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  • von Anna Karla

    Im September 1919 reiste eine Delegation im Auftrag der deutschen Regierung durch den Nordosten Frankreichs. Ziel der Reise war es, sich ein Bild zu machen: davon, wie es ein knappes Jahr nach dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Staaten der Entente um die Gebiete an der ehemaligen Westfront bestellt war; davon, welches Ausmaß der Zerstörungen sich in der Region nördlich und östlich der französischen Hauptstadt bot; davon, was zu tun sei, um den Wiederaufbau voranzutreiben, der auf der Friedenskonferenz in Versailles, in der französischen Presse und in der lokalen, regionalen und nationalen Politik als drängendes Problem gehandelt wurde. [...]

  • von Sebastian Haumann

    Zwischen den 1960er- und den 1980er-Jahren wandelten sich die Prämissen der westeuropäischen Stadtplanung grundlegend. Galten in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Flächensanierung von Altbauquartieren, der Bau von Groß-siedlungen und eine strikte Funktionstrennung als geeignete Maßnahmen, um die Lebensqualität zu verbessern, setzte sich ab den 1960er-Jahren das Leitbild einer erhaltenden Erneuerung und der Durchmischung durch [...]

  • von Mathias Mutz

    Wenn die Einwohner und Einwohnerinnen fast aller europäischer Staaten Ende März jeden Jahres ihre Uhren um eine Stunde vorstellen, dürften die wenigsten dies als Akt der europäischen Integration wahrnehmen. Angesichts der wiederkehrenden Debatten um die Auswirkungen auf die „innere Uhr“ erscheint die Zeitumstellung als von vielen ungeliebte technische Routine. Der Vorstoß der französischen Regierung aus dem Jahr 1975 mit einem Memorandum eine „Koordinierung auf Europäischer Ebene zur Einführung eines Sommerzeitsystems“ zu erreichen und die Partner der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) davon zu überzeugen, mit der Sommerzeit „im täglichen Leben ihre Einheit und Solidarität bekunden“ zu können, ist kein prägender Baustein der europäischen Identität geworden. [...]

  • von Ingo Köhler

    Energiekrisen begleiten die Moderne. Sie sind zugleich Ausdruck und Folge sich verändernder Produktions- und Verbrauchsmuster in der Moderne. Aus rein ökonomischer Sicht basieren Energiekrisen meist auf einem einfachen Wirkmechanismus, bei dem Verknappung zu Preisanstieg führt. So sind die in der publizistischen Öffentlichkeit viel diskutierten Ölkrisen, die Europa und die Welt in den 1970er-Jahren und erst jüngst wieder in ihrem Bann hielten, treffender mit dem Begriff der Ölpreiskrisen zu beschreiben. [...]

  • von Christian Marx

    Als Jean-Jaques Servan-Schreiber 1968 vor der amerikanischen Herausforderung – Le Défi américain – warnte, zielte er weniger auf die technologische Überlegenheit der US-Firmen, vielmehr richtete er sein Augenmerk auf die Eroberung zentraler europäischer Industriestrukturen durch US-Konzerne. Demnach bestand die Gefahr, dass in der Rangfolge der industriellen Weltmächte nach den USA und der Sowjetunion bald nicht mehr die europäischen Staaten, sondern die US-Unternehmen in Europa auf Platz drei stünden. Diskussionen über das Für und Wider amerikanischer Direktinvestitionen in Westeuropa waren nicht neu, gleichwohl hatte deren Bestand seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958 stark zugenommen. In einigen Schlüsselbereichen des technisch-industriellen Fortschritts nahmen US-Unternehmen schon Mitte der 1960er-Jahre in Europa eine beherrschende Stellung ein. [...]

  • von Anne Lammers

    Was für die französischen Arbeiterfamilien in der Eisen- und Stahlindustrie der Wein, ist für die Deutschen der Branntwein. Während die Italiener am liebsten Spaghetti essen und der Luxemburger am meisten Fleisch verzehrt, zieht der Saarländer Kartoffeln vor. Und die Niederländer lieben ihre Milch so sehr, dass sie sie am liebsten direkt aus der Flasche trinken, während sich der Belgier mit reichlich Kaffee durch den Tag bringt. So ließe sich zugespitzt eine grafische Darstellung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1956/57 beschreiben, die als Teil einer umfangreichen Statistik über die Lebensbedingungen von Arbeiterfamilien in der Montanindustrie erschien (Quelle 1). Als 1963/64 in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine zweite Studie dieser Art durchgeführt wurde, hatten sich der Erhebungsbereich sowie die Parameter zur Bestimmung des Lebensniveaus verändert. [...]

  • von Detlef Siegfried

    Eine der vielen Analysen des Konsumverhaltens, wie sie der kombinierte Aufstieg von Massenkonsum und empirischer Sozialforschung in den 1960er-Jahren hervorbrachte, widmete sich unter anderem dem Gebrauch von Schönheitsmitteln im europäischen Vergleich. Wie so häufig wurde auch diese Konsumstudie von einer Zeitschrift in Auftrag gegeben, um gezielter Werbeanzeigen akquirieren zu können. Da es hier um das Kerngeschäft der Kunden ging, war Verlässlichkeit wichtig, sodass derartige Studien, durchgeführt von etablierten Meinungsforschungsinstituten, in der Regel keine Reliabilitätsprobleme aufwiesen. Wie die großen Untersuchungen etwa im Auftrag des Spiegel oder der BRAVO erfassten sie zumeist das Konsumverhalten im nationalen Maßstab, da nahezu alle Publikumszeitschriften an den Grenzen ihrer Länder endeten. [...]

