Lernt nicht Esperanto! (1907)

Der Herausgeber der „Freien Generation“ hat in der vorigen Nummer seine Leser aufgefordert, die so genannte Esperantosprache zu erlernen. Hätte er geschrieben, es sei dringend zu raten, einmal im Jahr Goethes Faust zu lesen, ich weiß nicht, ob das viel Erfolg gehabt hätte. Aber ich bin überzeugt, dass eine ganze Zahl Leser auf Grund dieses kurzen Satzes von Pierre Ramus, bis diese Zeilen gedruckt werden, schon Abend für Abend über einem Esperanto-Lehrbuch sitzen. [...]

Gustav Landauer: Lernt nicht Esperanto![1]

Der Herausgeber der „Freien Generation“ hat in der vorigen Nummer seine Leser aufgefordert, die so genannte Esperantosprache zu erlernen. Hätte er geschrieben, es sei dringend zu raten, einmal im Jahr Goethes Faust zu lesen, ich weiß nicht, ob das viel Erfolg gehabt hätte. Aber ich bin überzeugt, dass eine ganze Zahl Leser auf Grund dieses kurzen Satzes von Pierre Ramus, bis diese Zeilen gedruckt werden, schon Abend für Abend über einem Esperanto-Lehrbuch sitzen. Die Menschen im Allgemeinen sind so und die Radikalen insbesondere, dass jede Verkehrtheit Anhänger, und zwar sehr oft fanatische Anhänger, unter ihnen findet. Das kommt daher, dass die Verkehrtheiten vom Verstand ersonnen sind und sich an den Verstand wenden. Der Geist hat zwei schlimme Feinde, erstens, die Dummheit, und zweitens, den Verstand. Oft finden sie sich vereinigt in Form kluger Geistlosigkeit; die hat auch das Esperanto erfunden.

Unter Anarchisten scheint es ganz besonders nötig, darauf hinzuweisen, dass die Dinge, auf denen das Leben der Einzelnen und das Miteinanderleben der Menschen beruht, nicht erfundene und gemachte sind, sondern gewachsene. Gewachsen ist die Gesellschaft und das natürliche, freiwillige Zusammenschließen der Menschen, das jetzt von einem elenden Kunstprodukt, dem Staat, überwuchert ist. So etwas Gewachsenes sind auch die Sprachen und Dialekte der Völker. Dass die Volkssprachen den Nationalstaaten oft zum Vorwand von Feindseligkeiten dienen, ist schlimm; schlimmer aber wäre, wenn die Menschen glaubten, die Verschiedenheit der Sprache, d.h. eine unausrottbare, tatsächliche Verschiedenheit, die nicht nur zwischen den Völkern, sondern zwischen allen einzelnen Menschen besteht – jeder Mensch spricht, denkt, empfindet anders als der andere – sei an ihrer Uneinigkeit schuld. Die Menschen verstehen sich und können sich verständigen, weil sie ungleich sind; wenn sie gleich wären, wäre einer dem anderen und jeder sich selbst verhasst und ekelhaft; und eine solche Gleichheitsphantasie ist überhaupt unmöglich und widerwärtig.

Die Verschiedenheit der Sprachen ist also gar nichts, was wir zu bedauern haben; und noch weniger etwas, was wir abschaffen könnten. Abschaffen helfen sollen wir die Zustände, die es dem Menschen verwehren, sich die Kenntnis fremder Sprachen zu erwerben. Die Anarchisten sind doch sonst so streng gegen Palliativmittel und Besserungsversuche innerhalb von Staat und kapitalistischer Gesellschaft; das Esperanto ist nichts anderes als so ein Flickwerk, und dazu noch ein hässliches, unnützes und gefährliches.

Denn nur die Plumpheiten, Trivialitäten und Gewöhnlichkeiten einer Sprache lassen sich in einem Kunstprodukt ausdrücken; und vor allem nur das Alte und Wiedergekäute, niemals das Neue und Gärende, Entstehende, Geniale. Die Sprache ist lebendig, nicht nur gewachsen, sondern wachsend; sie enthält eine unendliche Vergangenheit, vor allem aber auch die Zukunft; das künstliche Gemächte ist nichts worin der Mensch weiterdenken und Neues schaffen kann; es ist ja nur eine Übersetzung des Breitgetretenen, und das Wichtigste, das Feinste, das Unaussprechliche lässt sich darin nicht sagen. Die gewachsenen Sprachen können das: Zwischen den Worten lebt da gar vieles, was unsäglich und unaussprechlich ist. Esperanto aber kann nichts anderes sein als Schwätzen.

