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  • von Philipp Moosdorf

    Im Jahr 1731 brach eine kleine Gruppe Reisender von der Residenzstadt Dresden zu einer ungewöhnlichen Reise auf. Die Gruppe um den zum Expeditionsleiter bestellten Johann Ernst Hebenstreit (1703–1757) sollte im Auftrag August des Starken den afrikanischen Kontinent bereisen, um von dort Tiere für die kurfürstliche Menagerie und Material für die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Hofes zu beschaffen.[2] Die beigegebenen Quellen, der Reiseplan Hebenstreits und die Instruktion des sächsischen Hofes, zeigen das Programm der Reise auf. Auffällig ist die wissenschaftliche Zielsetzung der Reise, die der sächsischen Afrikaexpedition den Charakter einer frühen europäischen Forschungsreise gibt. [...]

  • von Klaus Ziemer

    Die polnische Partei- und Staatsführung unter Edward Gierek (im Amt von 1970 bis 1980) wollte im Juni 1976 durch notwendige, aber überfallartig versuchte Preiserhöhungen für subventionierte Konsumgüter die Staatsausgaben wieder in den Griff bekommen. Preiserhöhungen waren in Polen eine politisch hoch sensible Angelegenheit, seit die politische Führung unter Wladyslaw Gomulka 1970 kurz vor Weihnachten die Preise für Lebensmittel drastisch erhöhte. Sie löste damit Streiks und Proteste in mehreren Städten, vor allem an der Küste aus, die blutig niedergeschlagen wurden. Dutzende von Toten waren hauptsächlich in Danzig (Gdansk) und Gdingen (Gdynia) zu beklagen, was in den offiziellen Medien tabuisiert wurde. Gomulka wurde durch Gierek abgelöst. [...]

  • von Hasso Spode

    Im Jahr 1998 fand an der Evangelischen Akademie Loccum eine Expertentagung über den Zustand der Tourismusforschung statt. Die Zusammenkunft fiel in eine Zeit des gärenden Unbehagens mit der „Theorieferne“ der Tourismusforschung und deren marginaler Rolle im Wissenschaftsbetrieb. „Die Disziplin der Liliputaner“ überschrieb denn auch die Frankfurter Rundschau ihren Bericht. [...]

  • von Juliane Scholz

    Zur Zeit des Nationalsozialismus flohen zahlreiche Schriftsteller und Drehbuchautoren aus Deutschland in die USA. Manche von ihnen konnten in letzter Minute mit einem rettenden Visum einreisen. Die Erfahrungen der europäischen Exilautoren in den Vereinigten Staaten waren dann allerdings widersprüchlich. Wer in Hollywood, dem Zentrum der amerikanischen Filmindustrie landete, realisierte rasch, dass seine aus Europa mitgebrachten Vorstellungen von Beruf, geistiger Arbeit und individueller Autorschaft in der großbetrieblich organisierten Kulturindustrie der amerikanischen Westküste wenig galten. [...]

  • von Kerstin Lange

    Eine Tangomanie ergriff in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die europäischen Großstädte. Der argentinische Tango wurde vor allem in der Unterhaltungskultur von Paris, London und Berlin zu einem neuen Modetanz und verbreitete sich von dort aus auch in anderen Städten. Auf den Bühnen der Music Halls und Varieté-Theater kam kaum eine Vorstellung ohne eine Tango-Nummer aus, international erfolgreiche Künstler und Künstlerinnen wie Gaby Deslys oder George Grossmith Jr. nahmen den Tanz in ihr Programm auf. Doch nicht nur auf den Bühnen war der Tango zu sehen, auch das Publikum tanzte. Tanzflächen fanden sich in den Palais de Danse, wie sich die glamourösen Ballsäle des Olympia in Paris oder des Metropolpalastes in Berlin nannten, sowie in den Cafés, Restaurants und neuen Grandhotels entlang der Boulevards der Städte. Tango war in der Vergnügungskultur europäischer Metropolen „en vogue“. [...]

