Abbildungen Polnischer Plakate (1949)

Abbildungen Polnischer Plakate (1949)

Abbildung 1[1]



Abbildung 2[2]



[1] Mroszczak, Józef, Polnische Plakate, Stadgeschichtliches Museum Leipzig, PL 50/64a, 1949. © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Böttchergäßchen 3, 04109 Leipzig, URL: <http://stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de/>.

[2] Zamecznik, Stanislaw; Lipinski, Eryk, Ausstellung Polnische Plakate, Stadtarchiv Nürnberg, A 28 Nr. 1950/60, 1949. © Stadtarchiv Nürnberg, Marientorgraben 8, 90402 Nürnberg, URL: <http://www.nuernberg.de/internet/stadtarchiv/>.


Polnische Plakatkunst als Medium transnationaler Kunstkontakte und Kulturpolitik im Ost-West-Konflikt[1]

Von Jeannine Harder

Die Polnische Schule der Plakatkunst hatte in den 1950er- und 1960er-Jahren in der internationalen Szene der angewandten Grafik einen ausgezeichneten Ruf. Weitaus stärker als Werke der zeitgenössischen polnischen Malerei oder Plastik erlangten die Plakate weltweit auch in nicht-sozialistischen Staaten Europas Anerkennung. Westliche Gebrauchsgrafiker lobten die Gestaltungsvielfalt und den Ideenreichtum der Polnischen Schule der Plakatkunst. Polnische Plakatkünstler genössen insbesondere in der Film- und Theaterwerbung ein außerordentliches Maß an gestalterischer Freiheit. Im Unterschied zur Plakatgestaltung in marktwirtschaftlich bestimmten Ländern sei die polnische „Plakatkunst“ nicht an die beengenden wirtschaftlichen, motivischen, konzeptionellen und stilistischen Vorgaben der Werbeagenturen gebunden. Die in den 1950er-Jahren in Fachzeitschriften geführten Debatten über die Gestaltung von Filmplakaten zeigen, dass künstlerisch ambitionierte Gebrauchsgrafiker, die gegen die „Diktatur des schlechten Geschmacks“[2] der schematischen, kitschigen Hollywood-Plakate aufbegehrten, häufig polnische Plakate als gelungene Alternativen anführten. Damals etablierte sich die polnische Plakatkunst in Europa als Muster für kulturelle Vielfalt und freie künstlerische Gestaltung.

Nachdem polnische Plakate auf der Internationalen Plakatausstellung in Wien 1948 mehrfach ausgezeichnet und danach in internationalen Fachzeitschriften wie Graphis, Art and Industry und Modern Publicity gelobt worden waren, wurden für 1950 und 1951 Wanderausstellungen polnischer Plakate organisiert. Diese stießen in vielen europäischen Metropolen und größeren Städten auf großes Interesse. Sie machten Station in Belgien, der Schweiz, beiden deutschen Staaten, Ungarn, Rumänien, Norwegen, Schweden und Österreich.

Polnische Plakate fanden trotz des sich stetig verschärfenden Ost-West-Konflikts großes Interesse. Die polnische Kulturpolitik propagierte nach den Kulturkonferenzen der Jahre 1948/49 die Leitlinien zum Sozialistischen Realismus nach dem Muster der Sowjetunion und wirkte so an der kulturellen Spaltung Europas mit. Doch in der internationalen Ausstellungspraxis verfolgte sie eine Strategie der Differenzierung. So sind in den Katalogen für die ungarische und rumänische Ausstellung fast keine der international gelobten Filmplakate von Eryk Lipinski und Henryk Tomaszewski zu finden, insbesondere keine zu französischen, englischen oder amerikanischen Filmen. Umgekehrt waren diese beiden Grafiker in den Ausstellungen in Brüssel, Oslo und Stockholm mit dreizehn bzw. vierzehn Arbeiten vertreten. Das heißt, die Ausstellungen in staatssozialistischen Ländern richteten sich stärker nach der künstlerischen Einheitsdoktrin des eigenen Landes im Rahmen des kommunistischen Blocks aus, während die Ausstellungen in nicht-sozialistischen Ländern sowohl thematisch als auch stilistisch vielseitiger waren.