Aber selbst zu rein praktischen Zwecken, etwa als Kongresssprache, ist es untauglich und gefährlich. Wenn der Franzose Esperanto spricht, hat er natürlich französisch gedacht und spricht nun in der angeblichen Gemeinsprache nur Erinnerungen an seine Heimatsprache. Der Deutsche oder Engländer aber versteht das, was er in Esperanto hört, nicht auf Esperanto oder Französisch, sondern auf Deutsch oder Englisch. Was entsteht daraus? Nichts anderes als dass die Menschen glauben sich zu verstehen, während sie sich in Wahrheit missverstehen. Es ist aber viel besser, dass die Menschen gar nicht verstehen, als dass sie sich missverstehen, ohne es zu merken. Und ebenso schlimm oder schlimmer wäre es, wenn solche Kongressteilnehmer nur Trockenheiten und die Verstandeswahrheiten einander sagten, die sich in Esperanto ausdrücken lassen, wenn all der Dunst, all das Unbestimmte, all die Nuance verloren ginge, all das zitternde Gefühl, das nur in der Volks- und Herzenssprache zum Ausdruck kommen kann. Nichts tut dem Anarchismus mehr Not als dass er sich in die Tiefen des Geistes und des Gemütes senkt, in die Innerlichkeit und den Charakter, in die Selbstverständlichkeit und die Natur des Menschen. Dahin kommt nie eine Kunstsprache.

Ich erinnere mich an die Züricher Anarchistenkonferenz vom Jahr 1893. Da sprach z.B. der italienische Genosse Molinari, groß, feurig, wild, mit überaus eindrucksvollen Bewegungen der Arme und Hände, mit prachtvollem Ausdruck der Augen und Gesichtsmuskeln. Dieser prächtige Erguss eines Leidenschaftlichen, von dessen Sätzen, die wie ein Wasserfall strömten und schäumten, ich kein Wort verstand, wurde dann von dem verstorbenen Genossen Körner in seiner sanften leidenschaftslosen Art ins Deutsche übersetzt. Und nun verstand ich alles; verstand nicht nur die brausende, liebenswürdige Oberflächenwut des Italieners, sondern auch die tiefere, verhaltene, melancholische Ruhe seines Übersetzers. Es wäre mir eine unglaublich komische Vorstellung, wenn ich denken sollte, Molinari hätte esperantisch geredet. Dann würde mir ein Erlebnis, ein Stück Leben fehlen. Und wie gut verstanden wir, Deutsche, Franzosen, Engländer, Italiener uns damals! Was war das in der goldenen Jugendzeit für ein Umarmen, was für Blicke in die Augen, forschend, verstehend, nickend, stammelnd und doch so überaus beredt! Dafür, für diese holden Erinnerungen ans Verstehen und Einigsein im Grund der Gefühle, der Naturen, das Esperanto eintauschen? Pfui Teufel!

Einen anderen Vorschlag habe ich denen, die die Zeit hätten, Esperanto zu lernen. Eine Sprache sollen sie lernen, und zwar zunächst ihre eigene, die Deutschen Deutsch, die Engländer Englisch usw. Man verstehe das nicht hochmütig, ich lerne noch Tag für Tag mein Deutsch, nicht in der Grammatik, sondern in den Werken der großen Dichter und Denker. Und wer das mit Liebe übt und noch immer Zeit findet, der lernt seine deutsche Sprache am besten in all ihren Feinheiten und Innigkeiten kennen, wenn er noch eine fremde Sprache dazu lernt und sich so kurz wie möglich bei der Grammatik aufhält und möglichst bald mit Lesen beginnt. Nicht sich ans Übersetzen gewöhnen! Das ist von größtem Schaden und darf erst viel später kommen, sondern in der fremden Sprache lesen, d.h. denken und empfinden. Also mein Rat ist:

Übt Euch im Denken und Empfinden, das will geübt sein: Übt Euch in den Feinheiten und Innigkeiten gewachsener Sprachen, vor allem und immer der Eigenen; und lernt nicht Esperanto.


[1] Landauer, Gustav, Lernt nicht Esperanto!, in: Die Freie Generation 2 (November 1907), H. 5, S. 147‒150.


„Die Menschen verstehen sich und können sich verständigen, weil sie ungleich sind.“ Zugehörigkeit durch Sprache um 1900 als jüdische Kontroverse zwischen Berlin und Białystok[1]

Von Carolin Kosuch

Der Umgang, den Gesellschaften mit ihren Minderheiten, mit als andersartig oder fremd Empfundenen, mit Flüchtlingen und als „Randgruppe“ Klassifizierten pflegen, steht nicht nur in Europa in einer wechselvollen Tradition. Gerade auch der jüdischen Bevölkerung europäischer und außereuropäischer Staaten schlugen und schlagen bis heute Gefühle der Ambivalenz, der Abneigung, des Unverständnisses und der Befremdung entgegen. Diese Problematik bewegte auch den deutsch-jüdischen politischen Schriftsteller und Theoretiker des Anarchismus Gustav Landauer (1870−1919) in seinem 1907 in der Zeitschrift Die Freie Generation veröffentlichten Artikel „Lernt nicht Esperanto!“.

