Essays/

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  • von Dieter Gosewinkel

    Wer 1942 durch die Straßen von Paris ging und Bekanntmachungen der deutschen Besatzungsmacht und des kollaborierenden Vichy-Regimes sah, stieß immer wieder auf ein Wort: „Europa“ bzw. „L’Europe nouvelle“. Ein halbes Jahrhundert später prägte wieder „Europa“ das Pariser Straßenbild, diesmal anlässlich der Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht 1992. Dort war auf Plakaten unter den Farben der Trikolore zu lesen: „Non à Maastricht – oui à l’Europe des patries“ – unterzeichnet: „Front National“ (FN) bzw. Jean-Marie Le Pen. Lassen sich diese beiden, so verschiedenen Zeiten und Anlässen entstammenden Proklamationen eines geeinten Europa miteinander in Verbindung setzen?

  • von Christiane Eifert

    Europa heißt das Zauberwort, mit dem Unternehmerinnen im Westeuropa der Nachkriegszeit ihren Zusammenschluss zu einem Europäischen Unternehmerinnenverband begründeten und die Ernsthaftigkeit ihres Unterfangens demonstrierten. Mit dem Kalten Krieg war Europa seit 1948 der Schlüsselbegriff in der westlichen Sicherheits- wie Wirtschaftspolitik, Europa war Chiffre für Frieden und Wohlstand und die Unternehmerinnen bewiesen ihre staatsbürgerliche Verantwortung, indem sie sich für diese Ziele einsetzten. Europa als Grundlage und Ziel des Verbandes signalisierte Bedeutung und Stärke, und die Unternehmerinnen nahmen beides gerne an. Im Grunde vollzogen sie für Unternehmerinnen den europäischen Verbandszusammenschluss, den 1950 die von Unternehmern dominierten industriellen Spitzenverbände mit der Formierung zum Rat der Europäischen Industrien praktizierten. [...]

  • von Rainer Hudemann

    Mythen haben eine lange Lebensdauer. Vor allem, wenn sie ihren Ursprung in politischen Urteilen einer Epoche haben, und wenn Zeitzeugenwertungen später als Quellen verwendet werden und kaum oder gar nicht geprüft als Belege für historische Interpretationen dienen. So ergeht es immer noch gelegentlich auch der Struktur der deutsch-französischen Beziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg, obgleich die Forschung seit über zwei Jahrzehnten weit vorangeschritten ist.[...]

  • von Clemens Wurm

    Am Nachmittag des 9. Mai 1950, einem Dienstag, verlas der französische Außenminister Robert Schuman um 18 Uhr vor eiligst in den Uhrensaal des Quai d’Orsay eingeladenen Pressevertretern die nach ihm benannte Erklärung, die das Gesicht Europas verändern sollte. Konzeptioneller Urheber der Erklärung war Jean Monnet, damals Vorsitzender des Commissariat général au Plan. Schuman hatte den Vorschlag übernommen, und er hat ihn gegen starke Widerstände in Frankreich politisch durchgesetzt.[...]

  • von Ulrich Pfeil

    Die Untersuchung des Französischunterrichts in der DDR bietet vor allem einen Blick auf das „System“. Er ermöglicht die Wahrnehmung des Entwicklungsprozesses der Legitimierungstheorien, sagt aber wenig über die gesellschaftlichen Modelle der Transformation von Versuchen politischer Legitimierung aus. Der diktaturgeschichtliche Ansatz umfasst dementsprechend nur einen Teil der Herrschaftsgeschichte der DDR, und auch für die Unterrichtung von Fremdsprachen muss das Feld erweitert und sowohl Mentalitäts- als auch Sozialgeschichte einbezogen werden. Vor allem in den Nachkriegsjahren praktizierten viele Lehrer abweichende Unterrichtsformen, als Reaktion auf die ideologisch geprägten Zielvorgaben der Bildungsverantwortlichen in der SED. Französischlehrer waren mit grundlegenden Widersprüchen des Frankreichbildes konfrontiert.[...]