Die Bedeutung außenpolitischer Überlegungen für die Kulturkontakte geht aus der folgenden Analyse der Ausstellungen in den beiden deutschen Staaten hervor. Die Wanderausstellung Polnische Plakate war in der DDR ab Januar 1950 in Berlin (Ost), Leipzig, Halle und Magdeburg und von April 1950 bis Dezember 1951 in der Bundesrepublik in Baden-Baden, Konstanz, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Nürnberg, München, Stuttgart, Mannheim und Wiesbaden unterwegs.

Organisator auf deutscher Seite war die Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft, zu dieser Zeit für Deutschland die einzige Institution, die sich um einen Brückenschlag zwischen Polen und Deutschland bemühte. Die Gerlach-Gesellschaft unterhielt nach der deutschen Teilung 1949 eine ostdeutsche Vertretung mit Hauptsitz in Berlin (Ost) und ab 1950 eine westdeutsche mit Hauptsitz in Düsseldorf und präsentierte sich öffentlich vorwiegend mit Kulturveranstaltungen. Mit ihren kultur- und friedenspolitischen Ausstellungen versuchte sie, die Interessen von drei Gruppen unter einen Hut zu bringen. Sie vertrat erstens Anliegen der SED und der Staatsführung der DDR, zweitens Anliegen der polnischen Außenpolitik (vor allem repräsentiert durch die Polnische Militärmission in Berlin) und drittens Anliegen einer heterogenen Gruppe von Polen-Interessierten, darunter Journalisten, Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen und Künstler. Während die SED und die polnische Seite vor allem die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und damit ihrer Außenpolitik anstrebten, ging es der dritten Gruppe insbesondere um den kulturellen Austausch zwischen Deutschen und Polen. In den ersten Jahren bestimmte die SED-Führung, die als Gründungsinitiator aufgetreten war, sowohl inhaltlich als auch finanziell den Kurs der beiden Gesellschaften.[3]

Die Ausstellungsreihe von polnischen Plakaten, die 1950 und 1951 in beiden deutschen Staaten stattfand, illustriert dabei, wie die SED bei der deutsch-polnischen Annäherung aktiv wurde. Das Plakat von Józef Mroszczak[4] drückt in seiner Motivik die Ausstellungsidee aus: Vor nachtblauem Hintergrund ist ein monumentalisierter Pinsel dargestellt, der ein mit Reißnägeln angeschlagenes Plakat vollendet, das das polnische Adlerwappen zeigt. Der Name der Schau Polnische Plakate findet sich am oberen Rand in Sans SerifBuchstaben in den polnischen Nationalfarben. Die Bezeichnung „Ausstellung“im unteren Bildteilist gekippt geschrieben und vermittelt so in den Bildraum. Konzeptionell vereinen sich in der Abbildung das Wappen als Symbol für den polnischen Staat und der Pinsel als Attribut des Malers. Der Plakatmaler wird in dieser Darstellung als Akteur dargestellt, der sich für die Gestaltung des neuen polnischen Staates und des Bildes von Polen engagiert. Mit der Plakatauswahl sollte dem Publikum ein bestimmtes Polenbild vermittelt werden. Für die Präsentation in der Fränkischen Galerie Nürnberg im August 1950 wurde dagegen nicht das von Mroszczak eigens für die Wanderausstellung entworfene Plakat genutzt, sondern es wurde auf ein älteres, für eine Prager Ausstellung 1949 von Stanislaw Zamecznik und Eryk Lipinski projektiertes Plakat[5] zurückgegriffen.

Inhaltlich und motivisch weisen beide Plakate offensichtliche Parallelen auf. Zamecznik und Lipinski gestalteten ihr Ausstellungsplakat mit einer Abbildung der Malerutensilien Palette und Pinsel. Inhaltlich stellt es damit ebenso wie das von Mroszczak einen bildlichen Kommentar und eine künstlerische Positionierung zur Plakatkunst dar. Sowohl das Ausstellungsplakat von Zamecznik und Lipinski als auch das Werk von Mroszczak vermitteln die Auffassung, dass es sich beim Plakat um ein gemaltes Kunstwerk handelt. Trotz dieser Parallelen unterscheiden sich die beiden Plakate in ihrer Formensprache. Während Mroszczaks gestalterische Lösung in der Formgestaltung der einzelnen Bildkomponenten eher realistisch abbildend ist, ist die Bildsprache im Plakat von Zamecznik und Lipinski stärker abstrahierend. Die abgebildete Farbpalette hebt sich einzig durch einen geringen Farbkontrast mit ihrem Weiß vom beigen Untergrund wie eine moderne Skulptur in fließender, amorpher Form ab. Die einheitlich oval geformten Farbflächen in Magenta, Cyan, Schwarz, Gelb und Blau sind als blickfangende Punkte verteilt, von unten schiebt sich der vordere Teil eines Pinsels in das Bildfeld, der die Handwerkzeuge des Plakatmalers komplettiert. Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Plakate in ihrem bildlichen Kommentar zur Bedeutung des künstlerischen Anteils in der Plakatgestaltung. Während bei Mroszczak die Plakatmalerei – mit dem Symbol des monumentalen, von einer nicht sichtbaren, höherstehenden Macht geführten Pinsels – ihren Anteil an der Erschaffung des polnischen Staats beisteuert, ist bei Zamecznik und Lipinski kein konkreter praktischer Zweck der Plakatmalerei zu erkennen. Die Abbildung von Palette und Pinsel ohne Bezug zum gebrauchsgrafischen Produkt zeigt eine autonome Kunst, für die vor allem die ästhetische Gestaltung von Bedeutung ist. Dieses Plakat vermittelte deshalb nach Auffassung der Organisatoren der westdeutschen Ausstellung den künstlerischen Schwerpunkt der Veranstaltung besser.