Landauer, jüngster Sohn aus akkulturiertem, deutsch-jüdischem Bürgerhaus, hatte nach frühen, an Schiller und Goethe geschulten gesellschaftskritischen schriftstellerischen Versuchen seinen Studienwunsch der Philologie durchgesetzt. Dabei kam er, wesentlich beeinflusst von der Lektüre Nietzsches, in Kontakt mit politischen und avantgardistischen Gruppierungen, in denen neben lebens- und kunstreformerischen Themenstellungen auch anarchistische Theoretiker wie Proudhon, Kropotkin, Stirner oder Tolstoi gelesen wurden. Durch sein Engagement in verschieden Theaterreformvorhaben, namentlich der Neuen Freien Volksbühne, seine Mitgliedschaft im linksrevolutionären Verein Unabhängiger Sozialisten und während seiner Redakteurstätigkeit für das Vereinsblatt Der Sozialist politisierte sich Landauers ursprünglich aus der Literatur kommende sozialrevolutionäre Haltung weiter. In seinen Artikeln, Reden und auf internationalen Kongressen in London zur Feier des 1. Mai 1893 und Zürich im Rahmen des Internationalen Sozialistenkongresses desselben Jahres trat er offen für den Anarchismus ein. Ihn begriff und popularisierte er als wahren Sozialismus frei von Parteizwängen,[2] auch späterhin, etwa in seinem Sozialistischen Bund (1908), einem dezentralen Gesellschaftsentwurf auf anarchistischer Basis. Zudem prägten Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem bekannten Theaterkritiker des Berliner Tageblattes, viel gelesenen Schriftsteller und sprachkritischen Philosophen Fritz Mauthner (1849‒1923) Landauers Anschauungen ganz wesentlich. Der Kontakt zu Mauthner und die intime Kenntnis seiner Schriften waren es auch, die seine Sensibilität für die Sprache als soziale und politische Einflussgröße schärften.[3]

Gustav Landauer gehörte zur ersten Generation deutsch-jüdischer Bürgerssöhne, die scheinbar vollendetet akkulturiert, rechtlich gleichgestellt und vor dem Hintergrund einer Vielfalt gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten im geeinten Deutschen Kaiserreich aufwuchs. Eine seit der Aufklärungszeit bestehende, indes nicht linear verlaufende Emanzipationsbewegung war dieser, Landauers Lebensweg und Lebensthemen prägenden, Konstellation vorausgegangen. Im Zuge dieses Prozesses der Annäherung und Angleichung konnten die Judenheiten Europas auf unterschiedlichen Wegen, in unterschiedlichem Maß und mit unterschiedlichen Resultaten sukzessive frühere stigmatisierende Beschränkungen wie den Judeneid, Niederlassungs-, Gewerbe- und Studienreglementierungen oder Sonderabgaben hinter sich lassen und durch eine individuelle Akkulturation auf Basis staatsbürgerlicher Anerkennung ersetzen.[4] Diese das lange 19. Jahrhundert durchziehende Entwicklung reduzierte das westeuropäische Judentum – anders als das Osteuropäische ‒ im Ergebnis zur bloßen Konfession, zu einer Religion unter anderen, und öffnete sie den Einflüssen der Säkularisierung.[5] Auch Landauer verstand sich dieser Tendenz folgend kaum mehr als jüdisch im Sinne einer religiösen Zugehörigkeit,[6] wohl aber teilte er mit vielen Vertretern seiner Generation einen Erfahrungsraum deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit. Dessen wesentliche Determinanten bestanden aus gesellschaftlichem und sozialem Engagement, aus klassischer Bildung und einer ausgeprägten Leistungsbereitschaft, die den Rechtfertigungsdruck der neuerworbenen Stellung im Herzen der Gesellschaft spiegelte.[7] Als Teil dieses Erfahrungsraumes erwiesen sich ferner fortbestehende Diskriminierungen etwa im Universitätsbereich oder im Staatsdienst, aber auch offene und subtilere Formen der diffamierenden Ausgrenzung im Alltag, bedingt durch einen latenten, sich gegen Jahrhundertende weiter verschärfenden und rassistisch aufladenden Antisemitismus. In Europa manifestierte er sich um 1900 als ein konstanter, nicht selten sehr lauter, Gesellschaft, Medien und Politik durchziehender Grundton.[8] Fin de Siècle-Stimmung sowie Identitäts- und Identifikationsfragen der Generation Landauers flossen zusammen mit einer geteilten Empörung über die Brüchigkeit der postulierten Akzeptanz und gesellschaftlichen Durchlässigkeit, die die Väter noch gesichert glaubt hatten. Gegen antisemitische Anwürfe wurde das Jüdische für die junge Generation zum Verteidigungsfall, indes auch zum Kuriosum der Neuentdeckung und Neubewertung.

