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  • von Robert Groß

    Nach jahrelangen Importverhandlungen kamen die UdSSR und Österreich 1968 zu einem Vertragsabschluss. Damit war ein neues Kapitel der Ost-West-Beziehungen und der europäischen Energiegeschichte aufgeschlagen. Möglich wurde dies auch, weil sich das neutrale Österreich nicht an der Sanktionspolitik der NATO beteiligte, die die Lieferung von Rohren in die UdSSR erschwerte. Als das Embargo Ende 1966 aufgehoben wurde, hatte Österreich bereits die Eckpunkte des Liefervertrags ausverhandelt. Davon profitierten nicht nur Industriebetriebe in Österreich und in der BRD, sondern auch die UdSSR, die in der Folge ihre Transportinfrastruktur entsprechend ausbaute und neue Erdgasfelder in Sibirien erschließen konnte. Während die transnationale Perspektive vor allem die Rolle der Nationalstaaten bei der Vertragsanbahnung abbildet, nimmt die Perspektive der Energieversorger die europäischen Integrationsprozesse jenseits der großen Verträge und entlang der gebauten Infrastruktur in den Blick.

  • von Lars Döpking

    Kassenzettel, die Supermärkte oder Bäckereien alltäglich ausgeben, halten eine der stärksten Beziehungen fest, die die Europäische Union zu breiten Bevölkerungsschichten aufgebaut hat. Indem die auf ihnen ausgewiesene Mehrwertsteuer seit den 1960er-Jahren andere, national organisierte Abgaben verdrängte, stiftete sie fiskalische Beziehungen europäischer Provenienz. Die Steuer steht somit für einen Prozess fiskalischer Europäisierung, der seither die Steuerstaaten der EWG und EU erfasst hat. In seiner Folge erschlossen sie neue Finanzquellen, strukturierten ihr Steueraufkommen um und stabilisierten so ihre öffentlichen Finanzen in Zeiten freien Kapital- und Warenverkehrs – was jedoch vielerorts zu handfesten Konflikten führte, deren Spuren teilweise bis in die Gegenwart reichen.

  • von Janis Maximilian Meder

    Das vorliegende Essay betrachtet den mit der 68er- und Umweltbewegung einhergehenden Wertewandel als richtungsweisend für das westeuropäische Narrativ des verantwortungsbewussten Unternehmens. In den 1970er- und 1980er-Jahren gründeten junge Menschen in den Industrienationen Westeuropas Unternehmen mit gesellschaftlichen Visionen. Als symptomatisch für das Verständnis unternehmerischer Verantwortung gilt das 1976 von Anita Roddick in Brighton gegründete Unternehmen The Body Shop. Das Unternehmen verzeichnete in den folgenden Dekaden Erfolge, war jedoch zunehmend mit dem Konflikt zwischen Egoismus und Altruismus konfrontiert.

  • von Laurent Warlouzet

    To what extent has European integration been linked to economic crisis, from its origins during the postwar reconstruction period to the current Covid-19 pandemic? This paper will use a historical approach to argue that 1) European integration has unfolded around a market-oriented core, supplemented by social and neomercantilist feature that 2) the balance between those three aspects of integration approaches shifted decisively with the successive economic and financial crises unfolding since 1947 and that 3) the current Covid-19 crisis is calling into question the original balance by presenting a dual neoliberal and neomercantilist challenge.

  • von Korinna Schönhärl und Marc Buggeln

    Die Bundesregierung hat ein umfangreiches Konjunkturpaket im kalkulierten Wert von 130 Milliarden Euro aufgelegt, um die durch die Corona-Epidemie bedingte Rezession zu bekämpfen. Viele andere europäische Staaten dagegen stehen wirtschaftlich nicht so gut da wie die Bundesrepublik und können bei der Wiederaufbauhilfe nicht aus dem Vollen schöpfen. Gerade in den besonders schwer betroffenen südeuropäischen Ländern könnte eine längere Rezession drohen, die auch der deutschen Wirtschaft schweren Schaden zufügen würde. Wie könnte der Ausweg aus der Krise aussehen?

