Theodor W. Adorno und Erika Mann mit Adolf Frisé (Gesprächsleiter): Europa nach der Emigration. Erfahrungen der Zurückgekehrten (Hessischer Rundfunk, Sendung: 29.1.1958)
Mit wirklicher Freude komme ich auf unser letztes Gespräch zurück und freue mich sehr, daß Du meine Meinung teilst, daß ständiger Tratsch um das Thema „Wer gerade mit wem und warum“ letzten Endes nur langweilig sein kann. In unserer Gesellschaft ereignen sich so viele schöne Sachen, worüber man diskutieren sollte, daß wir die Sensationen, Intrigen, anonymen Sex jenen überlassen können, die sonst nichts tun können und ohne dem nicht leben können. [...]
Verehrtes Fräulein Also seit 2 Monaten an der Grenze des eigentlichen Abissien [sic!], in einer Strohhütte – Ziegenmilch, Bohnen, Milch u[nd] Fleisch (fr)essend – vor lauter Langeweile bis zum Excess fleißig in Astrologie etc. u[nd] noch nicht wissend, wie lange noch (resp. bis ein Antwort vom Keiser an den […] H[errn] Br[uder] geschrieben, zu uns gelangt). Klima ist nicht unrecht, Gegend auch nicht, aber unter diese[r] hundechristlichen [sic!] Bagage zw[ischen] Abyssien u[nd] Boghorly freiwillig zu wohnen, möchte ich nicht wählen. Ich bin stolz darauf kein Wort in der Landessprache gelernt zu haben u[nd] ich finde es wohltuend nicht zu verstehen was die Kerl reden. [...]
Signora, Genfer Damen, welche die noblen Ideen, die die „Friedens- und Freiheitsliga“ unter den Massen zu verbreiten sucht, ihrem eigenen Geschlecht bekannt und verständlich machen wollen, haben die Initiative zur Bildung einer internationalen Frauenvereinigung mit einem Zentralkomitee in Relation zu der genannten Liga ergriffen. Sie wenden sich daher an alle Frauen aller Länder, aller Lebensumstände, und rufen sie auf, sich ihnen anzuschließen, um das Gelingen dieses Unternehmens sicherzustellen. Bisher waren die Frauen voneinander isoliert, getrennt durch Barrieren, welche Gewohnheit und Vorurteil unüberwindbar machten, und diese Isolation hat eine Menge Übel hervorgebracht, die die aktuelle Vereinigung zu mindern versuchen und vielleicht auch ganz beenden wird. [...]
H. L.: Wenn man Sie 1930 gefragt hätte, was Sie sind, dann hätten Sie gesagt, eine deutsche Jüdin oder eine jüdische Deutsche, wie es Ihnen gerade eingefallen wäre. Heute 1981 in London, was würden Sie auf die Frage heute antworten, wenn ich Sie fragen würde: Was sind Sie denn? Und ich meine nicht Ihren Beruf, sondern Ihr Selbstverständnis. Fr. R.: Also, das ist eine sehr komplizierte Sache. Also eine Deutsche bin ich nicht mehr. Eine Engländerin, im wahren Sinne des Wortes, werde ich nie sein. Denn englisch kann man nicht werden. Man kann Amerikaner werden, aber man kann nicht Engländer werden. Sogar die eingesessenen und eingeborenen Juden in England nennen sich Briten und nicht Engländer. Das ist hier üblich. Man ist gewöhnt hier in Stämmen zu rechnen. So ist der jüdische Stamm eben auch ein Stamm unter anderen, wie die Waliser und die Schotten. Also, ich bin eine Deutsche nicht mehr, eine Engländerin werde ich nie sein. [...]
Nachdem ich als Mitglied der Sachverständigenkommission für den Wiederaufbau von Nordfrankreich und Belgien für das Referat VIII der Wako und für das Reichswirtschaftsministerium tätig gewesen bin, von dem Inhalt des Friedensvertrags eingehend Kenntnis genommen, den Verhandlungen in Versailles beigewohnt und die zerstörten Gebiete Nordfrankreichs bereist habe, will ich versuchen, mit nachstehenden Ausführungen darzulegen, welche Massnahmen das deutsche Reich zu ergreifen hat, um die ihm im Friedensvertrag auferlegten ungeheuren Pflichten, insbesondere die Verpflichtung des Wiederaufbaus der zerstörten Gebiete zu erfüllen. […]
[...] Bisher hatte es in den Reihen der Sozialdemokratie für eine Selbstverständlichkeit gegolten, daß der Sozialismus aus der Demokratie bei entwickelter kapitalistischer Produktionsweise entspringen müsse. Die Bolschewiki setzten in ihrer Notlage an Stelle dieser Auffassung eine ganz andere, völlig neue. Sie forderten die Diktatur im Gegensatz zur Demokratie. [...]
Ohne die aggressive Dynamik des Weltkommunismus gäbe es heute weder ein Wettrüsten in der Welt noch bei uns die Bundeswehr, weder den Kalten Krieg noch eine psychologische Kampfführung. [...]
Die Verfassung, die wir haben ... heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist. [...]
Im Zusammenhang mit diesen Fragen der Auslieferung wegen politischen Mordes spielte die Frage des politischen Asylrechts eine Rolle. Es liegen auch heute wieder Anträge der Kommunistischen Partei vor, dieses politische Asylrecht in das Gesetz einzuarbeiten. Wir sind der Meinung, daß das nicht in dieses Gesetz gehört, daß vielmehr ein besonderes Gesetz gemäß Artikel 7 der Reichsverfassung geschaffen werden muß, durch welches das Fremdenrecht einschließlich des politischen Asylrechts geregelt wird. [...]
Dieser Tag wird in vielen Ländern des östlichen und südlichen Europa als Feiertag der christlichen Aufklärung mit dem Gedenken der Brüder Kyrill und Method begangen. Diese wurden zu ersten „Trägern“ des slavischen Alphabets und damit auch der slavischen Schriftlichkeit und Hochkultur. Die von ihnen bereitete literatursprachliche Grammatik wurde zum Symbol der Verbindung der Slaven mit Bibliotheken, mit Wissenschaft, mit dem Festhalten historischer Ereignisse in Chroniken. [...]