In seinem Aufsatz gegen die von Ludvik Zamenhof (1859‒1917) entwickelte Universalsprache Esperanto[9] nun kondensieren sich Landauers zeitbedingte Prägungen und politische Überzeugungen. Den (deutschen) Staat als „elendes Kunstprodukt“ lehnte der Anarchist ab, die (deutsche) Gesellschaft hingegen, die die seine war, begriff er als gewachsene Einheit, „das natürliche, freiwillige Zusammenschließen der Menschen“.[10] Anders als völkische Denkmuster der Zeit, welche gleichfalls auf eine vermeintlich „natürliche“, indes aber durch „Rasse“ und ethnische Exklusivität begründete Abstammungsgemeinschaft rekurrierten,[11] blieb Landauer jedoch in seiner neoromantisch geprägten Wertschätzung der geteilten Tradition und Sprache dem freiheitlichen Gedankengut verhaftet.[12] Die in seinem Aufsatz zu Tage tretende Gesellschaftsordnung ist durch Inklusion geprägt und beruht auf Freiwilligkeit. Sie umfasst und adressiert all jene, die sich über Sprache und Kultur diesem Traditionsgefüge zugehörig fühlen. Geschult an Fichte und Herder[13] begriff der Anarchist Landauer in seiner Kritik des Esperanto die gewachsenen, nur akzidentiell mit dem Staat verbundenen Nationalsprachen als den eigentlichen Gründungszusammenhang der europäischen Gesellschaften (und nur über sie äußerte er sich in seinem Artikel). Gleich zu Beginn seiner Ausführungen verwies er auf Goethe, dem universalgelehrten Exponenten des Deutschen schlechthin. Dessen Verehrung als Genie und kulturelle Stifterfigur kann als Gemeinplatz deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit des 19. Jahrhunderts gelten.[14]

Landauers sprachbasierte Gesellschaften sind indes keine, die ihre Mitglieder lediglich umgeben und unbeeinflusst stehen lassen: Stattdessen gründen sie in seiner Auslegung − die jüdische Geschichte der Emanzipationszeit reflektierend – nachhaltig auf einem allgemeinen Adaptionswillen. Kaum verhehlte Landauer in seinem Aufsatz die damit verbundene Erwartungshaltung gegenüber jedem und jeder Einzelnen, sich um die Aneignung der jeweiligen Landessprache fortwährend zu bemühen. Auch er lerne noch Tag für Tag sein Deutsch, indem er die Werke der großen Dichter und Denker studiere, unterstrich er weiter die Notwendigkeit, die als eigen angenommene oder erkannte Sprache mit all ihren auch kulturellen Ausdrucksebenen zu erlernen und beständig einzuüben. Diese Akkulturationsleistung scheint bei ihm jedoch nicht als eindimensionaler Prozess gedacht. Vielmehr beschied er den „gewachsenen“ Sprachen hinreichende Plastizität, um fortzubestehen, Tradiertes weiter zu transportieren und sich doch beständig zukunftsoffen zu verändern. Gerade dieser Wandelbarkeit wegen qualifizierte er sie in seinem Aufsatz zur eigentlichen gesellschaftlichen Stütze, die durch die Diversität ihrer Sprecher nicht bedroht, sondern zugleich bestätigt und belebt wird. Die Sprache nämlich, so Landauer, der mit den Arbeiten Bergsons vertraut war[15] und ähnlich wie dieser auf ihr kreativ-schöpferisches Potenzial abzielte, sei lebendig, „nicht nur gewachsen, sondern wachsend; sie enthält eine unendliche Vergangenheit, vor allem aber auch die Zukunft“. Durch eine besonders zwischen ihren Worten und Zeichen hervortretende Vermittlung auch des „Unbestimmte[n]“, der „Nuance“, des „Gefühl[s]“ erscheint der von ihr geschaffene Kommunikationsrahmen gleichsam transponiert: in die Vergangenheit und Zukunft, in die jeweilige Kultur mit ihren materiellen und immateriellen Erzeugnissen aber auch in die Körpersprache und den Emotionsausdruck, die Landauer den historisch gewachsenen, gesprochenen Sprachen als Zwischentöne unverbrüchlich eingeprägt und daher durch keine „Kunstsprache“ ersetzbar erachtete: „Zwischen den Worten lebt da gar vieles, was unsäglich und unaussprechlich ist.“