In den deutschen Ausstellungen überwogen Plakate für Filme und Theaterstücke, daneben waren zahlreiche weitere für Messen, Sport, Kongresse, Kunstausstellungen und für Waren oder Dienstleistungen zu sehen. Politische Plakate waren – im Unterschied zu den Ausstellungen in Ungarn und Rumänien – in der Minderheit und nur bei einigen der ausgestellten Künstler überhaupt in ihrer Werksliste vertreten. Nur wenige Plakate entsprachen einem gängigen Bildkonzept nach sowjetischem Vorbild mit Arbeiterhelden in monumentaler Pose. Etliche Ausstellungsplakate kamen ganz ohne Darstellungen von Menschen aus und vermittelten über dingliche Symbole ihre Botschaft; so die Arbeiten von Tadeusz Gronowski und Tadeusz Trepkowski, die damit konzeptionell an französische Vorläufer wie A. M. Cassandre anschlossen. Die Hälfte der ausgestellten Plakate stammte von sechs Künstlern, die mit mehreren Arbeiten vertreten waren: von Tadeusz Gronowski, Eryk Lipinski, Henryk Tomaszewski, Tadeusz Trepkowski, Wlodzimierz Zakrzewski und Wojciech Zamecznik. Diese repräsentierten die wichtigsten Entwicklungslinien der polnischen Plakatkunst aus unterschiedlichen Generationen und mit verschiedenem künstlerischen Werdegang. Der damals 56-jährige Gronowski vertrat die polnische Plakattradition der Zwischenkriegszeit. Die zweite Gruppe bildeten jene jüngeren Grafiker, die in den zwei vorangegangenen Jahren bereits international über Zeitschriftenpublikationen Anerkennung gefunden hatten, nämlich Tadeusz Trepkowski, Eryk Lipinski, Henryk Tomaszewski und Wojciech Zamecznik. Wlodzimierz Zakrzewski, der vor allem Agitationsplakate entwarf, war der bedeutendste Vertreter der ehemaligen kommunistischen Frontplakatwerkstatt. In der Liste der ausgestellten Arbeiten finden sich viele der in Wien 1948 auf der Internationalen Plakatausstellung prämierten Filmplakate, die in der englischen Zeitschrift Art and Industry als positive Beispiele einer gebrauchsgrafischen Hinwendung zum Abstraktionismus vorgestellt worden waren.[6] Die moderate Umsetzung von sowjetischen Leitlinien zum Sozialistischen Realismus bei der Mehrzahl der Exponate erklärt sich aus der Randstellung der Plakatgestaltung in der Kunstwelt. Plakaten für Film und Kultur wurde eine geringe gesellschaftspolitische Wirksamkeit zugeschrieben, sodass sie nicht zum Gegenstand des sozialistisch-realistischen Kunstdiskurses wurden. Während andere Kunstgattungen schon ab 1949 in Polen einer verschärften inhaltlichen und formalen Kontrolle unterzogen wurden, entwickelte sich eine sowjetisch initiierte Debatte zur Plakatkunst erst ab Ende 1951, in deren Fokus dann jedoch politische Plakate standen.

