Essays/

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  • von Regula Ludi

    Als Überlebende, als Identifikationsfiguren zeitgenössischer Erinnerungspolitik, als Protagonisten der Populärkultur sind Opfer die Helden und Heldinnen unserer Zeit. Mit Rückgriff auf Max Weber könnte man ihre gesellschaftliche Position in der westlichen Welt am ehesten als Status bezeichnen: Dieser stattet Opfer mit anerkannten Ansprüchen aus; er ist mit Tabus belegt und verleiht moralische Autorität; er garantiert Prestige und verbürgt Unschuld. Diese Entwicklung stößt keineswegs auf ungetrübte Freude. Besorgte Stimmen warnen vor der „sentimentalen Solidarität erinnerter Viktimisierung“, und schon seit geraumer Zeit artikuliert sich ein Unbehagen ob der verbreiteten „Sehnsucht Opfer zu sein“. [...]

  • von Hartmut Zwahr

    Dem nachstehenden Text vom 30. Oktober 1956 begegne ich gleichsam mit doppeltem Blick, dem eigenen, denn ich bin der Verfasser, sowie dem des Historikers auf vergessene Notizen, die ich im vorigen Jahr wiederfand. Ich kenne die Personen, den Ort, die Verhältnisse, die in sie hineinspielenden sorbischen Umstände, aber aus dem Gedächtnis könnte ich das Geschehen, das diese Quelle festhält, seine Spezifik und die damit verbundenen Reflexionen nicht rekonstruieren. Das Eigene erscheint inzwischen als das fast völlig Fremde.[...]

  • von Ina Merkel

    Zu Beginn der 90er Jahre stieß ich bei Recherchen im Deutschen Rundfunkarchiv auf den ungewöhnlichen Aktentitel: „Zeitgeist-Sammlung“. Dahinter verbargen sich mehrere Ordner mit Zuschauerbriefen. Die Mitarbeiter des Büros für Zuschauerpost beim Fernsehen der DDR hatten in Eigeninitiative jeweils 150 exemplarische Zuschriften eines Jahres, das waren etwa 5 Prozent aller Posteingänge, aufgehoben, anstatt sie nach 5 Jahren zu kassieren, wie es die Vorschriften vorsahen.[...]