Essays/

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  • von Corinna Oesch

    Die Flugschrift „Gleichstellung aller Rechte der Männer mit den Frauen; oder: Die Frauen als Wähler, Deputirte und Volksvertreter“ (Wien, 1848) entstand an einem Scheidepunkt in der Geschichte der Demokratie. Das, was in der Französischen Revolution vorexerziert worden war, wiederholte und verfestigte sich nun in einer Reihe weiterer europäischer Länder – Frauen waren integraler Bestandteil der Kämpfe um die Abschaffung von Vorrechten, und dennoch wurde ihnen eine Teilhabe an der politischen Gestaltung der Zukunft verwehrt.

  • von Felix Ackermann

    Robert Geißler stellte 1884 das Berliner Gefängnis in der Lehrter Straße in einer anschaulichen Grafik als idealtypisches Gebäude für den Strafvollzug in Preußen dar. In der Komposition von acht Holzschnitten ordnet der Grafiker Innen- und Außenansichten des Moabiter Gebäudekomplexes so an, dass die Isolationshaft nicht als Strafe, sondern in erster Linie als Mittel zur Besserung der Einzelnen erscheint. Die in der Jahresillustrierten <em>Das Buch für alle</em> erschienene Darstellung verdeutlicht, wie im Deutschen Reich der Fortschrittsgedanke der Moderne auf das Individuum der verurteilten StraftäterIn übertragen wurde. In der vorliegenden Bildanalyse möchte ich zwei Aspekte herausarbeiten, die von den HerausgeberInnen des Projekts „Ambivalenzen der Europäisierung“ stark gemacht werden [...]

  • von Clara M. Frysztacka

    „‚Trajectorism‘ is the great narrative trap of the West and is also, like all great myths, the secret of its successes in industry, empire and world conquest.“ Die Quintessenz der westlichen Epistemologie bestehe, so Arjun Appadurai, in Zielgerichtetheit: Sie sichere den Erfolg des (west-)europäischen Zivilisationsmodells, stelle aber zugleich die größte „Falle“ des (west-)europäischen Selbstverständnisses dar. Appadurai nennt „trajectorism“ das, was andere ForscherInnen als Teleologie bezeichnen. Er versteht darunter die Auffassung der Zeit als einem Pfeil, der in eine präzise Richtung zeigt, sowie von historischen Prozessen und von der Geschichte selbst als Träger eines einheitlichen Telos.

  • von Caroline Rothauge

    Die Kritik an der Zeitumstellung ist mittlerweile wieder verbreitet, wie eine von der Europäischen Kommission im Juli und August 2018 durchgeführte öffentliche Konsultation ergab. So intensiv teilweise über Vorzüge von Sommer- oder Winterzeit debattiert wird, so selten wird grundsätzlich reflektiert, an welcher historisch gewordenen amtlichen Zeit wir uns überhaupt orientieren. In Deutschland ist dies die Mitteleuropäische Zeit (MEZ), und zwar seit dem 1. April 1893 – dem Tag, an dem das Gesetz, betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung in Kraft trat.

  • von Ruth Nattermann

    Im Juni 1868 veröffentlichte die Italienerin Gualberta Alaide Beccari einen offenen Brief der Schweizerin Marie Goegg, geborene Pouchoulin, in der von ihr nur wenige Wochen zuvor gegründeten Frauenrechtszeitschrift La Donna. Die italienische Frauenbewegung befand sich in ihrer Frühphase; der Prozess der italienischen Einigung, der 1861 in die Ausrufung des „Königreichs von Italien“ gemündet war, hatte das Engagement von Frauen für ihre eigenen Rechte vorbereitet. Die Entwicklung lief parallel zu den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa entstehenden nationalen Frauenbewegungen. Thema des Briefes der schweizerischen Aktivistin war die Initiative zur Gründung einer internationalen Frauenvereinigung, der Association Internationale des Femmes (AIF).[...]

  • von Margareth Lanzinger

    Ehe war über Jahrhunderte hinweg religiös kodiert und moralisch aufgeladen, als Institution und zentrale sozio-politische Ordnungsstruktur zugleich untrennbar mit der jeweils herrschenden Geschlechterordnung, also mit Vorstellungen und Konzepten von Geschlechtern und ihrem Verhältnis zueinander, verbunden. Eine wesentliche Grundlage konstituierte die Ehegesetzgebung, die zugleich das Eheverständnis prägte. Diskussionen über Ehe und Ehekritik sowie alternative und utopische Gegenentwürfe zur Ehe verweisen demgegenüber stets auf gesellschaftliche Veränderungen und Umbrüche. [...]

