Essays/

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  • von Jan Carsten Schnurr

    Am 16. Juli 1974 stand der amerikanische Baptisten-Pastor und Evangelist Billy Graham (1918–2018) vor knapp zweieinhalbtausend Delegierten und über tausend weiteren Zuhörerinnen und Zuhörern aus 150 Ländern und hielt die am aufwändigsten vorbereitete Rede seines Lebens. Es handelte sich um den Eröffnungsvortrag des Internationalen Kongresses für Weltevangelisation im schweizerischen Lausanne. „Why Lausanne?“ hieß Grahams Vortrag.

  • von Daniel Habit

    „If we were to start all over again, we would start with culture.“ Dieses Jean Monnet zugeschriebene Zitat erfährt seit den 1980er-Jahren sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in öffentlichen Reden, Danksagungen und Grußworten im Kontext der Europäischen Union eine kontinuierliche Aufmerksamkeit. Die Popularität erklärt sich weniger aus dem (nicht vorhandenen) historischen Wahrheitsgehalt als vielmehr aus der Sehnsucht nach einem kulturellen Ursprungsgedanken, der sich stärker am Leitbild eines humanistischen Europabildes orientiert als an rationellen und ökonomischen Entscheidungen. Seine Bedeutung erlangt dieser Ausspruch vor allem auch durch sein Weiterleben in verschiedenen Argumentationszusammenhängen kultureller Programmentwürfe und Interventionen der EU. [...]

  • von Heidi Hein-Kircher

    „Wódz“, „Tautas vada“, „Caudillo”, „Duce“, „Conducator“, „Vožd‘“ als landessprachliche Varianten des „Führer“-Begriffs weisen darauf hin, dass Führer-Kulte (nicht nur) ein Phänomen im Europa des 20. Jahrhunderts waren und in zahlreichen Staaten etabliert worden sind. Führer-Kulte waren (und sind) die charakteristischste Form politischer Kulte und prägten nachhaltig die politische Kultur gerade der autoritären und totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, während andere Personenkulte, beispielsweise der um Evita Péron zu deren Lebzeiten, eher eine Stellvertreterfunktion wahrnehmen und Personenkulte um Verstorbene auf die gegenwärtig Herrschenden hin ausgerichtet werden, wie etwa im Fall des Lenin-Kultes. Ihre spezifische Wirksamkeit entfalten sie dadurch, dass sie in emotional eindringlicher Weise wirken und so die Teilhabenden zu einer Gemeinschaft zusammenschweißen. [...]

  • von Lena Heinze

    Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sehen sich Verleger, Drucker, Buchhändler und Verlagsagenten vor neue Herausforderungen gestellt. Innovative Formen der Herstellung und Verbreitung von Wissen und Unterhaltung gewinnen an Bedeutung und eine gesamte Branche rätselt. Es verändert sich etwas, da ist man sich sicher. Doch das ‚wie‘ und ‚wohin‘ bleibt verborgen hinter wolkigen Werbesprüchen. „So, wie sich das Medium Buch im digitalen Zeitalter weiterentwickelt hat, ist auch aus der traditionellen Buchstadt Leipzig heute ein Zentrum für Kreative aller Metiers geworden“, wirbt eine Imagebroschüre der Stadt aus dem Jahr 2011. Aber was bedeutet diese „Weiterentwicklung“ für den traditionellen Verlagsstandort Leipzig und seine professionelle Zukunft? [...]

  • von Angelika Schoder

    Am 3. Januar 1996 wurde in Deutschland der 27. Januar als nationaler Holocaust-Gedenktag von Bundespräsident Roman Herzog proklamiert, nachdem sich die Bundestagsfraktionen bereits im Juni 1995 ohne öffentliche Diskussion und getragen von parteiübergreifender Zustimmung auf den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ verständigt hatten. Zurückzuführen ist die Etablierung des Gedenktags in Deutschland auf die Initiative deutsch-jüdischer Vertreter, so hatte sich seit 1994 vor allem Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, für einen Gedenktag an diesem Datum eingesetzt. Der Holocaust-Gedenktag in Deutschland kann damit zwar als national motiviert betrachtet werden, zielt aber auch auf ein transnationales Erinnern ab, verdeutlicht durch die europäische Bedeutung des dem Tag zu Grunde liegenden historischen Ereignisses. [...]