  • von Annie Lacroix-Riz

    Die französische Politik im Kreuzfeuer: Einerseits die Besorgnis über die Aufrechterhal¬tung der amerikanischen Politik der Zwischenkriegszeit, Deutschland vorrangig wieder aufzubauen (in diesem Fall seine Westzonen), und der mit den Jahren schwächer werdende Versuch, dies zu verhindern. Andererseits die Tendenz, sich dieser Linie anzupassen, die ebenso unvermeidbar wie die Ära des Dawes Plans erscheint. Diese Ausrichtung erklärt sich nicht nur aus dem starken amerikanischen Druck auf Frankreich sondern auch durch eigene französische Interessen, die wie nach dem Ersten Weltkrieg auf einen Kompromiss mit Deutschland hinauslaufen [...]

  • von Gottfried Niedhart

    Im Übergang von den 1960er zu den 1970er Jahren herrschte innerhalb des westlichen Bündnisses Konsens über die Opportunität einer Entspannung in den Ost-West-Beziehungen. Den USA ging es um die Wahrung von Gleichgewicht und Stabilität. Frankreich wollte seinem Bedürfnis nach Eigenständigkeit als Großmacht Geltung verschaffen. Die Bundesrepublik strebte nach Regelungen, die die deutsche Frage offen hielten und Chancen für eine Liberalisierung des Ostblocks boten. Neben dieser prinzipiellen Übereinstimmung gab es im Dreieck Bonn-Paris-Washington allerdings auch deutliche Irritationen. Frankreich sah seine bis dahin privilegierte Stellung im Verhältnis zur Sowjetunion bedroht und gemeinsam mit den USA fürchtete es die als unberechenbar erscheinende Dynamik der Ostpolitik. Obwohl die Bundesrepublik keine Anhaltspunkt für eine Lockerung ihrer Westbindung bot, spielte das Gespenst von Rapallo in der westlichen Wahrnehmung noch immer eine gewisse Rolle[...]

  • von Reiner Marcowitz

    Im Mittelpunkt der Analyse steht das trilaterale Beziehungsgeflecht zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und den USA nach dem Zweiten Weltkrieg, weil sich in ihm paradigmatisch die verschiedenen Etappen und unterschiedlichen Facetten des amerikanisch-westeuropäischen Verhältnisses dieser Zeit spiegeln und sich damit auch jenes Spannungsverhältnis von Amerikanisierung, Europäisierung und Westernisierung ausloten lässt, in dem die ökonomische, politische und soziokulturelle Prägung der Westeuropäer nach 1945 stand. Dabei markieren die 1960er und 1970er Jahre – so die These – eine entscheidende Zäsur sowohl in den transatlantischen Beziehungen als auch – damit zusammenhängend – für den westeuropäischen Integrationsprozess sowie das Selbstverständnis der Westeuropäer, insofern als sich damals jene doppelte Ambivalenz herausbildete, die bis heute prägend geblieben ist. [...]

  • von Jean-François Eck

    Ab 1955 stützten sich die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Frankreichs auf eine besondere Einrichtung, die offizielle deutsch-französische Handelskammer. Sie war im Rahmen der im vorangegangenen Jahr von den jeweiligen Regierungschefs unterzeichneten Verträgen von La Celle Saint-Cloud auf Initiative der öffentlichen Hand gegründet worden und versammelte Anfang der 1960er Jahre ungefähr 2.000 Teilnehmer (Unternehmen, Einzelpersonen, Vereinigungen). Ausgehend von strikt paritären Strukturen, einer Zeitschrift und der Unterstützung der Industrie- und Handelskammer von Paris spielte sie eine nicht unbedeutende Rolle. Sie übernahm die Verteidigung privater Interessen gegenüber öffentlichen Stellen, die sie in technischen Fragen konsultierten, die Verbreitung von Informationen an Unternehmen, die sich im Nachbarland ansiedeln wollten sowie die Entwicklung von Sprach- und Wirtschaftsunterricht.

  • von Andreas Eckert

    Léopold Sédar Senghor (1906-2001), der erste gewählte Staatspräsident des unabhängigen Senegal, war im April 1961 erst seit wenigen Monaten im Amt. Seine erste Reise nach Europa führte ihn, wenig überraschend, zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. In seinen Reden während des Staatsbesuches, wie auch in seiner Ansprache auf dem Empfang des Stadtrates von Paris am 20. April, die der vorliegende Essay als Ausgangspunkt wählt, betonte Senghor wiederholt die engen und positiven Verbindungen zwischen den beiden Ländern. [...]