  • von Relinde Meiwes

    Im Spätsommer des Jahres 1877 begab sich eine kleine Gruppe junger Novizinnen der Schwestern von der heiligen Katharina aus der ostpreußischen Stadt Braunsberg auf eine Reise nach Skandinavien. Ziel war die finnische Hauptstadt Helsinki, die damals den schwedischen Namen Helsingfors trug. Die Schwestern wollten hier in der katholischen Kirchengemeinde als Lehrerinnen arbeiten. Wie sie waren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Menschen im Namen der Kirche unterwegs in Europa. Sie hatten sich die Verkündigung des Evangeliums zur Aufgabe gemacht und arbeiteten vor allem im Schulwesen und in der Krankenpflege. Eingebunden in religiöse Netzwerke reisten also nicht nur Priester, Missionare, Ordensmänner, Brüder oder Diakone, sondern auch Ordensfrauen, Diakonissen, Schwestern und Missionarinnen. Doch was bedeuteten diese weiblichen Aktivitäten? [...]

  • von Felix Axster

    Um 1900 avancierte die Bildpostkarte zu einem Massenmedium. Insbesondere fotografische Ansichtskarten (von Städten, Gebäuden, Landschaften etc.), aber auch (gezeichnete) Humorpostkarten erfreuten sich großer Beliebtheit – als postalisches Nachrichtenmedium sowie als Sammelobjekt einer sich schnell etablierenden Sammelszene. [...]

  • von Carolin Kosuch

    Der Umgang, den Gesellschaften mit ihren Minderheiten, mit als andersartig oder fremd Empfundenen, mit Flüchtlingen und als „Randgruppe“ Klassifizierten pflegen, steht nicht nur in Europa in einer wechselvollen Tradition. Gerade auch der jüdischen Bevölkerung europäischer und außereuropäischer Staaten schlugen und schlagen bis heute Gefühle der Ambivalenz, der Abneigung, des Unverständnisses und der Befremdung entgegen. [...]

  • von Ulf Brunnbauer

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Abgeordneten des Landtags (Sabor) des Königreichs Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens einige Male auf das Thema Emigration zu sprechen. Dies war nicht weiter verwunderlich angesichts der Dimension der Amerikaauswanderung aus Kroatien. Gemäß der offiziellen Emigrationsstatistik wanderten von 1899 bis 1914 rund 207.000 Menschen aus Kroatien aus, davon mehr als 170.000 nach Nordamerika, wobei noch viel mehr Emigrationspässe ausgestellt wurden. Kroatien stand damit nicht alleine, sondern spiegelte den Gesamttrend der Habsburger Monarchie wider, die Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Sendeland von Einwanderern in die USA geworden war. Mehrfach forderten Abgeordnete des kroatischen Landtags die Landesregierung mit Interpellationen auf, in das Emigrationsgeschehen einzugreifen. [...]

  • von Sven Oliver Müller

    Vergleicht man die Praktiken, die Geschmäcker und das Repertoire im Musikleben des 19. Jahrhunderts in Europa, fallen zunächst Parallelen auf. In den meisten europäischen Spielstätten waren der spontane Genuss musikalischer Darbietungen und der Konsum von Musik innerhalb eines sozialen Raumes ausschlaggebend. Das Diktum des berühmten Kritikers Eduard Hanslick, wonach sich eine Arie im Unterschied zu anderen Kunstformen, wie ein Glas Champagner genießerisch „schlürfen“ lasse, entspricht exakt dem Reisebericht Carl Maria von Webers, der über ein Privatkonzert im Hause Lord Hartfords im März 1826 aus London an seine Frau schrieb: „Herrlicher Saal, 500 bis 600 Personen da. Alles im höchsten Glanze. Fast die gesamte italienische Opern-Gesellschaft… . Da wurden Finales gesungen ec., aber kein Mensch hört zu. Das Gewirr und Geplauder der Menschenmenge war entsetzlich. [...]