Obwohl also 1950/1951 auch in Polen das Muster des von der Sowjetunion bestimmten Sozialistischen Realismus in der offiziellen Kulturproduktion zu dominieren begann und Abstraktion zunehmend dem Vorwurf des „Formalismus“ ausgesetzt war, war es möglich, dass sich die Plakatkunst im nicht-sozialistischen Ausland in einer gewissen Formenvielfalt präsentierte. Die Differenzierung des kulturellen Veranstaltungsprogramms für sozialistische und nicht-sozialistische Staaten war dabei eine durch das Ministerstwo Kultury i Sztuki (Ministerium für Kultur und Kunst) gängige Praxis. Um in nicht-sozialistischen Staaten um Akzeptanz zu werben, wurden in der Außenkulturpolitik ideologische Kompromisse gemacht. Der Rechenschaftsbericht des Centralny Zarzad Sztuk Plastycznych i Wystaw (Zentralverwaltung der Bildenden Künste und Ausstellungen) unter Lucjan Motyka zu Ausstellungsaktivitäten im Ausland 1951/52 hielt dazu fest: „Das wichtigste Element unserer Propaganda im Ausland, besonders in den kapitalistischen Ländern, sind gelungene Auftritte mit wirtschaftlichem Charakter [...] sowie künstlerisch-kulturelle Veranstaltungen, die sich im Westen leichter ausstellen lassen als politische Ausstellungen.“[7]

In seinem Katalogtext hob der polnische Kunsthistoriker und damalige Mitarbeiter des Warschauer Nationalmuseums Jan Bialostocki das freie, pluralistische Erscheinungsbild der Ausstellung hervor. Bialostocki beschrieb die zeitgenössische Plakatkunst der Nachkriegszeit als vielfältig – sie sei geprägt durch Kontinuitäten zum polnischen Vorkriegsplakat, indem sie dekorative Elemente, „die stilistische Eingebung aus der Volkskunst“ und die bildsprachliche Eigenheit des „Synthetische[n] und Lapidare[n]“ übernehme, diese aber reduziere: „Größere Einfachheit, weniger komplizierte intellektuelle Konzeptionen, weniger barocke Schnörkel im ornamentalen Stil […] – das sind weitere Vorzüge der zeitgenössischen polnischen Plakatkunst.“[8]

Ausländische Einflüsse benannte Bialostocki an keiner Stelle. Die Auswahl der Exponate und der begleitende Katalogtext beruhten auf der These, dass die polnische Plakatkunst genauso eigenständig sei wie der Staat. Das unterstrichen auch die Artikel über die Ausstellung, welche in den Zeitschriften der Gerlach-Gesellschaft Blick nach Polen (Berlin) und Jenseits der Oder (Düsseldorf) veröffentlicht wurden. Die Verfasser der Artikel über die ost- bzw. westdeutschen Varianten der Ausstellung hielten sich sehr stark an den Katalogtext. Bezeichnungen wie „sozialistisch“ und „Sozialistischer Realismus“ wurden vermieden. Stattdessen wählten sie Floskeln wie „fortschrittliche Politik“ oder „eine dem Inhalt gerechte realistische Kunstform“.[9] Der Verzicht auf eine offene politische Parteinahme und die Konzentration auf künstlerische Gestaltungsaspekte zielten darauf ab, möglichst breite Bevölkerungsschichten zu erreichen. Die ostdeutsche und die polnische Staatsführung vermieden eine offene Ideologisierung, da sie in der Frage der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, die im Görlitzer Abkommen vom 6. Juli 1950 als Grenzverlauf zwischen der DDR und Polen festgeschrieben worden war, auf die Unterstützung oder Duldung von Nichtkommunisten oder „bürgerlichen“ Kräften angewiesen waren.[10]

In weiteren westdeutschen Veröffentlichungen, die nicht mit der Gerlach-Gesellschaft verbunden waren, wurde die Ausstellung größtenteils als ein gutes Zeichen im zwischenstaatlichen Verhältnis beurteilt. Das Gros der Artikel ließ politische Diskussionen außen vor und lobte die gestalterische Vielfalt der ausgestellten Plakate. Die polnischen Plakate wurden in der Tagespresse meist weniger national denn international interpretiert und in das zeitgenössische europäische Kunstgeschehen eingeordnet. Der Autor des Artikels im Hamburger Abendblatt etwa war beeindruckt von der gestalterischen Synthese eines „östlichen Empfindens für Fläche und Farbe“ und westlicher, besonders französischer Einflüsse – „trotz der hermetischen Abriegelung des Landes“.[11] Auch in der politischen Bewertung ließen die westdeutschen Kommentatoren Vorsicht walten. Kritische Anmerkungen zum deutsch-polnischen Verhältnis wurden vermieden. Auch das Reizthema der polnischen Westgebiete wurde nicht angeschnitten, trotz oder gerade wegen seiner Aktualität, nachdem wenige Monate zuvor zwischen der DDR und Polen das Görlitzer Abkommen vereinbart worden war.