  • von Raimund Bauer

    Nachdem die Wehrmacht im Mai und Juni 1940 Frankreich besiegt und dabei Belgien, die Niederlande und Luxemburg besetzt hatte, standen weite Teile Europas direkt unter deutscher Herrschaft. Andere unterlagen dem indirekten Einfluss des Reiches, waren mit Deutschland verbündet oder vertraten offiziell eine neutrale Haltung. Während die deutsche Armee in der Folgezeit versuchte Großbritannien, das letzte Relikt der alten europäischen Ordnung, militärisch zu beseitigen, stellte sich die Frage, wie die Zukunft des Kontinents unter deutscher Hegemonie aussehen würde. [...]

  • von Justus Nipperdey

    Holland war im 17. Jahrhundert das Zentrum der (europäischen) Weltwirtschaft. Das kleine Land, das über keine nennenswerten Rohstoffe verfügte, dominierte die wichtigsten Handelsrouten und diente als zentraler Umschlagplatz von Waren aus der ganzen Welt. Die Niederländische Ostindien-Kompanie, die Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC), beherrschte den europäischen Handel mit Asien und brachte zunächst Gewürze und zunehmend feine Stoffe nach Amsterdam, von wo sie häufig weiterverkauft wurden. Doch die Wirtschaft lebte keineswegs nur von diesem ‚Stapelmarkt’, bei dem Waren importiert werden, um dann später mit Gewinn re-exportiert zu werden. [...]

  • von Ulf Brunnbauer

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Abgeordneten des Landtags (Sabor) des Königreichs Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens einige Male auf das Thema Emigration zu sprechen. Dies war nicht weiter verwunderlich angesichts der Dimension der Amerikaauswanderung aus Kroatien. Gemäß der offiziellen Emigrationsstatistik wanderten von 1899 bis 1914 rund 207.000 Menschen aus Kroatien aus, davon mehr als 170.000 nach Nordamerika, wobei noch viel mehr Emigrationspässe ausgestellt wurden. Kroatien stand damit nicht alleine, sondern spiegelte den Gesamttrend der Habsburger Monarchie wider, die Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Sendeland von Einwanderern in die USA geworden war. Mehrfach forderten Abgeordnete des kroatischen Landtags die Landesregierung mit Interpellationen auf, in das Emigrationsgeschehen einzugreifen. [...]

  • von Christian Marx

    Als Jean-Jaques Servan-Schreiber 1968 vor der amerikanischen Herausforderung – Le Défi américain – warnte, zielte er weniger auf die technologische Überlegenheit der US-Firmen, vielmehr richtete er sein Augenmerk auf die Eroberung zentraler europäischer Industriestrukturen durch US-Konzerne. Demnach bestand die Gefahr, dass in der Rangfolge der industriellen Weltmächte nach den USA und der Sowjetunion bald nicht mehr die europäischen Staaten, sondern die US-Unternehmen in Europa auf Platz drei stünden. Diskussionen über das Für und Wider amerikanischer Direktinvestitionen in Westeuropa waren nicht neu, gleichwohl hatte deren Bestand seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958 stark zugenommen. In einigen Schlüsselbereichen des technisch-industriellen Fortschritts nahmen US-Unternehmen schon Mitte der 1960er-Jahre in Europa eine beherrschende Stellung ein. [...]

  • von Jan Musekamp

    „Noch niemals sind den Regierungen in Deutschland so viele Mittel dargeboten worden, das ganze Territorium auf eine Weise in Verteidigungszustand zu setzen, die mit dem gesellschaftlichen Verkehre so sehr im Einklange steht und demselben einen neuen Aufschwung gibt. Statt daß jede Vermehrung der Streitmacht, bei welcher die bewegende Kraft eine Hauptrolle spielt, in der Regel eine Vermehrung der Staatsausgaben zu Folge hat, findet diesmal beinahe das Gegenteil statt, und es ist gewiß nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten, daß seit Erfindung der Buchdruckerkunst sich nichts zugetragen habe, was der durch Eisenbahnen und Dampfwagen erzeugten Beschleunigung und Erleichterung des öffentlichen Verkehrs rücksichtlich der Folgen an die Seite gesetzt werden könnte.“ [...]

