Gonzáles, Felipe: Rede anlässlich der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages zwischen Spanien und der EG (Madrid, 12. Juni 1985)
[...] Der heutige Tag ist ein historischer Schritt für Spanien und für Europa. Denn mit den Unterschriften im Beitrittsvertrag zur Europäischen Gemeinschaft haben wir nicht nur die politische Isolierung Spaniens überwunden, sondern auch einen Meilenstein in der Vollendung der Einheit unseres alten Kontinents gesetzt.
Nun trägt auch Spanien dazu bei, die Ziele aus der Präambel der Römischen Verträge Wirklichkeit werden zu lassen. Ideale, unter denen die Gründer der Gemeinschaft damals alle Völker Europas einluden, an der Festigung des Friedens und der Freiheit teilzunehmen. [...]
Heute können wir mit Genugtuung sagen, dass es die richtige Entscheidung war, jene demokratisch gewählten Vertreter des spanischen Volkes in ihrem Schritt zum Beitritt in die Europäische Gemeinschaft uneingeschränkt zu unterstützen und der Regierung besonders zu Beginn der Verhandlungen den Rücken zu stärken. Damit haben wir von Anfang an klar gemacht, dass unser Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft eine parteiübergreifende Staatsangelegenheit ist, dessen Ursprung in der überwältigenden Mehrheit der Bürger, ihrem Wunsch nach Integration Spaniens in Europa und der Teilnahme an den Idealen der Freiheit, des Fortschritts und der Demokratie lag. [...]
Durch die Verbindung der alten Selbstverständlichkeit, Teil von Europa zu sein, mit der wiedergewonnenen Möglichkeit, erneut an Europa teilzuhaben – zunächst durch die Vertretung im Europäischen Rat und nun in der Europäischen Gemeinschaft –, durch dieses Wiederanknüpfen an das Vermächtnis der Vergangenheit gewinnt eine ganze Nation ihr eigentliches Geschichtsbewusstsein wieder. [...]
Der Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft ist ein ehrgeiziges und weitreichendes Projekt, das wesentlich über den reinen Wortlaut der nun unterzeichneten Vertragsklauseln hinausgeht.
Für Spanien bedeutet der Beitritt zugleich die endgültige Überwindung der politischen Isolation und die Chance auf Teilnahme am gemeinsamen Schicksal der westeuropäischen Länder.
Zweifelsohne impliziert der Beitritt für unser wirtschaftliches und soziales Leben eine Herausforderung zu mehr Modernität, die einen Mentalitäts- und Strukturwandel nach sich ziehen muss. Schwieriger noch als für die damaligen Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft wird diese Angleichung deshalb ausfallen, weil wir uns mit Verspätung in einen bereits laufenden Prozess eingliedern.
Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass unsere Gesellschaft (Arbeiter und Unternehmer, Selbstständige, Techniker und Forscher, Männer und Frauen aller Völker Spaniens) auf diese Herausforderung deutlich reagieren wird. Durch die Anstrengungen aller und mit der Hoffnung eines ganzen, dynamischen und jungen Volkes werden wir die Aufgabe der wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Modernisierung meistern, die einen selbstbewussten und sicheren Übergang an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert gewährleistet.
Für Europa als Ganzes darf die Erweiterung der Gemeinschaft durch den Beitritt Spaniens und Portugals keine reine Rechenoperation sein, sondern sollte als besondere Gelegenheit für einen qualitativen Sprung in seiner politischen Entwicklung gewertet werden. [...]
Was Spanien betrifft, lassen Sie mich eine Sache ganz klarmachen: wir werden weder eine Last für die Gemeinschaft, noch ein Hindernis auf ihrem Weg zu mehr politischer und wirtschaftlicher Integration sein. Ganz im Gegenteil: innerhalb der Vertretung unserer Kerninteressen werden wir mit allen Kräften am Voranschreiten der europäischen Einheit mitarbeiten. [...]
Dafür steuert Spanien das Wissen einer alten Nation und den Enthusiasmus eines jungen Volkes bei, überzeugt davon, dass die Einheit in der Zukunft die einzig mögliche Zukunft für Europa ist. Das Ideal dieser europäischen Entwicklung ist bedeutender denn je, gerade weil die Welt von heute und von morgen uns dazu auffordert. [...]
Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Arbeit zwar der Verbesserung der Gegenwart gilt, aber vor allem auch den nachfolgenden Generationen ein Vermächtnis des Friedens, der Gerechtigkeit und des Fortschritts hinterlassen soll. Diese Einstellung bedeutet, an Europa zu glauben, und so hoffen wir auf ein gerechteres, solidarischeres und gemeinsameres Europa der Zukunft. [...]