  • von Margareth Lanzinger

    Der Umfang, in dem die Ehe als Lebensform über Jahrhunderte hinweg religiös kodiert und moralisch aufgeladen worden war, stellt ein oft übersehenes Spezifikum der Europäischen Geschichte dar. Sowohl die Ehegesetzgebung als auch das Eheverständnis sind für die rechtliche, kulturelle und politische Formierung europäischer Gesellschaften grundlegend. Diskussionen über Ehe und Ehekritik sowie alternative und utopische Gegenentwürfe zur Ehe verweisen demgegenüber stets auf gesellschaftliche Veränderungen und Umbrüche. Schließlich sind die jeweilig gültigen normativen Vorgaben im Bereich des Eherechts immer auch eng mit normativen Vorstellungen und Konzepten von Geschlechterbeziehungen und Geschlechterverhältnissen verbunden. [...]

  • von Christa Hämmerle

    Für die Zeit zwischen 1933 und 1945 sind Terror, Krieg und Genozid europaweit in verschiedensten autobiografischen Aufzeichnungen bezeugt, die einen ganz spezifischen Blick auf diese Jahre eröffnen können. Dies gilt, obschon unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen, für beide Seiten der damals zutiefst gespaltenen Gesellschaft: einmal für jene, die „dazu gehörten“ und das NS-Regime sowie seine Kriegsführung in Europa oft bis zuletzt stützten, obwohl der totale Krieg sie selbst einholte; sowie vor allem für jene, die ausgegrenzt, verfolgt, auf die Flucht und ins Exil getrieben oder ermordet wurden. Gerade unter diesen Menschen evozierte die anhaltende, zerstörerische Krisenerfahrung, die sich immer seltener in direkter Gesprächs- oder Briefform kommunizieren ließ, auch ein intensiviertes Tagebuchschreiben, das zwar an kulturelle Traditionen schriftlicher Selbstthematisierung anknüpfte, sich aber unter den dramatischen Bedingungen zugleich neu ausrichtete. [...]

  • von Angelika Schoder

    Am 3. Januar 1996 wurde in Deutschland der 27. Januar als nationaler Holocaust-Gedenktag von Bundespräsident Roman Herzog proklamiert, nachdem sich die Bundestagsfraktionen bereits im Juni 1995 ohne öffentliche Diskussion und getragen von parteiübergreifender Zustimmung auf den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ verständigt hatten. Zurückzuführen ist die Etablierung des Gedenktags in Deutschland auf die Initiative deutsch-jüdischer Vertreter, so hatte sich seit 1994 vor allem Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, für einen Gedenktag an diesem Datum eingesetzt. Der Holocaust-Gedenktag in Deutschland kann damit zwar als national motiviert betrachtet werden, zielt aber auch auf ein transnationales Erinnern ab, verdeutlicht durch die europäische Bedeutung des dem Tag zu Grunde liegenden historischen Ereignisses. [...]

  • von Jörg Ganzenmüller

    Am 3. Mai 1791 verabschiedete der Vierjährige Reichstag in Warschau die erste kodifizierte Verfassung Europas. Dieses Ereignis ist bis heute kaum ins europäische Geschichtsbewusstsein vorgedrungen. Die amerikanische Verfassung von 1789 und die französische Verfassung vom 3. September 1791 gelten als die zentralen Meilensteine in der Geschichte der konstitutionellen Bewegung. Die polnische Maiverfassung hingegen ist außerhalb von Polen nur wenigen bekannt. Wie die amerikanische und die französische Verfassung, so ist auch die Maiverfassung ein Produkt der europäischen Aufklärung. Inspiriert von Montesquieu und John Locke verkündete sie die Souveränität der Nation und führte die Gewaltenteilung ein. Die Exekutive bestand aus dem König sowie einer aus Kronrat und Ministern bestehenden Regierung. Die Legislative bildete ein nach dem Mehrheitsprinzip entscheidender Reichsrat. Die Judikative lag in der Hand von Magistraturen, deren Richter gewählt wurden. [...]

  • von toni Morant i Ariño

    Eine Europakarte, welche durch keinerlei staatliche Grenzen definiert ist. Ein säulenähnlicher Stamm, der genau in ihrer Mitte geradlinig wächst, dessen Wurzeln sich aber quer durch den europäischen Kontinent erstrecken. Eine Baumkrone schließlich, welche zwischen ihren Blättern eine kugelförmige, soeben gekeimte Frucht hält, die das zu symbolisieren scheint, was unmittelbar als Titel angeführt ist: die „Gruendungstagung des Europaeischen Jugendverbandes Wien 1942“. [...]