  • von Heidi Tworek

    Genauso wie Kaiser Wilhelm II. waren viele Deutsche um 1900 von der überragenden Wichtigkeit des Verkehrs überzeugt. Das Wort Verkehr vereinte damals drei verschiedene Bedeutungen in sich. Denn es bezeichnete sowohl Verkehrsmittel im Sinne von Transport nach der heutigen Wortbedeutung als auch Kommunikation und Handel. Um 1900 begriffen die Deutschen Verkehr als ein weltweites Phänomen. Sie betrachteten ihn weniger im nationalen Kontext, sondern betonten die globalen und grenzüberschreitenden Zusammenhänge. Um 1900 war nicht nur von Verkehr, sondern auch von Weltverkehr die Rede. [...]

  • von Alexander Drost

    Die europäische Expansion nach Asien in der Frühen Neuzeit hatte nicht nur einen komplexen Waren- und Technologietransfer zur Folge. Auch zahlreiche europäische Konflikte und die mit ihnen verbundenen Konfliktlinien bzw. -grenzen fanden ihren Weg in asiatische Reiche. Hierzu gehörte auch der Kampf um die Loslösung der niederländischen Provinzen vom spanischen Imperium und seine Einbettung in kommerzielle Rivalitäten zwischen Niederländern und Spaniern in südostasiatischen Inselreichen zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Dabei ist in besonderem Maße bemerkenswert, dass die Grundlagen für das (Miss-) Verständnis von Grenzen in unterschiedlichen Bedeutungssystemen in Europa und Asien liegen. [...]

  • von Mária Hidvégi

    Das Glühlampenkartell, nach seinem administrativen Organ, der Phoebus S. A. Genf, kurz „Phoebus“ genannt, das von 1924 bis 1939 die größten Produzenten aus aller Welt zusammenfasste, war zu seiner Zeit eines der bekanntesten und bestorganisierten internationalen Kartelle und wurde deshalb schon mehrfach von Wirtschaftshistorikern analysiert. Was diesen Kartellvertrag zu einem erstklassigen Analysegegenstand für die europäische Geschichte macht, ist dreierlei. [...]

  • von Christopher Kopper

    Während der Vertrag von Maastricht und die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung umfassende Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erfahren haben, wurden die dafür notwendigen institutionelle Voraussetzungen in Gestalt des europäischen Binnenmarktes für Waren und Dienstleistungen bislang nur wenig beachtet. In den Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Europäischen Union wird der politischen Grundlagenentscheidung, der Einheitlichen Europäischen Akte, und der Implementierung des Binnenmarktes nur einige Seiten gewidmet. [...]

  • von Rainer Metz

    Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Roheisen- und Bleierzeugung pro Kopf der Bevölkerung in England von 1844 bis 1914 in der Form, wie sie der russische Ökonom Nikolaj Kondratieff (1892-1938) berechnet und als Indiz für die Existenz langfristiger Konjunkturzyklen, den sogenannten Langen Wellen, verwendet hat. Zur Berechnung der in Abb. 1 dargestellten Reihen hat Kondratieff zunächst den Säkulartrend mit Hilfe deterministischer Funktionen der Zeit geschätzt, die resultierenden Werte dann von der Originalreihe subtrahiert und schließlich das Ergebnis als Prozentabweichungen vom Säkulartrend ausgedrückt. Die prozentualen Abweichungen hat er zudem noch mit einem 9jährigen gleitenden Mittelwert geglättet um die kurzfristigen Konjunkturschwankungen auszuschalten. Das Ergebnis dieses Vorgehens zeigt die Abb. 1, die in dieser Form auch in seiner Publikation von 1926 enthalten ist, hier aber aus den von ihm verwendeten Reihen berechnet wurde. [...]

  • von Christoph Strupp

    Der wirtschaftliche Zusammenschluss Westeuropas in der Nachkriegszeit ist ein politisches Projekt, das sich in der Rückschau als Erfolgsgeschichte darstellt. Der Weg von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1952 mit sechs Mitgliedsländern zur Europäischen Union der Gegenwart mit 27 Mitgliedern war allerdings kompliziert, denn gegensätzliche wirtschaftliche Interessen und politische Ziele der beteiligten Nationalstaaten mussten in immer neuen Kompromissen austariert werden. Unterschiedliche ideologische Vorstellungen über den Charakter des Europäischen Hauses und das Verhältnis der zentralen Institutionen in Brüssel und Straßburg zu den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten führten und führen bis heute zu Konflikten. [...]