  • von Thomas Pegelow Kaplan

    Activists in the European student and youth revolts of the 1960s made extensive use of leaflets and posters as tools to voice their criticism and increase their support. Cheaply and quickly produced, these communication tools played an unmatched role in creating a counter-public sphere that challenged mainstream political discourses and practices. Today, some of these protest documents have assumed the status of media icons that decisively shape collective memories of the past revolts. From the start, scholarship on the 1960s protests has widely relied on these sources. Scholarly works continue to benefit from the large collections of flyers and posters that movement activists and staff members of university, city, and state archives across Europe have assembled. Since the 1990s, scholars, including, finally, a growing number of historians, have re-examined these revolts in European-wide and global contexts. [...]

  • von Isabella Löhr und Matthias Middell

    Was ist ein Künstler, welche Rolle und Funktionen nehmen die Angehörigen der sogenannten Wissensberufe in der Gesellschaft ein und wie kann man den kulturell und wissenschaftlich gebildeten Laien vom professionellen Kulturschaffenden unterscheiden? Auf diese Fragen eindeutige Antworten zu finden, scheint am Beginn des 21. Jahrhunderts noch komplizierter geworden zu sein als ein Jahrhundert zuvor. Die weitere Ausdifferenzierung von Tätigkeiten in Kultur- und Wissensproduktion scheint unaufhaltsam und zugleich in wachsendem Maße instabil zu sein. Gegenüber den Versuchen einer institutionalisierten Verberuflichung stellen sich besonders die Kulturberufe mit Klagen über Prekarisierung und Seiteneinsteigern als flüchtig dar. Strittig ist, ob dies einfach nur Trends fortsetzt, die zu früheren Zeitpunkten ebenfalls zu beobachten waren, oder ob aus verschiedenen Gründen Diskontinuität vorherrscht. [...]

  • von Kristin Reichel

    In den 1950er und 1960er Jahren strebten aufgrund ökonomisch-struktureller und gesellschaftlicher Veränderungen vermehrt verheiratete Frauen in den Arbeitsmarkt. Diese Entwicklung vollzog sich weltweit und in rasantem Tempo: waren bis 1940 noch mehrheitlich ledige Frauen berufstätig, stellten bereits 1949 weltweit Ehefrauen die Mehrheit der weiblichen Erwerbstätigen. Vor allem in den Industrieländern führte das enorme Wirtschaftswachstum zu einem steigenden Arbeitskräftebedarf, so dass verheiratete Frauen schon bald als „letzte Arbeitskraftressource“ galten. In Deutschland war Ende der 1960er Jahre ungefähr die Hälfte der berufstätigen Frauen verheiratet. Ihre Anzahl hatte sich seit 1950 verdoppelt. In Ostmitteleuropa lag die Beschäftigungsquote verheirateter Frauen deutlich höher. Bereits 1961 waren in der Tschechoslowakei, der DDR und Polen bereits 60 Prozent erwerbstätig. [...]

  • von Rumjana Mitewa-Michalkowa

    In den 1970er Jahren forderten kritische bulgarische Intellektuelle, wie die Schriftstellerin Blaga Dimitrova, der Satiriker Radoj Ralin und der Maler Georgi Baev, eine Revision der dogmatischen Kulturpolitik und den offenen Dialog mit Ländern verschiedener politischer Systeme. Diese vorerst kleine Bewegung erhielt massiven Auftrieb, als Ljudmila Živkova, die Tochter des Staats- und Parteichefs Todor Živkov, die Leitung des Ministeriums für Kultur übernahm und sich auf der nationalen und internationalen Bühne für die Entdogmatisierung der marxistisch-leninistischen Kulturpolitik und die Öffnung und Internationalisierung des kulturellen Lebens einsetzte.

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