  • von Roberto Sala

    Die gegenseitige Wahrnehmung Italiens und Deutschlands ist ein immer wiederkehrendes Thema für Historikerinnen und Historiker, die sich den deutsch-italienischen Beziehungen oder – je nach Standpunkt des Beobachters – der Geschichte des jeweils anderen Landes widmen. Als Forschungsobjekt ermöglichen es „Bilder“, die Mechanismen nationaler Diskurse zu entlarven und somit das Verhältnis zwischen zwei Staaten bzw. deren Bevölkerungen zu beleuchten. Ihre Untersuchung birgt jedoch gravierende theoretische und methodische Schwierigkeiten, wenn auch einschlägige Studien diese weitgehend verkannt haben. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf eine Leerstelle in den Untersuchungen über das deutsche Italienbild, auf „populäre“ Betrachtungsweisen. [...]

  • von Christopher Neumaier

    „Kraftwerke, Autofahrer und andere Giftproduzenten sollen sich nicht gegenseitig den Schwarzen Peter für die Luftverschmutzung zuschieben“, zitierte die Zeitschrift ADAC Motorwelt ihren Leser Peter Ditter im Beitrag „Aktion sauberes Auto“ der Septemberausgabe 1983. Ditter ging in seinen Ausführungen sogar noch einen Schritt weiter und plädierte dafür, dass die Initiative zur Einführung eines „umweltfreundlichen“ Autos von den Autofahrern selbst ausgehen solle: „Machen wir Autofahrer doch den ersten Schritt und nehmen der Gegenseite die Argumente!“ Diese Meinung war nach Darstellung der Mitgliederzeitschrift des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) im Spätsommer 1983 bei den Clubmitgliedern durchaus mehrheitsfähig. [...]

  • von Jürgen Kocka

    Die Klage über ihre soziale Unterschätzung war unter deutschen Ingenieuren an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert weit verbreitet, jedenfalls ihre Sprecher und Funktionäre ließen daran keinen Zweifel. Vor dem Nürnberger Bezirksverein Deutscher Ingenieure hat das Wilhelm Franz, Maschinenbauprofessor an der Technischen Hochschule (TH) Charlottenburg, 1908 bündig vorgetragen. Im Gegensatz zur wachsenden Bedeutung der Technik für Kultur und Gesellschaft seien die „Intellektuellen der Technik“, die Ingenieure, sozial unterprivilegiert und politisch einflusslos. Anders als die Juristen nähmen sie in der staatlichen Verwaltung und in den gesellschaftlichen Organisationen meist keine führenden, sondern nur untergeordnete Positionen ein. Das müsse sich ändern. [...]

  • von Thomas Höpel

    Beim Projekt der SED, in der DDR eine sozialistische Gesellschaft zu schaffen, spielten Kultur und Bildung eine entscheidende Rolle. Sie sollten bei der Emanzipation der Arbeiter und Bauern helfen und zur Schaffung des „Neuen Menschen“ besonders im Zuge der „sozialistischen Kulturrevolution“ ab 1957 beitragen. Um dieses Projekt flächendeckend zu realisieren, setzte die SED auf hauptberufliche Kulturfunktionäre als zentrales Instrument. Seit Ende der 1950er-Jahre entstand ein breitgefächertes Qualifizierungs- und Ausbildungssystem für Kulturfunktionäre und Kulturarbeiter, das an der Spitze ein Hochschulstudium für Kulturwissenschaften vorsah. Professionelle Kulturfunktionäre sollten fortan die „sozialistische Kulturrevolution“ an der Basis durchsetzen. Sie waren einerseits abhängig von der staatlichen Partei- und Kulturbürokratie, kannten andererseits aber auch die Bedürfnisse und Nöte auf lokaler und regionaler Ebene und sollten die zentralen Direktiven den örtlichen Gegebenheiten gemäß umsetzen. [...]

