Forschungsreisen bildeten einen wichtigen Bezugspunkt für die Konstruktion einer deutschen Nation im 19. Jahrhundert. Dies lässt sich insbesondere an den ‚deutschen‘ Polarexpeditionen der 1860er- und 70er-Jahre beobachten. Anhand eines Briefes, den der in Mexiko lebende, unbekannte deutsche Musiker und Botaniker Luis Hahn (†1873) an den Initiator dieser ‚Nordfahrten‘, den Kartografen August Petermann (1822–1878), sandte, lässt sich rekonstruieren, wie diese Expeditionen ausgedeutet und angeeignet wurden. Hahn, der die Polarreisen lediglich in Zeitschriften verfolgte, entwarf seine eigene chauvinistische Vision einer Eroberung des Nordpols, plante zu deren Finanzierung eine musikalische Werbekampagne und imaginierte sich so selbst als Teil eines nationalen und kolonialen Projektes. Dieses exaltierte Engagement zeigt einerseits die Wirkmacht imperialer Phantasien und verdeutlicht andererseits das komplexe Wechselverhältnis zwischen Wissenschaftsakteuren und der zeitschriftenlesenden Öffentlichkeit, das mit dem einseitigen Konzept der Popularisierung nur unzureichend erfasst wird.
Im späten 19. Jahrhundert legte Wilhelm Pabst im Herzoglichen Museum Gotha eine Sammlung versteinerter Tierfußabdrücke an. Das Ausgraben, Erforschen, aber auch der Verkauf auf einem internationalen Markt erforderte eine Reihe von Helfern und Informanten. Um möglichst viele Informationen über die Objekte dauerhaft im Museum zu speichern und um die großen Sammlungsobjekte handhabbar zu machen, benötigte man zudem ein System der Datensicherung. Dafür wurden unter anderem Fotografien und ein ausgeklügeltes Verweissystem verwendet. Die bis heute erhaltene Sammlungsdokumentation zeigt anschaulich, wie aus vormaligem Baumaterial wissenschaftliche Quellen wurden.
Völkerschauen hatten im ausgehenden 19. Jahrhundert Konjunktur, denn sie brachten die fremde Welt nach Europa. Zwischen den Ausgestellten und dem Publikum bestand stets eine große Distanz und so wurde hier in Auseinandersetzung mit dem kolonialen Anderen in gewisser Weise ausgehandelt, was Europa ausmachte. Überdies wurden mithilfe regelrechter Spektakel rassistische hierarchische Wissensordnungen abgebildet und zugleich eindrücklich bekräftigt. Doch schon bei den ersten Völkerschauen trugen nicht nur Menschen zum umfänglichen Spektakel bei, sondern auch eine weitere, bisher in der Forschung gänzlich unbeachtete, Gruppe: Tiere. Fremde, exotische Tiere waren Teil der Inszenierung, mehr noch: Tiere machten die fremde Welt anschaulich und verstehbar und trugen ihrerseits unmittelbar dazu bei, dass die hier präsentierte Welt beherrschbar erscheinen sollte. Dabei vermittelten die Völkerschauen zum einen ein neu gewonnenes Wissen über fremde Nutztiere sowie über prinzipiell domestizierbare Arten: Tiere erschienen damit als koloniale Ressource. Zum anderen verdeutlichte die Präsentation wilder Tiere auf Völkerschauen aber auch die Beherrschbarkeit der kolonialen Natur. Gerade wilde Tiere faszinierenden die Zuschauer über alle Maßen, sie reicherten die Herrschaft über die fremde, zu kolonisierende Welt mit Abenteuer und Spannung an und machten sie weiter begehrlich. Der Beitrag der Tiere zu Völkerschauen erschöpft sich daher gerade nicht darin, ein zoologisches Wissensobjekt zu sein, sondern betraf auch ihren exotischen Schauwert und ihren Beitrag zur Inszenierung der potentiell anzueignenden kolonialen Welt.