  • von Ruth Nattermann

    Im Juni 1868 veröffentlichte die Italienerin Gualberta Alaide Beccari einen offenen Brief der Schweizerin Marie Goegg, geborene Pouchoulin, in der von ihr nur wenige Wochen zuvor gegründeten Frauenrechtszeitschrift La Donna. Die italienische Frauenbewegung befand sich in ihrer Frühphase; der Prozess der italienischen Einigung, der 1861 in die Ausrufung des „Königreichs von Italien“ gemündet war, hatte das Engagement von Frauen für ihre eigenen Rechte vorbereitet. Die Entwicklung lief parallel zu den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa entstehenden nationalen Frauenbewegungen. Thema des Briefes der schweizerischen Aktivistin war die Initiative zur Gründung einer internationalen Frauenvereinigung, der Association Internationale des Femmes (AIF). Goegg appellierte an die Leserinnen, sich der neuen Organisation anzuschließen, sie zu unterstützen und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. [...]

  • von Anette Schlimm

    Vom 17. bis zum 20. Oktober 1909 tagte in Paris der erste internationale Landschaftsschutzkongress (Congrès International pour la Protection des Paysages), oder, wie er von den deutschen Teilnehmern genannt wurde: der erste „internationale Heimatschutzkongreß“. Auf Einladung der französischen Société pour la Protection des Paysages trafen sich vier Tage lang Vertreter verschiedener europäischer Vereinigungen, die sich der Traditions- und Landschaftsbewahrung verschrieben hatten. Sie berichteten einander über die Probleme und Erfolge in ihren jeweiligen Herkunftsländern, tauschten sich aus und knüpften Kontakte. Bereits drei Jahre später, im Juni 1912, fand ein erneuter Kongress dieser Art statt, diesmal auf Einladung des deutschen Bundes Heimatschutz. Man tagte wiederum vier Tage, nun in Stuttgart, und es waren nicht nur Vertreter der verschiedenen europäischen Verbände angereist, sondern auch Abgesandte der nationalen Regierungen. [...]

  • von Gabriele B. Clemens

    Der Kunstmarkt beschränkte sich nie auf einzelne Städte oder Regionen, doch spätestens seit dem Ancien Regime nahmen seine europäischen Dimensionen kontinuierlich zu. Dabei sind Kunst und Kommerz zwei Sphären, die sich nicht voneinander trennen lassen. Noch nie wurde so viel Geld mit Kunst umgesetzt wie heute. Niemals zuvor war Kunst so teuer, zu keiner Zeit fanden sich so viele Kenner, Käufer und Spekulanten. Vor rund 200 Jahren waren die Dimensionen noch andere. Während im 18. Jahrhundert neben der Kirche das Mäzenatentum der Fürsten und einer kleinen Elite von weiteren Adeligen und reichen Bürgern entscheidend war, trat im 19. Jahrhundert ein breiteres Publikum auf den Plan, das die Ausstellungen der Akademien und die der neu gegründeten Museen zu regelrechten Massenspektakeln anschwellen ließ. Vielerorts wurden Kunstvereine gegründet, deren Mitglieder kollektiv Künstler förderten. In der Publizistik nahmen Diskussionen über Kunst und Kunstwerke auffallend zu. [...]

  • von Reinhard Wendt

    In Neuseeland wurden während des Zweiten Weltkriegs nicht nur Deutsche und Deutschstämmige, die dort lebten, als enemy aliens interniert. Vielmehr kamen in die Lager auch manche aus Samoa und von den Tonga-Inseln. Samoa war nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft als Mandatsgebiet des Völkerbunds in neuseeländische Verwaltung übergegangen, und Tonga, das seit dem 18. Mai 1900 als britisches Protektorat zum Empire gehörte, hatte vor allem ökonomisch enge Kontakte zu Neuseeland. Die Mehrzahl der tonganischen Internierten mit deutschen Wurzeln stammte aus Vava'u im Norden des Archipels. Es handelte sich um insgesamt zehn Personen: Hermann E. Guttenbeil, seinen Neffen Gustav F. Guttenbeil, die Vettern Otto G. Sanft und Rudolf F. Sanft, Otto P. Schaumkel, Arthur E.E. Schulke, Karl F.T. Witzke sowie die drei Brüder Friedrich C. Wolfgramm, Otto E. Wolfgramm und William G. Wolfgramm. [...]