  • von Christopher Neumaier

    „Kraftwerke, Autofahrer und andere Giftproduzenten sollen sich nicht gegenseitig den Schwarzen Peter für die Luftverschmutzung zuschieben“, zitierte die Zeitschrift ADAC Motorwelt ihren Leser Peter Ditter im Beitrag „Aktion sauberes Auto“ der Septemberausgabe 1983. Ditter ging in seinen Ausführungen sogar noch einen Schritt weiter und plädierte dafür, dass die Initiative zur Einführung eines „umweltfreundlichen“ Autos von den Autofahrern selbst ausgehen solle: „Machen wir Autofahrer doch den ersten Schritt und nehmen der Gegenseite die Argumente!“ Diese Meinung war nach Darstellung der Mitgliederzeitschrift des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) im Spätsommer 1983 bei den Clubmitgliedern durchaus mehrheitsfähig. [...]

  • von Christopher Kopper

    Während der Vertrag von Maastricht und die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung umfassende Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erfahren haben, wurden die dafür notwendigen institutionelle Voraussetzungen in Gestalt des europäischen Binnenmarktes für Waren und Dienstleistungen bislang nur wenig beachtet. In den Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Europäischen Union wird der politischen Grundlagenentscheidung, der Einheitlichen Europäischen Akte, und der Implementierung des Binnenmarktes nur einige Seiten gewidmet. [...]

  • von Ludolf Herbst

    In einer Zeit vermehrter deutsch-amerikanischer Irritationen einerseits und fortschreitender europäischer Integration andererseits ist es von besonderem Interesse, sich die Konstellation in Erinnerung zu rufen, die die Entwicklung gemeinsamer europäischer Institutionen ermöglichte, und dabei die Rolle zu beleuchten, die die USA hierbei spielten. Ein streng geheimes Grundsatzpapier des amerikanischen State Department vom März 1949 ist hierzu sehr gut geeignet, weil es die Grundlinien der amerikanischen Politik gegenüber Europa klar herausarbeitet und zeigt, wie eng der Zusammenhang zwischen der Lösung des „deutschen Problems“ und der europäischen Integration in Washington gesehen wurde.[...]

  • von Christian Kleinschmidt

    Der Marshall-Plan war ein bedeutender Faktor des westdeutschen und europäischen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Das amerikanische Engagement für den Wiederaufbau Europas und insbesondere Deutschlands war in der unmittelbaren Nachkriegszeit innerhalb der USA jedoch zunächst umstritten. Voraussetzung für einen fruchtbaren deutsch-amerikanischen Wirtschaftsaustausch und für die Bereitschaft der Amerikaner zur Unterstützung des deutschen Wirtschaftsaufbaus ab etwa 1947 war eine Abkehr von der restriktiven Politik der direkten Nachkriegszeit hin zu konstruktiveren wirtschaftspolitischen Konzepten, die sich ebenso an der Steigerung der Produktion und der Produktivität deutscher und europäischer Unternehmen und der Landwirtschaft orientierte wie an deren Wiedereingliederung in die Weltwirtschaft. [...]

  • von Jean-François Eck

    Ab 1955 stützten sich die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Frankreichs auf eine besondere Einrichtung, die offizielle deutsch-französische Handelskammer. Sie war im Rahmen der im vorangegangenen Jahr von den jeweiligen Regierungschefs unterzeichneten Verträgen von La Celle Saint-Cloud auf Initiative der öffentlichen Hand gegründet worden und versammelte Anfang der 1960er Jahre ungefähr 2.000 Teilnehmer (Unternehmen, Einzelpersonen, Vereinigungen). Ausgehend von strikt paritären Strukturen, einer Zeitschrift und der Unterstützung der Industrie- und Handelskammer von Paris spielte sie eine nicht unbedeutende Rolle. Sie übernahm die Verteidigung privater Interessen gegenüber öffentlichen Stellen, die sie in technischen Fragen konsultierten, die Verbreitung von Informationen an Unternehmen, die sich im Nachbarland ansiedeln wollten sowie die Entwicklung von Sprach- und Wirtschaftsunterricht.

  • von Christoph Boyer

    Für die europäische Nachkriegsgeschichte konstatiert Boyer zwei grundlegende Makromodelle: den demokratisch-marktwirtschaftlichen Wohlfahrtsstaat in Westeuropa einerseits und die staatssozialistischen Modelle in Mittel- und Ostmitteleuropa andererseits. Die beiden Modelle unterschieden sich dabei weniger grundsätzlich, wie oft angenommen wurde: Beide antworteten auf die Krise des Kapitalismus und Liberalismus seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und beide Modelle wollten Gesellschaften, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, planen, regulieren, transformieren, modernisieren und dadurch Wohlstand schaffen. Die Frage nach der „Europäizität Ostmitteleuropas“ ist für den Autor ein komparativer Forschungsansatz, mit dem die unterschiedlichen Entwicklungen, die die jeweiligen Länder unter diesen Makromodellen vollzogen haben, untersucht und mit anderen europäischen Regionen verglichen werden sollten.

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