  • von Sabine Mangold-Will

    Als sich der deutsche Bundespräsident Christian Wulff im Oktober 2010 zum Staatsbesuch in Ankara aufhielt, beschwor er dort wie vor ihm auch andere deutsche Staatsgäste die „weit in die Geschichte zurück“ reichende „deutsch-türkische Partnerschaft und Freundschaft“. Dem Ende des Ersten Weltkrieges wies er dabei den Charakter eines Neuanfanges in den wechselseitigen Beziehungen zu, da mit der Umgestaltung der politischen Systeme in beiden Ländern nunmehr „das Parlament eine zentrale Rolle spielen sollte“. Ausgehend von dieser bundesrepublikanischen politischen Metaerzählung einer ebenso traditionellen, wie durch die Demokratisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts erneuerten deutsch-türkischen Freundschaft will der vorliegende Essay in die Geschichte der deutsch-türkischen Beziehungen während der Weimarer Republik einführen. [...]

  • von Ernst Langthaler

    „Agrar-Europa“ ist heutzutage in aller Munde, wenn von der Landwirtschaft der Staaten der Europäischen Union (EU) die Rede ist. Für heutige EU-Bürgerinnen und -Bürger versteht es sich von selbst, die Landwirtschaft ihres jeweiligen Landes mit „Brüssel“ zu assoziieren; so etwa laden demonstrierende Agrarverbände ihre Mistfuhren kaum mehr vor den nationalen Regierungssitzen, sondern dem Sitz der EU-Kommission ab. Diese Begriffsassoziation wurde vor rund einem halben Jahrhundert im Zuge der Formierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) geprägt; so etwa erscheint seit 1960 der mehrsprachige Presse- und Informationsdienst Agra-Europe. Der Agrarbereich zählt gewiss zu den am stärksten europäisierten Feldern der Gegenwartsgesellschaft.[...]

  • von Christian Preusse

    Wie die friedliche Koexistenz heterogener, sich gegenseitig ausschließender, weil mit ultimativem Wahrheitsanspruch auftretender Glaubenssysteme funktionieren kann, ist nicht erst seit der Reformation eine Grundfrage der europäischen Geschichte. Aus deutscher Perspektive wird der Augsburger Religionsfrieden und die rechtliche Absicherung der bikonfessionellen Reichsverfassung nach der Reformation oft als europäisches Novum und als wegweisende Lösung dieser Frage gedeutet.[...]

  • von Jürgen G. Nagel

    Die kleine Episode aus der deutschen Kolonie Togo, die hier vorgestellt wird, stammt mitten aus dem kolonialen Alltag und ist weit weg von der Wahrnehmung der gängigen Kolonialgeschichtsschreibung angesiedelt, die nach wie vor selten unter die Ebene der Gouvernements vordringt. Gerade deshalb scheint sie geeignet, die Vielschichtigkeit des Phänomens »Kolonialismus« zu veranschaulichen. Dieses lässt sich eben nicht als simple Dichotomie von »Kolonisatoren« und »Kolonisierten« oder ausschließlich als einseitiges, uneingeschränktes Unterdrückungsverhältnis erklären, mithin nicht als "dual society". Allein die quantitative Unverhältnismäßigkeit zwischen indigener Bevölkerung und europäischen Kolonisatoren spricht dagegen. In Togo waren gegen Ende der Kolonialzeit gerade 320 Deutsche und 560 afrikanische Polizisten stationiert, die gut eine Million Einwohnern beherrschten. [...]

  • von Leyla von Mende

    Klagen um „Europäisierungsmißstände“ im Osmanischen Reich des 19. und frühen 20. Jahrhunderts könnten aus der Feder des osmanischen Schriftstellers und Bürokraten Ahmet Hikmet Müftüoglu stammen, dessen Kurzgeschichte Yegenim (Mein Neffe) dieser Essay im Folgenden behandelt. Doch findet man diesen Begriff in Wirklichkeit in einer Rede des deutschen Orientalisten Carl Heinrich Becker, die er 1916 unter dem Titel „Das türkische Bildungsproblem“ in Bonn an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität hielt. [...]

  • von Christopher Kopper

    Während der Vertrag von Maastricht und die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung umfassende Aufmerksamkeit in der historischen Forschung erfahren haben, wurden die dafür notwendigen institutionelle Voraussetzungen in Gestalt des europäischen Binnenmarktes für Waren und Dienstleistungen bislang nur wenig beachtet. In den Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Europäischen Union wird der politischen Grundlagenentscheidung, der Einheitlichen Europäischen Akte, und der Implementierung des Binnenmarktes nur einige Seiten gewidmet. [...]

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