderen Eheverfahren wissen wir, weil bei der „Tagsatzung“, wie die mündlichen Verhandlungen des Kirchengerichts genannt wurden, der Notar des Gerichts Protokoll führte und die Protokolle entweder als Rapulatur, das heißt als Abschrift für den Gebrauch, oder aber in Reinschrift und zu dicken Folianten gebunden im Archiv der Erzdiözese Wien erhalten sind. Die lokal adaptierten Regeln des romanisch-kanonischen Prozessrechts sahen auch beim vereinfachten summarischen Prozess – welcher in Ehekonflikten meist zur Anwendung kam –, eine Kombination aus schriftlichen und mündlichen Verfahrensschritten vor. Die Klageschrift war schriftlich einzureichen. [...]