Zusammenfassend lässt sich für die besprochene Ausstellungsreihe sagen, dass die internationale Präsenz und Anerkennung polnischer Plakate auf dem länder- und blocküberschreitenden Konsens über autonome künstlerische Anliegen beruhte sowie auf den politischen Ambitionen der polnischen Außenkulturpolitik. Gebrauchsgrafiker in „westlichen“ Ländern suchten im Sinne einer ästhetisch bildenden Plakatkunst nach Alternativen zu den von Werbeagenturen geforderten schematischen Konzeptionen. Die polnische Plakatkunst war dabei ein gestalterischer Lichtblick, besonders wegen ihrer Film- und Theaterplakate, die sich nicht stereotyp in die sowjetische Doktrin des Sozialistischen Realismus einfügen ließen.

Von dieser gestalterisch motivierten Seite sind die politischen Motive zu unterscheiden, welche die Durchführung und Konzeption von Ausstellungen polnischer Plakate im europäischen Ausland bestimmten. Die Ausstellungsreihe zu polnischen Plakaten 1950/51 zeigt den pragmatischen Einsatz von Kunst in der polnischen Außenkultur- und Außenpolitik. Die strategische Notwendigkeit, die Außenpolitik im deutsch-polnischen und deutsch-deutschen Spannungsfeld zu legitimieren, begründete Anfang der 1950er-Jahre die Rolle des polnischen Plakats als Botschafter der sozialistischen Kultur im Ausland. Vor diesem Hintergrund verstehen wir die – auf den ersten Blick erstaunlichen – gestalterischen Freiräume für Plakatkünstler in der staatlich kontrollierten Kunstproduktion der Volksrepublik Polen besser: diese waren durch außenpolitische Ziele motiviert. Die internationalen Kontakte Anfang der 1950er-Jahre sind Ausdruck des Wunsches von Warschau nach außenpolitischer Anbindung und eigener Positionierung im neuen europäischen Mächtegefüge. Mit Blick auf das wenige Jahre später einsetzende politische „Tauwetter“ nach Stalins Tod waren sie Vorboten eines vermehrten internationalen Kultur- und Wissenschaftsaustausches der Volksrepublik Polen, besonders mit Ländern, zu denen starke historische Beziehungen bestanden wie Frankreich, Deutschland, Österreich und den USA.[12] In Polen selbst gipfelte die kulturpolitische Öffnung im März 1956 in der offiziellen Abkehr vom Sozialistischen Realismus.

Die länder- und systemübergreifenden Kontakte, Auseinandersetzungen und Kooperationen waren nicht durchgängig durch den Ost-West-Konflikt oder durch abstrakte versus realistische Kunst bestimmt. Dass ein solch vereinheitlichendes Narrativ die in Wirklichkeit vorhandenen Varietäten in der Kunstentwicklung, den künstlerischen Praktiken und den Strategien in der Kulturpolitik in verschiedenen Staaten nicht gerecht werden kann, hat Mathilde Arnoux jüngst in einem Aufsatz zu einem aktuellen Forschungsprojekt über Kunstkontakte im Kalten Krieg gezeigt.[13] Wie wichtig eine differenzierte Betrachtung von Kunstkontakten zwischen „Ost“ und „West“ ist, zeigt schon die Diversität in den beteiligten Kunstgattungen, institutionellen Ebenen und Zeiträumen ihres Zustandekommens. Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien entsandten bereits seit Anfang der 1950er-Jahre Beiträge auf die internationale Kunstausstellung Biennale von Venedig. In der Bundesrepublik Deutschland waren polnische Künstler 1959 die einzigen Vertreter aus einem sozialistischen Staat auf der Kasseler documenta II. Als weitere Beispiele staatlich geförderter „Kunstexporte“ aus sozialistischen Staaten, die auf Resonanz bei Galerien und Sammlern in nicht-sozialistischen Ländern stießen, sind die Malerei der DDR seit den 1970er-Jahren, besonders unter dem Stichwort der Leipziger Schule, sowie seit den 1950er-Jahren die Glaskunst aus der Tschechoslowakei zu erwähnen. Polnische Filme waren seit Mitte der 1950er-Jahre auf mehreren Filmfestivals in Cannes, Venedig und Oberhausen präsent, seit den 1960er-Jahren kamen immer mehr Filme aus tschechoslowakischer Produktion hinzu.

