Europa im Kopf hieß aus gutem Grund eine Ausstellung, die 2003 in Eisenhüttenstadt stattfand. Sie war einem einzigen DDR-Verlag gewidmet, dem Verlag Volk und Welt, dem führenden und mit Abstand bedeutendsten Verlag für internationale Gegenwartsliteratur, der, Tomas Tranströmer mitgerechnet, nicht weniger als 43 Nobelpreisträger zu seinen Autoren zählte. Damit nahm der Verlag im Zensursystem der DDR die Funktion eines unverzichtbaren Filters ein. Hier hatte sich im Verlauf von drei Jahrzehnten ein hochspezialisiertes Team von über zwanzig Lektoren mit einer wohl einmaligen Kompetenz für alle inhaltlich-ästhetischen Fragen der romanischen, englischsprachigen, slawischen, germanistischen – kurz der internationalen und Weltliteratur herausgebildet, das zugleich über ein grandioses Expertenwissen verfügte, wenn es um Fragen der Zensur ging. [...]
Der Aufruf „An die Kulturwelt!“, der im Oktober 1914 ein Bekenntnis von 93 herausragenden deutschen Geistesgrößen zum deutschen Militarismus publik machte und so verheerende Folgen für das Ansehen der deutschen Wissenschaft zeitigte, war nicht präzedenzlos. Trotz seiner offensiven Sprache war er letztlich defensiv motiviert, er war eine Antwort auf zahlreiche öffentliche und private Anklagen, welche die hoch angesehenen deutschen Wissenschaftler und Schriftsteller seit August 1914 erreicht hatten. Unter diesen Anklagen stach die Erklärung britischer Intellektueller vom 18. September 1914 „Britain's Destiny And Duty. Declaration By Authors. A Righteous War” aus mehreren Gründen heraus: sie war von der Crème de la crème der britischen Literaten unterzeichnet worden, an sehr prominenten und angesehen Publikationsorten erschienen, und sie enthielt eine sehr erfolgreiche und bildgewaltige Argumentation. [...]
Golo Manns Bildungsweg umspannt Schul-, Studien- und Lehrerfahrungen in Deutschland bzw. Frankreich in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren und gewährt Einblick in eine Zeit, in der die Bildungskulturen in den Nachbarländern zunehmend divergierten. Während in Frankreich Bildungseinrichtungen mit dezidiert demokratischer Ausrichtung bereits vor dem Ersten Weltkrieg etabliert waren, setzten sich obrigkeitsstaatliche Traditionen im Bildungswesen der Weimarer Republik weitgehend fort. Demokratische bildungspolitische Ansätze blieben schwach bzw. erlebten nur am Rande eine kurze Blüte. Der Beitrag ordnet die persönlichen, in Memoiren, Tagebüchern und der Korrespondenz Manns widergespiegelten Erfahrungen in den breiteren Rahmen der Bildungskulturen beider Länder zwischen den Kriegen ein und weist auf die Bedeutung interkultureller Bildungserfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung hin.