  • von Rebecca Belvederesi-Kochs und Paul Thomes

    Das European Recovery Program (ERP), gemeinhin als Marshall-Plan bezeichnet, war das bedeutendste, von den USA getragene europäische Wiederaufbauprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist bis heute ganz überwiegend positiv besetzt, zumal es in der Wahrnehmung der begünstigten Staaten unmittelbar mit der Wohlstandserfahrung der ersten Nachkriegsjahrzehnte korrespondiert. So wurden die Effekte der US-amerikanischen Auslandshilfe beispielsweise nicht nur direkt mit dem westdeutschen „Wirtschaftswunder“ assoziiert; im politischen und medialen Diskurs arrivierten der Marshall-Plan und die mit ihm verknüpften Institutionen zu Symbolen der gemeinsamen Erfolgsgeschichte der europäischen Wohlstandsgesellschaften. [...]

  • von Petar Dragisic

    Die wirtschaftliche Stagnation in Jugoslawien in den 1960er und 1970er Jahren wirkte sich negativ auf die Situation auf dem jugoslawischen Arbeitsmarkt aus. Im Jahr 1980 waren rund 800.000 Jugoslawen auf Stellensuche. Der Druck auf den jugoslawischen Arbeitsmarkt in den 1960er und 1970er Jahren sowie der im Vergleich zu Westeuropa niedrigere Lebensstandard trieben Hunderttausende Jugoslawen in die Emigration. Die überwiegende Mehrheit der jugoslawischen Arbeitsmigranten ging damals nach Westeuropa. Diese Emigration erreichte ihren Höhepunkt in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. [...]

  • von Luise Althanns

    Am 31. Januar 1990 wurde in Moskau der erste McDonald’s eröffnet. Dieses Ereignis kann als Synonym für die Konsumrevolution gelten, welche die ehemals sozialistischen Länder im Zuge des Übergangs zur Marktwirtschaft erlebten. Die sich wesentlich im Konsum niederschlagende Teilung in ein östliches und westliches Europa nahm damit ein Ende. Im März 1990 erschien auf der Titelseite der führenden sowjetischen Satire-Zeitschrift Krokodil eine Karikatur, welche die Eröffnung des ersten McDonald’s in Moskau auf der Gorkij- (später: Tverskaja-) Straße gegenüber der Puškin-Statue kommentierte. Das in der Karikatur gezeichnete Stadtbild entspricht mit der Coca-Cola-Leuchtreklame zur linken – die Werbung gab es an dieser Stelle seit November 1989 –, den Häusern, den McDonald’s-Emblemen und der Kontur der Statue weitgehend den realen Gegebenheiten des Ortes. Vor dem neuen Schnellimbiss drängen sich Menschenmassen, von den Seiten laufen weitere Menschen hinzu. Auch dies entspricht den damaligen Zuständen.

  • von Jean-François Eck

    Ab 1955 stützten sich die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Frankreichs auf eine besondere Einrichtung, die offizielle deutsch-französische Handelskammer. Sie war im Rahmen der im vorangegangenen Jahr von den jeweiligen Regierungschefs unterzeichneten Verträgen von La Celle Saint-Cloud auf Initiative der öffentlichen Hand gegründet worden und versammelte Anfang der 1960er Jahre ungefähr 2.000 Teilnehmer (Unternehmen, Einzelpersonen, Vereinigungen). Ausgehend von strikt paritären Strukturen, einer Zeitschrift und der Unterstützung der Industrie- und Handelskammer von Paris spielte sie eine nicht unbedeutende Rolle. Sie übernahm die Verteidigung privater Interessen gegenüber öffentlichen Stellen, die sie in technischen Fragen konsultierten, die Verbreitung von Informationen an Unternehmen, die sich im Nachbarland ansiedeln wollten sowie die Entwicklung von Sprach- und Wirtschaftsunterricht.

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