  • von Milan Ristovic

    Critique of bureaucratic careerism of senior and junior civil servants was among the frequent topics in comedies of character written by the most famous Serbian writer Branislav Nušic (1864–1938). In their effort to “earn the rank” they stopped at nothing to get a promotion, like some of his characters whose greatest desire, regardless of abilities and education, was to succeed in getting into civil service. Throughout the nineteenth century, from the gradual expansion of the autonomy of the Principality of Serbia, as an Ottoman vassal, to an independent Principality (1878) and the Kingdom of Serbia (since 1882), the Serbian society, predominantly rural, was slowly changing its structure, experiencing all “birth pangs” of modernisation. Rudimentary administration of the autonomous Principality of Serbia rested on a few literate domestic clerks as well as educated Serbs and other immigrants from the Habsburg Monarchy. [...]

  • von Harald Homann und Verena Ott

    Im Zuge der Ausprägung kultur- und alltagshistorischer Fragestellungen, darauf hat Hannes Siegrist aufmerksam gemacht, wird auch die Geschichte des Konsums zunehmend auf der Ebene der dazugehörigen Aneignungs- und Deutungsprozesse untersucht. War der Konsum ursprünglich eher ein Thema der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung, werden seither auch deutungsorientierte Fragestellungen und Probleme der kulturellen Repräsentation durch Konsum, wie sie in den Sozialwissenschaften prominent sind, in die historische Forschung einbezogen. Je länger und intensiver unter dieser Perspektive geforscht wird, desto deutlicher wird, dass in modernen Gesellschaften die soziale Wirklichkeit einer permanenten Aushandlung unterliegt. Das gilt auch und gerade für den modernen Konsum. [...]

  • von Kerstin Lange

    Eine Tangomanie ergriff in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die europäischen Großstädte. Der argentinische Tango wurde vor allem in der Unterhaltungskultur von Paris, London und Berlin zu einem neuen Modetanz und verbreitete sich von dort aus auch in anderen Städten. Auf den Bühnen der Music Halls und Varieté-Theater kam kaum eine Vorstellung ohne eine Tango-Nummer aus, international erfolgreiche Künstler und Künstlerinnen wie Gaby Deslys oder George Grossmith Jr. nahmen den Tanz in ihr Programm auf. Doch nicht nur auf den Bühnen war der Tango zu sehen, auch das Publikum tanzte. Tanzflächen fanden sich in den Palais de Danse, wie sich die glamourösen Ballsäle des Olympia in Paris oder des Metropolpalastes in Berlin nannten, sowie in den Cafés, Restaurants und neuen Grandhotels entlang der Boulevards der Städte. Tango war in der Vergnügungskultur europäischer Metropolen „en vogue“. [...]

  • von Margareth Lanzinger

    Der Umfang, in dem die Ehe als Lebensform über Jahrhunderte hinweg religiös kodiert und moralisch aufgeladen worden war, stellt ein oft übersehenes Spezifikum der Europäischen Geschichte dar. Sowohl die Ehegesetzgebung als auch das Eheverständnis sind für die rechtliche, kulturelle und politische Formierung europäischer Gesellschaften grundlegend. Diskussionen über Ehe und Ehekritik sowie alternative und utopische Gegenentwürfe zur Ehe verweisen demgegenüber stets auf gesellschaftliche Veränderungen und Umbrüche. Schließlich sind die jeweilig gültigen normativen Vorgaben im Bereich des Eherechts immer auch eng mit normativen Vorstellungen und Konzepten von Geschlechterbeziehungen und Geschlechterverhältnissen verbunden. [...]

  • von Jürgen Kocka

    Die Klage über ihre soziale Unterschätzung war unter deutschen Ingenieuren an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert weit verbreitet, jedenfalls ihre Sprecher und Funktionäre ließen daran keinen Zweifel. Vor dem Nürnberger Bezirksverein Deutscher Ingenieure hat das Wilhelm Franz, Maschinenbauprofessor an der Technischen Hochschule (TH) Charlottenburg, 1908 bündig vorgetragen. Im Gegensatz zur wachsenden Bedeutung der Technik für Kultur und Gesellschaft seien die „Intellektuellen der Technik“, die Ingenieure, sozial unterprivilegiert und politisch einflusslos. Anders als die Juristen nähmen sie in der staatlichen Verwaltung und in den gesellschaftlichen Organisationen meist keine führenden, sondern nur untergeordnete Positionen ein. Das müsse sich ändern. [...]

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