Sein Europa der Gesellschaften und Individuen – er benannte namentlich Engländer, Franzosen, Deutsche und Italiener ‒ erscheint in der von seinem anarchistischen Credo durchzogenen Kritik der Einheitssprache Esperanto als ein Differenz atmendes Gebilde, „ein freies Gefüge der mannigfachsten, einander durchdringenden, in tausend Farben spielenden Interessenvereinigungen und Gruppen“,[16] dem kein Zwang zur Gleichförmigkeit innewohnt.[17] Verständigung ist Landauers Ausführungen nach überhaupt nur durch das Nichtübereinstimmen, die Verschiedenheit der Völker wie auch der Menschen untereinander denkbar. Uniformität hingegen bildet den Endpunkt jedes Sprechens und jedes Verstehens, ja, Landauer skizzierte in seinem Aufsatz ein sprachliches Gleichheitsszenario, in welchem die Menschen sich selbst und anderen verhasst und ekelhaft sein würden. Das Andere und Fremde in Gestalt anders Sprechender, aus anderen Traditionszusammenhängen Kommender, erscheint bei ihm demgegenüber als Reichtum und Resonanzboden für Verständigung. Dezidiert schließt diese Verständigung auch ein originäres, bewusst wahrgenommenes gegenseitiges Nichtverstehen positiv ein. Nichtverstehen – das meint bei Landauer ein Spannungsverhältnis, aus dem die Nähe zweier erkennbar Verschiedener erst möglich wird.[18] Von großem Schaden sei indes das unbemerkte Missverstehen durch eine oberflächliche sprachliche (und einer im Landauerꞌschen Sinn damit einhergehenden kulturellen) Konformität. Sie nämlich würde fälschlich Übereinstimmung suggerieren und von der Notwendigkeit entbinden, sich tatsächlich und mit Aufwand weiter dem Fremden, seiner Sprache und Kultur auszusetzen und begreifend zu nähern. Unter dem Deckmantel des vermeintlichen Verstehens entstehen in Landauers Kritik derart Zustände von Befremdung, die dem eigentlich verständigenden Sprechen nicht länger zugänglich sind. Daher appellierte er besonders an die Anarchisten, die er berufen glaubte, die kommende freiheitliche Gesellschaft zu initiieren: „Abschaffen helfen sollen wir die Zustände, die es dem Menschen verwehren, sich die Kenntnis fremder Sprachen zu erwerben.“ Beim Studium von Fremdsprachen komme es darauf an, sich nicht bei der Grammatik aufzuhalten, sondern Werke der Literatur zu lesen, die Stimmungen und Denkzusammenhänge der fremden Sprache viel besser vermittelten: „Übt Euch im Denken und Empfinden, das will geübt sein!“

Ohne dass er in seinem Esperantoartikel den Antisemitismus oder die ungelösten Fragen der jüdischen Emanzipation direkt ansprechen würde, lassen sich Landauers Gedanken zur Sprache doch auf beide Problemfelder übertragen: Ihre Lösung lag für ihn nicht im Zionismus, sondern in einer Bejahung der Akkulturation, die indes keine bedingungslose Assimilation meinte: „Ich weiß da von keinem Abhängigkeit- oder Adjektivverhältnis; die Schickungen nehme und bin ich, wie sie sind, und mein Deutschtum und Judentum tun einander nichts zuleid und vieles zulieb. […] Ich habe nie das Bedürfnis gehabt, mich zu simplifizieren oder durch Verleugnung meiner selbst zu unifizieren; ich akzeptiere den Komplex, der ich bin, und hoffe noch vielfältiger eins zu sein als ich weiß.“[19] Während der politische Sozialismus der Zeit in seiner Kapitalismus- und Systemkritik antisemitische Stereotype eher reproduzierte und instrumentalisierte als ihnen entschieden entgegenzutreten und mit der Durchsetzung des Sozialismus als alleinigem Gesellschaftsprinzip auch die „Judenfrage“ erledigt glaubte,[20] favorisierte der deutsch-jüdische Anarchist Landauer die Verschiedenheit, die Nicht-Identität als Organisationsprinzip sowohl des Individuums als auch der Sprachen und Gesellschaften. Gleichheit war diesem Prinzip tief eingeschrieben, indes gründete sie auf wertschätzender Gegensätzlichkeit in freiheitlicher Verbundenheit, nicht auf politischer, sprachlicher, kultureller, religiöser oder weltanschaulicher Homogenität.

Landauers Urteil über Zamenhofs Plansprache fiel apodiktisch aus und reflektierte seinen westeuropäisch-jüdischen Hintergrund: Er fällte es aus der Erfahrung der nationalen Einheit heraus. Deren Leerstellen betrafen ihn als jüdischen Deutschen besonders, weswegen er die auf 1871 zurückgehende staatliche Verfasstheit als wesentliche Ursache für die Probleme seiner Zeit ausmachte und sie in einer Fülle nationaler Sprachen und Kulturen aufzulösen hoffte. Durch die Koexistenz einer Vielzahl „Anderer“, so die implizite Logik dieser Überzeugung, würde auch das Ressentiment substanzlos werden.[21] Zamenhof hingegen stammte aus dem östlichen Europa und machte als polnischer Jude in einer zur Zeit seiner Geburt dem Russischen Reich zugehörenden Stadt, in der Weißrussen, Polen, Deutsche und Juden zusammenlebten, die Erfahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Den antisemitisch motivierten Anwürfen, die er seiner Herkunft wegen in dieser Vielheit erdulden musste, setzte er nach manifesten, auf die Ermordung Zar Alexander II. folgenden Bedrohungen durch Pogrome[22] die Idee der Einheitssprache entgegen. Sie würde, so Zamenhofs Gewissheit, alle ihre Sprecher in die gleiche, neutrale Position rücken, und derart die Besonderheit des Fremden nicht länger einer über Sprache vermittelten Stigmatisierung preisgeben. Seine in ihrer Lexik und Grammatik die europäische Sprachenvielfalt bündelnde Plansprache trug diese Hoffnung ihres Schöpfers bereits im Namen: Esperanto.