Ein Spezifikum polnischer Plakatkunst auf dem Feld der transnationalen Kulturkontakte zwischen einem sozialistischen Staat und nicht-sozialistischen Ländern bleibt der frühe Zeitpunkt und die Dauerhaftigkeit der Kontakte selbst zu Zeiten ideologischer Zuspitzungen in beiden Blöcken. Diese Tatsache ist vor allem auf das stete Engagement von polnischen und internationalen Gebrauchsgrafikern zurückzuführen, die der polnischen Plakatkunst über Staats- und Systemgrenzen hinweg Vorbildcharakter für die Entwicklung einer künstlerisch anspruchsvollen Plakatgrafik zusprachen.



[1] Essay den Quellen: Abbildungen Polnischer Plakate (1949).

[2] Hölscher, Eberhard, Europäische Filmplakate, in: Gebrauchsgraphik 12 (1952), S. 6.

[3] Vgl. Lotz, Christian, Zwischen verordneter und ernsthafter Freundschaft. Die Bemühungen der Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft um eine deutsch-polnische Annäherung in der DDR und in der Bundesrepublik (1948–1972), in: Hahn, Hans Henning; Hein-Kircher, Heidi; Kochanowska-Nieborak, Anna (Hgg.), Erinnerungskultur und Versöhnungskitsch, Marburg 2008, S. 201–219.

[4] Vgl. die zu diesem Essay mit veröffentlichte Abbildung 1, Mroszczak, Józef, Polnische Plakate, Stadgeschichtliches Museum Leipzig, PL 50/64a, 1949.

[5] Vgl. die zu diesem Essay mit veröffentlichte Abbildung 2, Zamecznik, Stanislaw; Lipinski, Eryk, Ausstellung Polnische Plakate, Stadtarchiv Nürnberg, A 28 Nr. 1950/60, 1949.

[6] Rosner, Charles, Posters for Art Exhibitions and Films. A Lesson from Poland, in: Art and Industry 47 (1948), S. 52.

[7] AAN, Ministerstwo Kultury i Sztuki, Centralny Zarzad Sztuk Plastycznych i Wystaw (Materialy na posiedzenia), 366/9, 16.

[8] Ausstellungskatalog Polnische Plakate, unpaginiert.

[9] Weiß, C., Kunst und Plakate. Westdeutsche Stimmen zur Ausstellung „Polnische Plakate“, in: Jenseits der Oder 1 (1950), S. 23 und Piehler, Horst, Polnische Plakate, in: Blick nach Polen 1 (1950), S. 18–21.

[10] Lotz, Zwischen verordneter und ernsthafter Freundschaft, S. 203f.

[11] O. A., Polnische Plakatkunst, in: Hamburger Abendblatt, 9.11.1950, S. 10.

[12] Jarzabek, Wanda, Der Einfluss der Ereignisse von 1956 auf die Außenpolitik der VR Polen, in: Szymoniczek, Joanna; Król, Eugeniusz Cezary (Hgg.), Das Jahr 1956 in Polen und seine Resonanz in Europa, Warschau 2010, S. 222–242.

[13] Arnoux, Mathilde, To Each His Own Reality. How the Analysis of Artistic Exchanges in Cold War Europe Challenges Categories, in: Artl@s Bulletin 1 (2014), S. 30–40



Literaturhinweise:

  • Arnoux, Mathilde, To Each His Own Reality. How the Analysis of Artistic Exchanges in Cold War Europe Challenges Categories, in: Artl@s Bulletin 1 (2014), S. 30–40.
  • Aulich, James; Sylvestrová, Marta, Signs of the Times. Political Posters in Central and Eastern Europe 1945–1995, Manchester u.a. 1999.
  • Crowley, David, “An Art of Independence and Wit”. The Reception of the Polish Poster School in Western Europe, in: Dydo, Krzysztof (Hg.), 100th Anniversary of Polish Poster Art, Krakau 1993, S. 25–29.
  • Lersch, Gregor H., Ausstellungen und Rezeption polnischer Kunst in Deutschland von 1949– 1989, in: Inter Finitimos (2012), S. 227–231.