Essays/

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  • von Anne Lammers

    Was für die französischen Arbeiterfamilien in der Eisen- und Stahlindustrie der Wein, ist für die Deutschen der Branntwein. Während die Italiener am liebsten Spaghetti essen und der Luxemburger am meisten Fleisch verzehrt, zieht der Saarländer Kartoffeln vor. Und die Niederländer lieben ihre Milch so sehr, dass sie sie am liebsten direkt aus der Flasche trinken, während sich der Belgier mit reichlich Kaffee durch den Tag bringt. So ließe sich zugespitzt eine grafische Darstellung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1956/57 beschreiben, die als Teil einer umfangreichen Statistik über die Lebensbedingungen von Arbeiterfamilien in der Montanindustrie erschien (Quelle 1). Als 1963/64 in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine zweite Studie dieser Art durchgeführt wurde, hatten sich der Erhebungsbereich sowie die Parameter zur Bestimmung des Lebensniveaus verändert. [...]

  • von Augusta Dimou

    Obschon dem serbischen Literaten Miloš Crnjanski ein Ruf als widerspenstiger Schöngeist, leidenschaftlicher Streiter und eigensinniger Provokateur bereits vorauseilte, ahnte er wahrscheinlich im Frühling 1932 wenig von der Lawine, die seine Feder diesmal ins Rollen bringen würde. Ging es ihm bei dem aphoristischen Ausruf Wir verwandeln und in eine Kolonie fremdsprachiger Bücher darum, eine Warnung über die Umstände – oder, akkurater gesagt – die Missstände in Sachen Literatur- und Buchproduktion im Jugoslawien der 1930er-Jahre an die Welt zu senden, mündete seine Tirade – nicht ohne Mitschuld seines streitsüchtigen Charakters – in eine Polemik, die einen beträchtlichen Teil der jugoslawischen Intelligenz erfasste und schließlich vor Gericht endete. Das Thema „Buchkrise“ war allerdings kein neues Thema im Königreich Jugoslawien. [...]

  • von Christoph Boyer

    Für die europäische Nachkriegsgeschichte konstatiert Boyer zwei grundlegende Makromodelle: den demokratisch-marktwirtschaftlichen Wohlfahrtsstaat in Westeuropa einerseits und die staatssozialistischen Modelle in Mittel- und Ostmitteleuropa andererseits. Die beiden Modelle unterschieden sich dabei weniger grundsätzlich, wie oft angenommen wurde: Beide antworteten auf die Krise des Kapitalismus und Liberalismus seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und beide Modelle wollten Gesellschaften, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, planen, regulieren, transformieren, modernisieren und dadurch Wohlstand schaffen. Die Frage nach der „Europäizität Ostmitteleuropas“ ist für den Autor ein komparativer Forschungsansatz, mit dem die unterschiedlichen Entwicklungen, die die jeweiligen Länder unter diesen Makromodellen vollzogen haben, untersucht und mit anderen europäischen Regionen verglichen werden sollten.