Nicht anders als Landauer mit seinem messianisch unterfütterten Anarchismus[23] verband Zamenhof mit dem Esperanto gleichfalls ein ethisch-utopisches Programm. Er benannte es nach Rabbi Hillel, einem besonders für seine auf Mitmenschlichkeit abzielende Ethik bekannten jüdischen Gelehrten der Zeitenwende, zunächst „Hillelismus“, später dann um die im Begriff sichtbare jüdische Konnotation reduziert auf das Allgemeinmenschliche verweisend „Homaranismo“.[24] Über die Einheitssprache, so die dahinterstehende Überlegung, würde eine von allen geteilte, religiöse und nationale Konfliktzonen überbrückende, an Brüderlichkeit und Gerechtigkeit ausgerichtete ethische Norm zur Geltung gelangen. Wie Landauer transzendierte Zamenhof damit eine ursprünglich mit seiner Herkunft verbundene Problemstellung ins Universale. Ersterer hatte die jüdische Vorreiterrolle im Prozess der Errichtung einer freiheitlichen, egalitären Gesellschaftsordnung betont, indem er statuierte, „daß unserer [der Juden, C.K.] gemarterten und sehnsuchtsvollen Herzen Tradition nichts anderes ist als die Revolution und Regeneration der Menschheit.“ Die jüdische Nation habe die Nachbarn in der eigenen Brust und diese Nachbargenossenschaft sei Friede und Einheit, die ihrerseits Zeichen des Berufs seien, den das Judentum an der Menschheit zu erfüllen habe.[25] Zamenhof war in einem zwar gleichfalls assimilatorischen, jedoch auch religiös dichten Gewebe jüdischer Tradition aufgewachsen, das seine jiddisch sprechende Mutter in die Familie einbrachte.[26] Der religiösen Indifferenz seines Vaters folgend übernahm er später zunächst die unter den Judenheiten Osteuropas geläufige ethnische Deutung der Juden als Volk und hatte sich während seines Studiums der Medizin in Moskau, Warschau und Wien kurze Zeit für den Zionismus engagiert, ehe er sich dem Esperanto zuwandte.[27] Ebenso wie Landauer blieb auch Zamenhof in der Folge beides: Ein akkulturierter, säkular geprägter Weltbürger und bewusster Jude: „I am proud to count myself a member of this ancient people, which has suffered so much and fought so hard, and whose sole mission in history consists, in my opinion, of uniting the peoples of the world under the banner of „one God“, that is to say, in a single ideal for the whole of humankind… . If I had not been a Jew from the ghetto, the idea of uniting humanity either would never have entered my head or it would never have gripped me so tenaciously throughout my entire life. […] My Jewishness is the main reason why, from my earliest childhood, I gave myself wholly to one overarching idea and dream, that of bringing together in brotherhood all of humanity.”[28]

Als treibende Kraft für Landauer und Zamenhof erwies sich damit ihr Streben nach einer Überwindung befremdender[29] Verständigungs- und Verständnishemmnisse in einem Europa der Vielheit, der Sprachen und Kulturen. Auf dieses Europa blickten sie vom Standpunkt einer diffamierten, mit dem Anderen assoziierten Minderheit und versuchten es aus dieser Position heraus positiv zu gestalten. Antisemitische Anfeindungen bis hin zu entsprechend motivierten Pogromen schärften ihren Blick für bestehende Probleme und bestärkten sie, ihnen über Lösungen beizukommen, die nicht nur auf die jüdische Minderheit zugeschnitten waren, sondern universalen Anspruch hatten. Dabei bekannten sie sich gerade in ihrer Kritik vehement zum Akkulturationsprozess und einem im Wertehorizont von Aufklärung und Französischer Revolution gründenden Europa, dessen Versprechen sie beide immer ernst nahmen.



[1] Essay zur Quelle: Landauer, Gustav: Lernt nicht Esperanto! (1907).

[2] Vgl. etwa Landauer, Gustav, Wie nennen wir uns, in: Wolf, Siegbert (Hg.), Gustav Landauer. Ausgewählte Schriften, Bd. 2: Anarchismus, Lich 2009, S. 124–127.

[3] Vgl. hierzu Kosuch, Carolin, Missratene Söhne. Anarchismus und Sprachkritik im Fin de Siècle (= Schriften des Simon-Dubnow-Instituts, Bd. 23), Göttingen 2015. Vgl. zur Beziehung von Judentum und Sprache in Landauers Werk zudem Kaiser, Corinna, Gustav Landauer als Schriftsteller. Sprache, Schweigen, Musik (= Conditio Judaica, Band 81), Berlin u.a. 2014.

[4] Vgl. zu diesen Prozessen ausführlich Katz, Jacob, Aus dem Ghetto in die bürgerliche Gesellschaft. Jüdische Emanzipation 1770–1870, Frankfurt am Main 1988.

[5] Vgl. Diner, Dan, Geschichte der Juden – Paradigma einer europäischen Historie, in: Stourzh, Gerald (Hg.), Annäherung an eine europäische Geschichtsschreibung, Wien 2002, S. 85−103, hier S. 90‒93.

[6] Vgl. International Institut for Social History Amsterdam, Landauer Papers, Inv.-Nr. 100, Jugendschriften, Brief Gustav Landauers an seine Jugendfreundin Ida Wolf, 15. Juni 1891, in dem er ausführt, seine Erziehung sei „so konfessionslos als möglich“ gewesen.

[7] Vgl. zu Charakteristika deutsch-jüdischer Bürgerlichkeit Lässig, Simone, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert (= Bürgertum Neue Folge, Bd. 1), Göttingen 2004.

[8] Vgl. Berding, Helmut, Moderner Antisemitismus in Deutschland (= Edition Suhrkamp, 1257), Frankfurt am Main 1988, hier S. 11‒188.

[9] Zamenhof, geboren als Sohn einer jüdischen Familie in Białystock, hatte sich Zeit seines Lebens mit der Möglichkeit befasst, eine ethnisch, religiös und national neutrale Universalsprache zu schaffen, die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Völkern würde aufheben können. Zunächst dachte er an Latein und Griechisch als Blaupause einer solchen Sprache, entschied sich dann aber für Englisch. Esperanto nutzt vorwiegend Wortstämme aus romanischen, germanischen und slawischen Sprachen. Der Sprachbau ist agglutinierend, d.h. dem unveränderlichen Wortstamm werden je nach Bedarf Affixe beigefügt. Esperanto-Vereinigungen verbreiteten die Plansprache nach 1900 gegen Widerstände und Behinderungen. Zum Teil von Zamenhof selbst angefertigte Übersetzungen und herausgegebene Zeitungen trugen zur Popularisierung bei. Vgl. zur komplexen Entstehungsgeschichte des Esperanto und Zamenhofs Vision einer internationalen Verständigung Garvía, Roberto, Esperanto and its Rivals. The Struggle for an International Language, Philadelphia 2015, hier v.a. S. 59‒128.

[10] Vgl. die mit diesem Essay veröffentlichte Quelle: Landauer, Gustav, Lernt nicht Esperanto!, in: Die Freie Generation 2 (November 1907), H. 5, S. 147‒150. Im Folgenden stammen alle Quellenzitate, soweit nicht anders vermerkt, aus dieser Quelle.

[11] Vgl. die Beiträge zur völkischen Bewegung in Puschner, Uwe; Schmitz, Walter; Ulbricht, Justus H. (Hgg.), Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871–1918, München 1999.

[12] Vgl. Löwy, Michael, Romantic Prophets of Utopia. Gustav Landauer and Martin Buber, in: Mendes-Flohr, Paul; Mali, Anya (Hgg.), Gustav Landauer. Anarchist and Jew, Berlin u.a. 2015, S. 64‒81.

[13] Vgl. Becker, Hans-Joachim, Fichtes Idee der Nation und das Judentum. Den vergessenen Generationen der jüdischen Fichte-Rezeption, Amsterdam u.a. 2000, hier S. 305‒310.

[14] Vgl. hierzu und weiterführend bis ins 20. Jahrhundert die Beiträge in Berghahn, Klaus L.; Hermand, Jost (Hgg.), Goethe in German-Jewish Culture (= Studies in German Literature, Linguistics, and Culture), Rochester 2001.

[15] Vgl. Delf, Hanna, „Wie steht es mit dem Sozialist?” Sozialismus, Deutschtum, Judentum im Briefwechsel Gustav Landauers und Fritz Mauthners, in: Juden und deutsche Arbeiterbewegung bis 1933 (= Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts, Bd. 49), Tübingen 1992, S. 115‒132, hier S. 129.

[16] Landauer, Gustav, Anarchismus-Sozialismus, in: Wolf, Gustav Landauer. Anarchismus, S. 179−185, hier S. 181.

[17] Landauers Europa meinte vornehmlich das westliche Europa, welches seinen Erfahrungs-, Sprach- und Bildungsraum ausmachte. Sein Gesellschaftsentwurf basierte auf den historisch gewachsenen Strukturen dieses Europa, die er studiert hatte, sowie dessen Sprachzusammenhängen, mit denen er als Philologe, Autor und Übersetzer vertraut war. Das von Landauer bemühte und erstrebte Bild der Vielfalt war mithin kein beliebiges, sondern aus seiner Lebenswelt heraus entstanden. Es spiegelte seine eigenen Gewissheiten und seine Herkunft und versammelte sowohl emanzipatorische, freiheitliche, utopische als auch zeittypische Deutungsmuster: Den um 1900 von Pogromen und antisemitischer Verfolgung bedrohten, als arme und wenig gebildete Bittsteller stereotypisierten, einwandernden „Ostjuden“ etwa begegnete er anders als viele seiner Mitlebenden wohlwollend, jedoch nicht frei von Zweckorientierung oder vorgefertigten Annahmen. Man könne sie, die sich anders als die „Westjuden“ ihre Ehrfurcht und Religiosität bewahrt hätten, zum Wohle des Landes ansiedeln, ähnlich wie früher die Hugenotten, führte Landauer über sie aus und sprach aus der Überzeugung kultureller Hegemonie heraus weiter von ihrer „Erziehung“ zu der „wir [Westeuropäer, C.K.] berufen sind“. (Landauer, Gustav, Ostjuden und Deutsches Reich, in: Wolf (Hg.), Gustav Landauer. Ausgewählte Schriften, Bd. 5: Philosophie und Judentum, Lich 2012, S. 375–383, hier v.a. S. 383.)

[18] Vgl. weiterführend hierzu auch Han, Byung-Chul, Die Austreibung des Anderen. Gesellschaft, Wahrnehmung und Kommunikation heute, Frankfurt am Main 2016.

[19] Landauer, Gustav, Sind das Ketzergedanken?, in: Kauffeldt, Rolf; Matzigkeit, Michael (Hgg.), Gustav Landauer. Zeit und Geist. Kulturkritische Schriften 1890−1919, München 1997, S. 216−223, hier S. 221f.

[20] Vgl. Fischer, Lars, The Socialist Response to Antisemitism in Imperial Germany, Cambridge 2010.

[21] Landauer hat sich wohl nicht intensiver mit dem Esperanto und Zamenhofs Ideen befasst. Er schrieb ihm in seiner Kritik daher zu undifferenziert ein sprachliches Einheitsstreben zu. Tatsächlich hatte Zamenhof an eine Beibehaltung der existierenden Sprachen im Privaten gedacht. In der Öffentlichkeit und hier gerade an jenen Stellen, an denen Diskriminierung besonders nachhaltig spürbar war − etwa in Behörden − sollte hingegen eine neutrale Sprache Anwendung finden. (Vgl. Van Dijk, Ziko, Esperanto, in: Diner, Dan (Hg.), Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur Bd. 2., Stuttgart u.a. 2012, S. 262−265, hier S. 264.)

[22] Vgl. dazu Frankel, Jonathan, Prophecy and Politics. Socialism, Nationalism, and the Russian Jews, 1862−1917, Cambridge 1981, hier S. 49−132.

[23] Vgl. etwa Dubbels, Elke, Figuren des Messianischen in Schriften deutsch-jüdischer Intellektueller, 1900−1933 (= Conditio Judaica, Bd. 79), Berlin u.a. 2011, hier S. 251−276.

[24] Vgl. Künzli, Andreas, L.L. Zamenhof (1859−1917). Esperanto, Hillelismus (Homaranismus) und die „jüdische Frage“ in Ost- und Westeuropa (= Jüdische Kultur, Bd. 23), Wiesbaden 2010, hier S. 165−177 und S. 211−216.

[25] Landauer, Sind das Ketzergedanken?, S. 220 und S. 223.

[26] Vgl. dazu Korzhenkov, Aleksander, Zamenhof. The Life, Works and Ideas of the Author of Esperanto, New York 2009 und Janton, Pierre, Esperanto. Language, Literature, and Community, New York 1993, hier S. 23−40.

[27] Vgl., Künzli, L.L. Zamenhof, S. 107−113.

[28] Brief Zamenhofs an Alfred Michaux (1905), zitiert nach Korzhenkov, Zamenhof, S. 5.

[29] Während Zamenhof die Fremdheit, die mit ihr verbundenen Ressentiments und Anwürfe über eine gemeinsame Sprache zu mildern strebte, arbeitete Landauer dafür, Zustände zu schaffen, in denen der Fremde nicht länger als Bedrohung angesehen werden würde. Dennoch ging es auch bei ihm letztlich darum, dem Anderen möglichst unvoreingenommen entgegenzutreten und ihn in seinem Wesen zu erkennen. Das „Befremden“ resultierte in seiner Deutung aus zu voreilig gezogenen Schlüssen, aus dem Unwillen, Zeit aufzubringen und Anstrengungen in Kauf zu nehmen, den Fremden tatsächlich verstehend zu erkennen. „Befremden“ auszuräumen war daher – auf unterschiedlichen Ebenen – das Ziel sowohl Landauers als auch Zamenhofs.



Literaturhinweise

  • Derrida, Jacques, Monolingualism of the Other or, The Prosthesis of Origin (= Cultural Memory in the Present), Stanford 1998.
  • Garvía, Roberto, Esperanto and its Rivals. The Struggle for an International Language, Philadelphia 2015.
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